Im Triathlon-Modus um die ganze Welt

  06 September 2020    Gelesen: 1496
  Im Triathlon-Modus um die ganze Welt

Etwa 50.000 Kilometer legt Jonas Deichmann jedes Jahr mit seinem Fahrrad zurück und hält damit mehrere Weltrekorde. Doch die Herausforderung auf zwei Rädern reicht dem 33-Jährigen nicht mehr. Gerade hat er als Erster einen Triathlon rund um die Republik beendet. Sein nächstes Ziel ist noch anstrengender, weiter und gefährlicher.

Spätestens, wenn Jonas Deichmann seinen jüngsten Rekord - einen 16-fachen-Ironman entlang der deutschen Grenze - als "Aufwärmprogramm" bezeichnet, wird deutlich: Der 33-Jährige ist ein Mann der Extreme. Seit knapp vier Jahren ist der gelernte IT-Vertriebler als Leistungssportler und Abenteurer unterwegs und stellt praktisch alle paar Monate einen neuen Weltrekord auf.

Zu seinen Erfolgen zählen drei große Kontinentaldurchquerungen, die er als Erster ohne Begleitfahrzeug auf dem Fahrrad bewältigte. 2019 Jahr legte er 18.000 Kilometer in nur 72 Tagen vom Nordkap in Norwegen bis nach Kapstadt in Südafrika zurück. Während er dort wilden Tieren am Straßenrand begegnete, die Sahara durchquerte oder eine Nacht im Gefängnis verbrachte, war die Umrundung seiner Heimat etwas unaufgeregter, wenn auch nicht weniger reizvoll, sagt Deichmann.

Vor einigen Tagen beendete er die Deutschlandtour in Lindau am Bodensee - dort, wo er 31 Tage zuvor gestartet war. 65 Kilometer Schwimmen, 2800 Kilometer auf dem Fahrrad und 690 Kilometer zu Fuß. "Eigentlich hatte ich andere Expeditionen geplant, bin dann aber aufgrund der Corona-Krise hier geblieben. Darüber bin ich im Nachhinein froh, denn ich war zwar schon in mehr als 100 Ländern, kannte aber viele Ecken in Deutschland gar nicht", sagt er. Landschaftlich haben ihm vor allem die Wanderwege durch die Alpen gefallen oder die nahezu unberührte Natur an der Grenze zu Polen.

Doch wie schon während seiner zurückliegenden Reisen zog der gebürtige Stuttgarter auch dieses Mal die meiste Kraft aus den Begegnungen mit den verschiedensten Menschen. Via Live-Tracker können Interessierte auf seiner Homepage verfolgen, wo sich der Extremsportler gerade befindet und wenn sie möchten, für eine Etappe dazu stoßen.

Jedes Gramm zählt

Allein während der Strecke, die er auf dem Fahrrad zurücklegte, begleiteten ihn etwa 100 Menschen. Ein Zusammentreffen im Wasser ist Deichmann besonders in Erinnerung geblieben: "Auf dem Bodensee ist mir ein Stand-Up-Paddler entgegengekommen, um mir ein paar süße Teilchen aus der Bäckerei zu bringen. Über so etwas freue ich mich sehr", sagt er. Gerade, weil das Schwimmen ihn an seine körperlichen Grenzen gebracht habe. "Ich bin ein sehr guter Radfahrer, aber meine Technik im Wasser ist miserabel."

Bevor der Ausdauerathlet zu seinen Expeditionen aufbricht, muss er abwägen, welches Equipment er mitnimmt. Jedes Gramm wirkt sich auf die Schnelligkeit aus und auf Begleitfahrzeuge verzichtet er. Die Entscheidung falle in der Regel zulasten des Komforts aus. Dabei geht er sogar so weit, dass er seine Zahnbürste vor Abfahrt noch einmal in der Mitte durchschneidet, um Gewicht zu sparen. In Hotels übernachtet Deichmann nur selten, meistens schläft er unter freiem Himmel. Gelegentlich bieten ihm Wegbegleiter einen Platz in ihrem Zuhause an. Ansonsten greift er häufig auf das zurück, was er vor Ort vorfindet. Die ideale Verpflegung besteht aus Pasta und Proteinriegeln, zur Not gebe er sich aber auch mit Keksen und Schokolade zufrieden.

Wer denkt, Deichmann würde sich nach dieser erfolgreichen Challenge erst einmal ausruhen, liegt falsch, denn die Deutschlandumrundung diente quasi als Warm-up. Nun will er es richtig wissen: Am 26. September startet er in München einen Triathlon um den gesamten Globus. "Wenn ich 16 Ironmans am Stück schaffe, schaffe ich auch 120. Es dauert nur etwas länger", sagt er.

Streckenführung durch Pandemie erschwert

Durch die Corona-Pandemie hat Deichmann seine ursprünglich geplante Route schon vor dem Start ändern müssen. Anstatt im Süden durch Indien und Thailand, nimmt er nun die Strecke im Norden über Russland, die Mongolei und China, bevor er mit dem Boot nach San Francisco segelt und zu Fuß weiter nach New York läuft, bis es per Boot über den Atlantik in Richtung Europa geht.

Geschwindigkeit spiele dieses Mal eine untergeordnete Rolle. 12-14 Monate visiert der Grenzgänger für seine neue Herausforderung an, bis zu zehn Stunden täglich will er unterwegs sein. "Wegen der Pandemie werde ich flexibel bleiben müssen und wenn ich irgendwo mal eine Woche festhänge, dann ist es Teil des Abenteuers", sagt Deichmann. Ganz abzusagen, komme für ihn jedoch nicht infrage. Da er die meiste Zeit allein unterwegs ist, halte er das Risiko, sich anzustecken, für gering.

Bevor es Ende September losgeht, steht für den Extremsportler neben regelmäßigem Training noch ein Besuch in einer Kältekammer an. Dort will er sich und sein Equipment testen und herausfinden, welche Voraussetzungen nötig sind, um einen Schneesturm in Sibirien und Temperaturen von bis zu minus 40 Grad ohne Schäden zu überstehen.

Abenteuer vor Rekord

Doch was treibt den 33-Jährigen derart an, dass er sogar während einer weltweiten Pandemie nicht auf das Unterwegssein verzichten will? "Es ist unheimlich schön, jeden Tag aufzuwachen und zu wissen, dass ein Abenteuer auf mich wartet. Ich werde dadurch vielleicht nicht reich im klassischen Sinne, aber habe mein Leben wirklich gelebt", sagt er. Der Schwabe finanziert seine Touren durch Sponsoren und hält Motivationsreden. Im September erscheinen zudem ein Dokumentarfilm und ein Buch über die Strecke vom Nordkap bis zum Südkap.

Wichtiger als die bloßen Rekorde sind Deichmann die Erlebnisse und das Abenteuer, betont er. "Der Rekord kommt an zweiter Stelle, ist aber eine Bestätigung für die harte Arbeit." Und wenn einer seiner Kollegen mal schneller ist als er? Dann sei das in Ordnung. "Rekorde sind zum Brechen da." Ein zweites Mal antreten, würde der 33-Jährige in so einem Fall trotzdem nicht.

Und wie lange will Deichmann dieses Leben noch so führen? "Ich werde immer Abenteurer bleiben. Mit 50 stelle ich vermutlich keine Geschwindigkeitsrekorde mehr auf, aber ich kann mir nicht vorstellen, wieder in einen klassischen Alltag zurückzukehren", sagt er. Eine Familie und eine Partnerin lassen sich mit diesem Lebensstil nur schwer vereinbaren. Momentan ist der Leistungssportler dennoch zufrieden. "Wenn es passt, ist es schön, aber ich werde mich nicht komplett verändern können. Entweder muss es also jemand sein, der etwas Ähnliches macht oder viel Verständnis aufbringt."

Quelle: ntv.de


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