„Versuchter Giftmord sollte ihn zum Schweigen bringen“

  03 September 2020    Gelesen: 603
„Versuchter Giftmord sollte ihn zum Schweigen bringen“

Bundeskanzlerin Merkel hat den Giftanschlag auf den Kreml-Kritiker Nawalny „auf das Allerschärfste“ verurteilt. Nach der nun offiziellen Diagnose handele es sich um „bestürzende Informationen“, das Verbrechen gegen ihn richte sich auch „gegen die Grundwerte und Grundrechte, für die wir eintreten.“ Die Welt erwarte von Russland nun Antworten.

Die CDU-Politikerin verlangte von Moskau eine Erklärung. Es stellten sich jetzt sehr schwerwiegende Fragen, die nur die Regierung in Moskau beantworten könne und müsse. Ziel des versuchten Giftmords sei gewesen, ihn zum Schweigen zu bringen. Bei dem nachgewiesenen Gift handele es sich zweifelsfrei um eine Substanz der sogenannten Nowitschok-Gruppe. Dies war im Auftrag der behandelnden Berliner Charité in einem Speziallabor der Bundeswehr festgestellt worden.

Kritik vom Kreml

In Moskau verlangte der Kreml einen vollen Datenaustausch zwischen Berlin und Moskau. Der Sprecher von Präsident Putin, Peskow, erklärte, Russland sei bereit zu einer Zusammenarbeit mit den deutschen Behörden. Die Generalstaatsanwaltschaft in Moskau habe bereits eine offizielle Anfrage geschickt, diese sei jedoch nicht beantwortet worden. Auch die Ärzte in Moskau und Omsk hätten einen Austausch von Daten angeboten. Auch darauf gab es Peskows Darstellung nach keine Reaktion.

Internationale Reaktionen

International wurde die Tat verurteilt. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nannte den Anschlag „abscheulich“ und „feige“. Und für die US-Regierung ist die Vergiftung „vollkommen verwerflich“. Die britische Regierung hat ihre Hilfe zur Aufklärung angeboten. Im englischen Salisbury überlebten 2018 der russische Doppelspion Skripal und seine Tochter nur knapp eine Nowitschok-Vergiftung. Nato-Generalsekretär Stoltenberg sagte, die Nato betrachte jeden Einsatz chemischer Waffen als eine Bedrohung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Er kündigte an, mit allen Bündnispartner über die Folgen zu beraten.

In Deutschland forderte die Fraktionschefin der Grünen, Göring-Eckardt, in Berlin echte Konsequenzen für die Führung in Moskau. So könne man etwa die Ostseepipeline Nord Stream 2 mit Russland nicht weiter vorantreiben. Auch der CDU-Außenpolitiker Röttgen regte im ARD-Fernsehen eine Nichtvollendung der Gaspipeline an.

Russischen Botschafter einbestellt

Bundesaußenminister Maas hatte zuvor den russischen Botschafter einbestellt. Ihm sei unmissverständlich die Aufforderung übermittelt worden, die Hintergründe der Vergiftung Nawalnys aufzuklären. Der Direktor der Anti-Korruptions-Stiftung von Nawalny, Schadnow, erklärte, nur der russische Staat sei in der Lage, Nowitschok einzusetzen. Er vermutet russische Geheimdienste hinter der Tat. Nawalny, der am 20. August auf einem Flug in seiner Heimat plötzlich ins Koma gefallen war und zunächst in Omsk untersucht wurde, wird auf Wunsch seiner Familie in der Charité behandelt. Die deutschen Ärzte waren bereits nach einer ersten Auswertung klinischer Befunde von der Möglichkeit einer Vergiftung ausgegangen. Die russische Regierung hatte die Einschätzung als vorschnell bezeichnet.

Längerer Krankheitsverlauf zu erwarten

Die Charité teilte derweil mit, der Gesundheitszustand von Nawalny sei weiter ernst. Die Symptomatik der nachgewiesenen Vergiftung sei zwar zunehmend rückläufig. Nawalny werde aber weiterhin auf einer Intensivstation behandelt und künstlich beatmet. Mit einem längeren Krankheitsverlauf sei zu rechnen. Langzeitfolgen der schweren Vergiftung seien weiterhin nicht auszuschließen.

deutschlandfunk


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