Marco Polo - besser als VW California?

  19 Juli 2020    Gelesen: 707
  Marco Polo - besser als VW California?

Der Mercedes Marco Polo ist digital und mit einem neuen Motor aufgewertet worden. Der Wohnraum bleibt auch ohne große Veränderung eine luxuriöse Angelegenheit. Ein echter Gegner für den VW California?

So alt wie der große Rivale VW California ist der Marco Polo noch nicht. Eine feste Größe bei den Campingbussen ist das Mercedes-Pendant aber sehr wohl. Und nach dem letztjährigen Facelift für die V-Klasse, das auch in vollem Umfang dem Marco Polo zugutekam, übertrumpft die zum Campen umgebaute Großraumlimousine den dominierenden Bestseller zumindest in einigen Punkten. Beim erschreckend hohen Preisniveau nehmen sich beide allerdings nichts. Der Marco Polo Edition 300d, Grundpreis 69.800 Euro, schlägt bei umfänglicher Ausstattung mit rund 81.750 Euro inklusive 16 Prozent Mehrwertsteuer zu Buche. Da liegen die beiden Wettbewerber zwar Kopf an Kopf, aber für diese Klasse von Urlaubsfahrzeug ist das deutlich zu viel Geld.

Mit 239 PS in den Urlaub fliegen

Die größten Veränderungen bei dem renovierten, 5,14 Meter langen Marco Polo, der bei 1,98 Meter Höhe nahezu in jede Tiefgarage passt, betreffen das Basis-Fahrzeug. Dabei ist weniger die modifizierte Frontpartie mit den breiteren Lufteinlässen gemeint, sondern der Einsatz des 2,0-Liter-Vierzylinder-Diesels, der in der stärksten Ausbaustufe mit 239 PS und 500 Newtonmeter maximalen Drehmoment den Camper in einen Eiltransporter verwandelt. Wie sinnvoll das ist, mit mehr als 200 km/h in den Urlaub zu düsen, mag jeder für sich entscheiden. Fakt ist, dass die Kavallerie unter der Motorhaube aus dem Schwaben-Van noch lange keinen Sportler macht, dass aber deren geballte Power mit dem schweren Sternenkreuzer in bemerkenswerter Leichtigkeit fertig wird.

Fast automatisch stellt sich eine entspannte Fahrweise ein, bei der sich der 300d mit serienmäßiger Neungang-Automatik und Hinterradantrieb zudem mit einem achtbaren Verbrauch zwischen neun und zehn Litern Diesel auf 100 Kilometern je nach Zuladung begnügt. Dezente Zurückhaltung übt der topmotorisierte Marco Polo auch bei der Geräuschkulisse. Und natürlich unterstützen auf Wunsch viele elektronische Helferlein inklusive Verkehrszeichenerkennung und 360-Grad-Kamera den Fahrer beim Spurwechsel, Bremsen und Parken.

Über MBUX verbunden

Das Cockpit empfängt den Fahrer in schönem Design mit hochwertigen Materialien und guter Verarbeitung. Ein großes Ablagefach, USB-Buchsen, ein Multifunktionslenkrad wie im Pkw und Lüftungsdüsen in Turbinen-Optik – alles ist sehr stimmig. Und das Beste: Das vielfältige per Sprachbedienung hervorragend funktionierende Multimediasystem MBUX ist nun auch im Marco Polo verfügbar und kann sogar mit dem speziell für Reisemobile entwickelten Schnittstellenmodul MBAC (Mercedes Benz Advanced Control) verbunden werden.

Das heißt: Über den MBUX-Bildschirm auf dem Armaturenbrett oder über das zentrale Display im Wohnraum lassen sich fast alle Funktionen des Camping-Ausbau kontrollieren und regeln. Das reicht vom Abrufen der Füllstände für die Frisch- und Abwassertanks und die Regulierung von Kühlbox und Heizung bis zur Steuerung von Sound- und Lichtanlage. Ebenso zur zeitlichen Programmierung der Heizung in der kalten Jahreszeit. Das alles funktioniert per App auch über das Smartphone.

Edel in jedem Detail

Womit wir bei den Wohneigenschaften des Marco Polo in der voll ausgestatteten Reisemobil-Variante angelangt wären. Ein erster Rundumblick: Hier ist alles oberedel. Der Küchenblock mit den drei dunkel verglasten Abdeckungen für Spüle, Zwei-Flammenkocher und 40-Liter-Kompressor-Kühlbox, Alu-Leisten, in die filigran die Öffnungsknöpfe für Deckel, Schubladen und Schiebetüren integriert sind, alles passgenau und leichtgängig, dazu das elegante Zwei-Farb-Design – das sieht ganz nach Gourmet-Küche aus. So als müssten statt Spaghetti Bolognese als simplem Camper-Menü wenigstens Filetspitzen vom Wagyu-Rind auf dem Speiseplan stehen.

Immerhin trotz der naturgemäßen Enge in einem Fünf-Meter-Camper sind die drei Schubladen und der Unterschrank so groß, dass man auch eine kleine Pfanne verstauen oder eine Olivenöl-Flasche aufrecht transportieren kann. Nur der Absperrhahn für die Gaszuleitung ist schwer zugänglich.

Erst mit Matratze bequem

Die Zweiersitzbank mit Isofix-Befestigungen für Kindersitze ist mit Leder bezogen, und die Rücklehnen lassen sich für den Umbau zum Bett elektrisch umlegen. Das dürfte für viele eingefleischte Camper aber des Guten zu viel sein. Denn statt diesem Schauspiel im Zeitlupentempo zuzuschauen, wäre die Aktion mit einem einzigen Handgriff ruckzuck erledigt. Sitzfläche, Rückenlehnen und die hintere Ablage ergeben eine relativ plane Liegefläche, die aber erst mit der optionalen Matratzen-Auflage wirklich komfortabel wird.

Als vorrangige Schlafstätte empfiehlt sich daher ohne großen Umbau das Doppelbett im Aufstelldach, das sich natürlich elektrisch öffnen und schließen lässt. Dank eingenähter Fiberglasstäbe funktioniert das in beiden Richtungen ganz vorzüglich und auf der tellergefederten Kaltschaummatratze schläft es sich auch himmlisch, wenn auch bei knapp 1,10 Meter Breite etwas eng. Allerdings gönnt Mercedes den Dachschläfern offensichtlich nicht die Aussicht aus erhabener Position. Zwei kleine Fliegengitterfenster, auf jeder Seite eins, erfüllen diesen Zweck jedenfalls nicht. Und ein gläsernes Schiebedach schlägt in der Sonderausstattung allein mit 1400 Euro zu Buche.

Etwas wenig Stauraum

In der Tagkonfiguration ist die untere Zweierbank, die sich kinderleicht auf den Schienen im eleganten Schiffsboden hin und her bewegen lässt, natürlich Teil der Viersitzgruppe. Der Tisch, der während der Fahrt zwischen Bank und Küchenblock seine Ruheposition findet, wird nach vorn geschoben und hochgeklappt. Simpel. Das Drehen des Frontgestühls erfordert dagegen etwas Rangiertätigkeit. Dank der elektronischen Parkbremse ist aber wenigstens kein Handbremshebel mehr im Weg.

Ein kleines Manko ist sicher der Stauraum, vor allem wenn mehr als zwei Personen mit auf die Fahrt gehen. Zwar ist hinter einer weit nach vorn geschobenen Mittelbank noch ordentlich Platz im hinteren Bereich, der wird aber leider durch Campingtisch und -stühle, die in einer unter der Heckablage angebrachten Tasche verstaut werden, erheblich beeinträchtigt. Das hat der Konkurrent aus dem Norden mit den in die Heckklappe integrierten Sitzmöbel perfekter organisiert.

Bei größerer Entourage im Schlepptau erscheint zudem eine Auflastung auf 3,2 Tonnen Gesamtgewicht sinnvoll. Dann steht auch voll bepackt einer stilvollen Camping-Tour nichts mehr Wege.

Quelle: ntv.de, Michael Lennartz, sp-x


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