Die Berliner Verkehrssenatorin Regine Günther wehrt sich gegen den Vorwurf, die von Rot-Rot-Grün in der Hauptstadt eingeleitete Verkehrswende komme nur schleppend voran. "Ich finde, wir sind gut vorangekommen", sagt die Grünen-Politikerin ntv.de.
"Wir haben die Verwaltung auf- und umgebaut, haben die Gesetzesgrundlagen geschaffen, umfangreiche Planwerke verabschiedet", so Günther. "Die ersten Umsetzungen bei Radinfrastruktur, bei neuen Busspuren sind da, die seit Jahren erste neue Straßenbahn im Bau." Sie betont weiter: "Wir haben mit dem Mobilitätsgesetz, als einziges Bundesland bisher, eine verbindliche Grundlage für den Vorrang des Umweltverbunds aus Bahn-, Bus-, Rad- und Fußverkehr beschlossen. Wir haben die nötigen Finanzmittel bereitgestellt, wir haben effektive Strukturen geschaffen, wir haben so viel Personal eingestellt wie nie zuvor. 2016 gab es 3,5 Radverkehrsplaner im Land Berlin, inzwischen sind es rund 70", sagt sie ntv.de.
Für einen Artikel über die Berliner Verkehrspolitik hatte ntv.de die Senatorin um eine Stellungnahme gebeten. Diese kam jedoch zu spät in unserer Redaktion an, um noch eingefügt werden zu können.
Günther verteidigt den Stand des Ausbaus der Radwegeinfrastruktur in Berlin: "Noch 2017 wurden 7 Millionen Euro für den Radverkehr ausgegeben, 2019 waren es bereits 16 Millionen Euro. Es sind 100 Kilometer neue oder sanierte Radwege entstanden, dazu bisher 27 Kilometer Pop-Up-Bikelanes, die auch international Beachtung gefunden haben", sagt sie. Es liefen intensive Planungen für 100 Kilometer attraktive Radschnellwege, sternförmig durch die ganze Stadt, 15.000 Fahrradbügel seien aufgestellt worden, Fahrradparkhäuser würden geplant. "Diese Bilanz zeigt die sehr intensive Aufbauarbeit für die Verkehrswende in Berlin, gerade auch beim Radverkehr."
Andere Berliner Politiker sehen das anders und haben der Politikerin ein durchwachsenes Zeugnis ausgestellt. "Frau Günther ist jetzt seit vier Jahren Verkehrssenatorin und man fragt sich, was die Frau eigentlich macht", sagte etwa der SPD-Politiker Sven Kohlmeier. Auch nach Ansicht des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs ADFC ist die Arbeit der Senatorin unzureichend. "Eine Steuerung der relevanten Vorhaben findet nicht statt", sagte ADFC-Vorstand Frank Masurat.
"Umsetzung wird etliche Jahre in Anspruch nehmen"
Zur Zielsetzung beim Ausbau der Radwegeinfrastruktur sagt Günther: "Alle Berliner Hauptstraßen, insgesamt rund 1400 Kilometer, sollen mit sicheren Radwegen ausgestattet werden, dazu soll es mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen geben. Die Umsetzung hat, wie gesagt, begonnen. Sie wird etliche Jahre in Anspruch nehmen." Mitte Juli erhielt SPD-Politiker Kohlmeier vom Senat Antwort auf zwei Anfragen, in denen er sich nach dem Stand des Ausbaus des Radwegenetzes erkundete. Insgesamt nur 99,2 Kilometer seien seit dem 1. Januar 2017 bis Ende Mai 2020 gebaut worden, heißt es darin. Über die Radschnellverbindungen werden zurzeit noch Machbarkeitsstudien angefertigt. Mit einem Baubeginn rechnet die zuständige Infravelo GmbH nicht vor 2022.
Die rot-rot-grüne Landesregierung hatte im am 1. Januar 2018 in Kraft getretenen Mobilitätsgesetz festgeschrieben, dass innerhalb von zwei Jahren ein Radverkehrsplan vorgelegt wird, in dem konkret dargestellt wird, wie der Ausbau der Radwegeinfrastruktur ablaufen soll. Diese Frist ist seit mehr als einem halben Jahr verstrichen. Der Senat breche damit Regeln, die er selbst aufgestellt habe, lautet die Kritik. "Der Radverkehrsplan mit dem neuen Radverkehrsnetz ist ein umfangreiches Planwerk, in Berlin so bisher nicht existent, das wir mit großer Sorgfalt entwickeln", sagt Günther dazu. "Das braucht seine Zeit, aber es ist gut investierte Zeit, denn er wird die Grundlage sein für den systematischen Ausbau der Fahrradstadt Berlin. Aber wie erwähnt: Wir bauen auch jetzt schon die Radwege nach den neuen Maßstäben des Mobilitätsgesetzes aus."
Zur Zahl der im Berliner Straßenverkehr getöteten Radfahrer - im laufenden Jahr waren es bereits 14 - sagt Günther: "Diese Entwicklung ist sehr bedrückend, und ich verfolge sie genau." Das Land Berlin arbeite an einer "schnellen Schaffung von geschützter Infrastruktur, von sicheren Rad- und Fußwegen mit sicheren Kreuzungen". Die Senatorin betont aber auch, dass auf Bundesebene "endlich die richtigen Weichen gestellt und beispielsweise die Einführung der Abbiegesysteme für Lkw deutlich beschleunigt wird". Allein 7 der 14 tödlichen Unfälle von Radfahrenden in diesem Jahr seien auf rechtsabbiegende LKW zurückzuführen. Günther fordert: "Wir brauchen deutlich härtere Strafen bei Regelverstößen, gerade für Geschwindigkeitsüberschreitungen oder für Falschparken. Und es ist entscheidend, dass spürbar mehr kontrolliert und sanktioniert wird. Viel zu oft kommen Gefährder im Verkehr einfach davon. Das kann so nicht bleiben."
ntv
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