Wo jeder dritte Nordafrikaner ein Krimineller ist

  29 Februar 2016    Gelesen: 1026
Wo jeder dritte Nordafrikaner ein Krimineller ist
NRW ist das Bundesland mit den meisten Marokkanern und Algeriern. Jeder Dritte von ihnen ist kriminell, gab Innenminister Ralf Jäger (SPD) bekannt. Wie geht die rot-grüne Landesregierung damit um?
Es war um den zehnten Januar, als rechtsradikale Schläger durch Köln streiften und ausländische Mitbürger jagten. Laut Polizei wollten sie sich damit für die massenhaften sexuellen Übergriffe der Silvesternacht von Köln "rächen". Denn die wurden offenbar von meist nordafrikanischen Tätern verübt. Dass bei diesem Rachefeldzug rund ein Dutzend unschuldiger Menschen teils krankenhausreif geprügelt wurde, ist bekannt.

Noch nicht bekannt ist dagegen ein Detail, das nun aus Kölner Polizeikreisen durchsickerte: Mindestens in einem Fall soll das ausländische Opfer von den Schlägern als "Marrok-Sau" beschimpft worden sein. Man unterstellte dem Opfer also eine marokkanische Nationalität (übrigens zu Unrecht). Und hielt das für einen ausreichenden Grund, um draufzuhauen.

Womöglich ist es Gewaltopfern völlig gleichgültig, von welchen Schimpfworten der Schlag in ihr Gesicht begleitet wird. Gleichwohl besitzt dieses Detail Aussagekraft: Infolge der Berichterstattung über die mutmaßliche marokkanische und algerische Nationalität vieler Täter von Köln mutierte eine ganze Bevölkerungsgruppe zur Gefahr – zumindest für manche Zeitgenossen. Dass die öffentliche Benennung der Nationalität von Straftätern schnell alle Menschen dieser Nationalität in ein ungünstiges Licht zu tauchen droht, wird von Integrationsforschern wie Klaus Bade seit Langem behauptet.

Sollte diese These zutreffen, hätte die Landesregierung vergangene Woche allen Marokkanern und Algeriern im Land einen gewaltigen Imageschaden zugefügt. Da gab Innenminister Ralf Jäger (SPD) bekannt, dass 33,6 Prozent der Marokkaner und sogar 38,6 Prozent der Algerier, die 2015 in NRW lebten, kriminell wurden. In seltener Offenheit bestätigte der Innenminister damit, dass NRW ein massives Sicherheitsproblem mit beträchtlichen Minderheiten dieser beiden Bevölkerungsgruppen hat. Woraufhin ihm die Piratenpartei sogleich vorwarf, damit munitioniere Jäger Ausländerfeinde.

Die Kritik von Piraten und Teilen der Grünen irritierte den Minister jedoch nicht. Im Gegenteil. Jäger beteuerte nun in einer Mitteilung an den Innenausschuss des Landtages, "Daten zu Kriminalität mit Zuwandererbezug" würden künftig "systematisch erhoben und veröffentlicht". Für den Sozialdemokraten gibt es mittlerweile nur noch einen Weg, um zu verhindern, dass Zuwanderergruppen als überdurchschnittlich kriminell stigmatisiert werden: Man müsse deren Kriminalität so lange bekämpfen, bis es keine überdurchschnittlich kriminellen Zuwanderergruppen mehr gebe. Nicht das Verheimlichen, sondern das Beseitigen der Missstände sei die Lösung, heißt es aus Jägers Ministerium.

Jäger setzt sich selbst unter Zeitdruck

Dort wird auch eine Art Deadline für das selbst gesetzte Ziel gehandelt: Wenn der Minister im Frühling 2017 die Kriminalitätsstatistik vorstelle, müssten die Zahlen schon deutlich gesunken sein. Um die Mitbürger zu schützen. Um Rechtsextremisten Munition aus der Hand zu nehmen. Und um den angekratzten Ruf zweier kleiner Zuwandererminderheiten aufzubessern.

Jäger setzt sich also unter Zeitdruck, um die Gefahr durch algerische und marokkanische Straftäter zu bannen. Welches Ausmaß die angenommen hat, legte er ebenfalls detailliert dar. Demnach lebten 2015 in NRW 5210 Algerier, von denen 38,6 Prozent Straftaten begingen, und 36.118 Marokkaner, von denen 33,6 Prozent straffällig wurden. Bei den Algeriern waren es 13.231 Straftaten, bei den Marokkanern 14.733. Meist begingen sie Eigentumsdelikte oder Körperverletzungen – überwiegend wurden diese Straftaten von jungen Männern in Großstädten wie Köln, Düsseldorf und Dortmund verübt. In keinem anderen Bundesland waren Angehörige dieser beiden Bevölkerungsgruppen ähnlich oft kriminell. Was natürlich auch daran liegt, dass NRW von allen Ländern die meisten Marokkaner (84 Prozent) und Algerier (44,7 Prozent) aufnimmt.

Nun gab es auch schon früher überdurchschnittlich kriminelle Bevölkerungsgruppen mit Zuwanderungsgeschichte. Das betraf in den 90er-Jahren vor allem Türkeistämmige und Russlanddeutsche im Land. Auch damals rekrutierten sich die Straftäter in den meisten Fällen aus der Spezies der jungen Männer – genau wie heute bei Marokkanern und Algeriern. Der große Unterschied zur heutigen Lage: Die Gesamtgruppe aller Türkeistämmigen oder Russlanddeutschen war dennoch nicht oder kaum überproportional oft kriminell – weil die erwachsenen und weiblichen Angehörigen beider Zuwanderergruppen so selten straffällig wurden. Sie machten die erhöhte Delinquenz der jungen Männer statistisch gesehen also wieder wett.

Das ist bei Marokkanern und Algeriern nun anders. Die jungen Männer in diesen Gruppen sind so zahlreich und so häufig kriminell, dass die friedlichen Mehrheiten der Marokkaner und Algerier im Land dies nicht mehr ausgleichen können. Bislang war es leicht, ausländerfeindliche Parolen von angeblich überproportional oft kriminellen Zuwanderern zu widerlegen. Man musste nur auf die Fakten verweisen. Diesesmal verhält es sich anders. Dabei hat Jäger in seiner Statistik schon recht wohlwollend rechnen lassen. So wurden keine Straftaten mitgezählt, die gegen das Ausländerrecht verstießen. Auch wurden die Mehrfachtäter herausgerechnet. Und die Taten aus der Silvesternacht wurden ebenfalls nicht berücksichtigt.

Razzien und überraschende Kontrollen

Das Image der beiden nordafrikanischen Bevölkerungsgruppen dürfte unter des Ministers neuer Offenheit wohl leiden, wenngleich zu Unrecht. Schließlich sind über zwei Drittel der Marokkaner und etwas weniger als zwei Drittel der Algerier im Land unbescholtene, friedliche Leute. Gleichwohl erklärte das Integrationsministerium auf Anfrage, es gebe keine Pläne, das öffentliche Bild der Nordafrikaner im Land, etwa durch eine Kampagne, zu verbessern. Die rot-grüne Koalition, genauer: die SPD mit ihrem unwilligen Koalitionspartner im Gefolge, setzt die Akzente derzeit anders.

"Nordafrikanische Straftäter", so verkündete Jäger, stünden fortan "besonders im Fokus der Polizei NRW". So erging noch im Januar ein "Sensibilisierungserlass" an alle Polizeibehörden, der sie auffordert, bei allen Großveranstaltungen "die neue Kriminalitätsform des gruppenweisen sexuellen Misshandelns und Beraubens in die Einsatzplanungen" einzubeziehen. Zugleich wurden alle Polizeibehörden mit kriminellen Nordafrikaner-Gruppen aufgefordert, "an bekannten Treffpunkten, auch in Unterbringungseinrichtungen Razzien und überraschende Kontrollen" vorzunehmen, um die Szene "unter Druck zu setzen". Mit dem Bundesinnenministerium handelte Jäger zudem einen Einwanderungsstopp für marokkanische Asylbewerber nach NRW aus.

Ferner ordnete er an, die Vorrangbehandlung für Asylanträge aus den Maghreb-Staaten durchzusetzen, um die Abgelehnten schneller wieder abzuschieben. Dazu ist aus Jägers Sicht auch nötig, Marokko und Algerien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären. Eine Unterstützung dieses Vorhabens der großen Koalition im Bund lehnen die NRW-Grünen bislang aber ab.

Und dann ließ Jäger sich auch noch bis in die Wortwahl von einer CDU-Forderung inspirieren: Die Union hatte vor Wochen angemahnt, die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber durch die Kommunen müsse koordiniert und effektiviert werden mithilfe einer landesweiten Zentralstelle. Genau die versprach Jäger nun einzuführen. Angesichts dieser Anleihe bei der CDU blieb den Christdemokraten nur ein Kritikpunkt: Bislang sei das alles nur Ankündigung, mahnte CDU-Innenpolitiker Gregor Golland. Bei Jägers Plänen handle es sich um "Beruhigungsrhetorik für die Bevölkerung". Letzteres schränkt er allerdings sofort ein. Denn: Wenn Jäger die Bevölkerung schonungslos über die Gefahr zugewanderter Krimineller informierte, aber nichts unternähme, um die Gefahr zu beseitigen – das wäre eher beunruhigend.

Quelle : WELT.DE

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