Das zweite Jahr in Folge scheitert die Academy daran, einen schwarzen Schauspieler für die wichtigste Auszeichnung in der Filmindustrie zu nominieren. Aber jeder, den diese Nachricht erstaunt, hat nicht aufgepasst. "Es ist als schwarzer Mensch in den USA leichter, Präsident zu werden, als der Leiter eines Hollywoodstudios zu sein", sagte der Regisseur Spike Lee, als er im Herbst seinen Ehrenoscar entgegen nahm. Er hat es überspannt formuliert, aber er hat nicht Unrecht. Hollywoods Olymp zu erklimmen ist für Afroamerikaner ungefähr so drollig wie für Frodo Beutlin, den Schicksalsberg hinaufzukriechen.
Dabei sind die Nominierungen in diesem Jahr keine temporäre kollektive Verirrung. Also eine kollektive Verirrung sind sie auf gewisse Weise schon, aber die Oscars sind "so weiß", weil die Filmindustrie schon immer von Weißen dominiert wurde. Bereits 1996 prangte auf dem Cover von People Magazine in großen gelben Buchstaben "Hollywood Blackout". Die Academy spiegelt den Snobismus der Filmbranche wider, aber die ist wiederum nur ein Spiegel jenes Rassismus, der in der Gesellschaft noch immer herrscht.
Nur wenige würden zwar argumentieren, dass die Aussichten für schwarze Schauspieler sich nicht verbessert hätten. In den 2000er Jahren nahmen Halle Berry, Jamie Foxx, Morgan Freeman, Forest Whitaker, Jennifer Hudson und Mo`Nique Oscars mit nach Hause, und 2014 räumte 12 Years a Slave unter anderem die Auszeichnung als bester Film ab. Aber gerade die vergangenen zwei Jahre fühlen sich an wie ein Rückschritt.
#BlackLivesMatter – aber nicht in Hollywood
Stinksauer darüber, dass die Academy keine schwarzen Künstler ehren wollte, waren auch Spike Lee, Will und Jada Pinket Smith, die ihre Teilnahme am Oscar-Sonntag absagten. Idris Elba hatte keine Nominierung erhalten für seine Rolle als afrikanischer Warlord in der Netflix-Produktion Beasts of No Nation, und ausgerechnet die Nominierungen für jene Filme, die von schwarzer Lebenserfahrung erzählen, Straight Outta Compton und Creed, gingen an die zwei weißen Drehbuchautoren respektive an Sylvester Stallone. Sicher, die Mehrheit einer Organisation, die zu 93 Prozent weiß, zu 76 Prozent männlich und im Durchschnitt 63 Jahre alt ist, kann sich vermutlich nicht mit 1980er-Jahre-Gangster-Rap identifizieren. Das überrascht nicht. Aber selbst sie sollte die gesellschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre zur Kenntnis nehmen: Nach der Tötung von Michael Brown und Eric Garner wurde #BlackLivesMatter zum Mantra von Amerikas neuer schwarzer Protestbewegung. Es entstanden das Bürgerrechtsepos Selma und der Musikfilm Straight Outta Compton, der die Wut der schwarzen Bevölkerung von Los Angeles reflektiert. Dies sind wichtige Filme in den USA. Und trotz seiner konventionellen Struktur, fühlte sich Creed einschneidend an. Der Regisseur Ryan Coogler gab uns mit seinem Hauptdarsteller Michael B. Jordan einen schwarzen Box-Helden in einem "weißen" Franchise. Beide hatten indes kaum eine Chance auf eine Nominierung, denn die Oscarkampagne eines Stars im Format von Leonardo DiCaprio ist beinahe so aggressiv wie die der US-Präsidentschaftskandidaten.
Keine Rollen, keine Preise
Im vergangenen Jahr gewann Viola Davis als erste Schwarze einen Emmy als beste Hauptdarstellerin in einer Drama-Serie. In ihrer Rede bedankte sie sich bei den Autoren Hollywoods, die ihre Figur überhaupt erst erfunden hatten, denn, so erklärte Davis: "Man kann keinen Emmy für Rollen gewinnen, die es einfach nicht gibt." Und sie hat recht. Doch warum eigentlich gibt es diese Rollen kaum?
Zum einen weil Minderheiten hinter den Kulissen und Kameras unterrepräsentiert sind. Ein Mangel an schwarzen Produzenten, Talenten, Agenten und Financiers hat weitreichende Auswirkungen, auf die Art von Filmen, die am Ende tatsächlich gedreht werden. Eine andere Begründung liegt darin, dass Studiobosse davon ausgehen, dass sich "Schwarze in Übersee nicht verkaufen, es sei denn sie heißen Denzel Washington oder Will Smith", schrieb der Filmemacher Gavin Polone im New York Magazine und betonte gleichzeitig, wie falsch diese Logik sei. US-amerikanisches Kino behandelt schwarze Menschen gerne als Symbole. Sie gewinnen oft nur dann einen Oscar, wenn sie weißen Menschen dabei helfen ihre rassistische Vergangenheit aufzuarbeiten. 12 Years a Slave war der letzte Film, in dem ein schwarzer Darsteller, Chiwetel Ejiofor, nominiert war. Und einer jener Filme, der bereits jetzt als Oscarkandidat für 2017 gehandelt wird, ist das Sklavendrama Birth of a Nation von und mit Nate Parker. Der Film gewann bereits den Grand Jury und Publikumspreis beim Sundance Film Festival. Denn es ist so: In Filmen über Sklaverei dürfen schwarze Männer herkulische Charaktere spielen. Schwarze als Helden scheinen in Ordnung zu sein, solange sie der Vergangenheit angehören.
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