Das Pentagon nennt es „mosaikartige Kriegsführung“ (Mosaic Warfare): Die Vorstellung einer Schlacht unter massivem Einsatz von bemannten und unbemannten Flugzeugen im engsten Verbund mit den Streitkräften zu Wasser, zu Lande und im Weltraum. Seit 2017 arbeitet DARPA, die Forschungsstelle des amerikanischen Verteidigungsministeriums, an diesem Konzept eines Krieges nach dem Baukastenprinzip.
Das Herzstück oder besser gesagt das Hirn dieses Einsatzmodells ist ein Kampfpilot, der aus seiner Maschine heraus unzählige Drohnen mit bestimmten Aufgaben betraut: Eine Drohne stört das gegnerische Radar, eine andere führt die Waffen, die nächste späht Ziele aus, noch eine weitere dient als Attrappe für die Flugabwehr des Gegners. Die Zahl der Drohnen, ihre Ausrüstung und Bewaffnung variieren je nach Einsatzauftrag.
Maßgeblich für die Wahl der richtigen Taktik ist dabei die richtige Zielerkennung. Deshalb hat DARPA unlängst Rüstungsfirmen dazu aufgefordert, sich mit Algorithmen in das Projekt einzubringen, die es den Drohnen ermöglichen sollen, Ziele am Boden nicht nur zu entdecken, sondern richtig zu identifizieren – auch Ziele von der Größenordnung eines Kampfpanzers oder Truppentransporters, die sich sehr langsam fortbewegen und dadurch umso schwieriger zu entdecken sind.
Das Programm läuft in zwei Etappen. Im ersten Schritt sollen Drohnen dazu befähigt werden, getarnte Bodenziele selbstständig zu entdecken. Im zweiten Schritt werden Algorithmen entwickelt, die nicht nur Ziele als solche orten, sondern unter Einsatz künstlicher Intelligenz erkennen, um welchen Typ von Kampffahrzeug es sich handelt. Hier liegt die eigentliche Herausforderung.
„Wenn Sie einen Algorithmus darauf trimmen, eine Katze zu identifizieren, können Sie ihn an das Internet anschließen, wo es Hunderttausende Bilder dieses Tieres aus unterschiedlichen Aufnahmewinkeln gibt. Das ist leicht“, erklärte Armeegeneral John M. Murray. „Beim russischen Panzer T-72 wird es schwieriger. Natürlich können Sie mehrere Fotos davon abrufen. Aber sind die Bilder auch aus dem Blickwinkel gemacht worden, aus dem die Drohne das Ziel anvisiert? Ist das Ziel genauso beleuchtet? Ist der Panzer getarnt oder fährt er im freien Gelände?“
Das DARPA-Konzept sieht vor, dass der Algorithmus die Ziele anhand einer detaillierten Datensammlung von 3D-Modellen gegnerischer Technik identifiziert. Die Drohne erfasst ein Kampffahrzeug im Einsatzgebiet, gleicht das Bild mit einer dreidimensionalen Aufnahme aus der Datenbank ab und sucht die passende Abbildung aus.
Unklar bleibt allerdings, ob und wie das in der Praxis funktioniert. Denn auch Kampffahrzeuge vom gleichen Typ können verschiedene Zusatzausrüstung an Bord mitführen, die die Fahrzeugsilhouette stark verändert. Schon zwischen einem russischen T-72 und einem T-90 zu unterscheiden, ist nicht immer leicht. Außerdem sind alle russischen T-90-Panzer mit einem optronischen Abwehrsystem ausgerüstet, das das Kampffahrzeug zuverlässig vor Abwehrraketen mit Lasersuchköpfen schützt. Bei den 72ern früherer Baureihen fehlen diese Systeme jedoch: Diese Kampfpanzer sind verwundbarer.
Ferner erfordert das Konzept des „Mosaic Warfare“ eine Vielzahl kostengünstiger und engspezialisierter Drohnen, die durch die schiere Anzahl jede Flugabwehr überfordern würden. Die Verluste solcher Drohnen in Kriegen gegen hochgerüstete Gegner sind vertretbar, zumal die Air Force-Piloten dann ihr Leben nicht mehr einsetzen müssen, um die gegnerische Luftverteidigung zu überwinden.
Die unbemannten Flugvehikel können Abwehrstellungen aufdecken und entweder selbstständig vernichten oder die Zielkoordinaten an den Kommandeur im Kampfflugzeug übermitteln, der die gegnerische Stellung attackiert. Ob die Drohnenschwärme auch unter starker elektronischer Gegenwehr einsatztauglich bleiben, ist hierbei eine zunächst offene Frage.
Kampf-Autopilot im Cockpit
Damit der Pilot sich auf die Führung des unbemannten Angriffsgeschwaders konzentrieren kann, muss er von Standardabläufen im Flug maximal entlastet werden – durch Künstliche Intelligenz. Seit letztem Sommer arbeitet die DARPA unter dem Programmnamen ACE (Air Combat Evolution) an einem digitalen Copiloten für Kampfflugzeuge.
Das künstliche Hirn kann bereits viele Aufgaben übernehmen, die Oberhand behält jedoch weiterhin der Mensch. Allerdings lernt die KI fliegen wie ein echter Kampfpilot: von leichten und alltäglichen zu immer schwierigeren Flugabläufen. Dafür ist das ACE-Programm in drei Etappen eingeteilt. Im ersten Programmabschnitt trainiert die Künstliche Intelligenz einzelne Abläufe eines Luftkampfs am Computer. Im zweiten Abschnitt wird die KI an herkömmlichen Drohnen erprobt, die in der Praxis zeigen sollen, was der Algorithmus am Computer gelernt hat. Im dritten Abschnitt folgt schließlich der Einsatz der KI in einem Kampfjet.
„Das ACE-Programm wird es dem Piloten ermöglichen, sich im Kampf auf das Gesamtgeschehen zu konzentrieren, während die Drohnen aus dem Verbund einzelne Aufgaben übernehmen. Das ACE erschafft eine hierarchische Einsatzstruktur, innerhalb derer die höheren kognitiven Funktionen – Ausarbeiten einer Strategie, Ziel- und Waffenauswahl – dem Menschen vorbehalten bleiben, während die autonomen Systeme das Manövrieren und die taktischen Einzelheiten übernehmen“, erklärt die DARPA das Konzept.
Eine Komponente der „mosaikartigen Kriegsführung“ ist das Kampfflugzeug „Skyborg“: eine unbemannte Maschine, die treu die Anweisungen ihres Kommandeurs ausführen soll. Daher die englische Bezeichnung des Einsatzprinzips: „Loyal Wingman“. Die US Air Force hat vor wenigen Tagen gleich vier Luftfahrtkonzerne – Boeing, Northrop Grumman, General Atomics und Kratos – mit der Entwicklung weiterer Drohnen dieser Art beauftragt. 400 Millionen Dollar darf der Auftrag maximal kosten. Bis 2026 sollen die Tests abgeschlossen sein.
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