Vom größten noch existierenden Gletscher der Arktis an der Nordostküste Grönlands ist ein riesiges Stück Eis abgebrochen. Wie dänische Forscher mitteilten, misst das vom Nioghalvfjerdsfjorden-Gletscher abgebrochene Eis 113 Quadratkilometer - und ist damit größer als Paris. Auf Satellitenbildern, die das Geologische Forschungsinstitut für Dänemark und Grönland (Geus) veröffentlichte, sind riesige im Meer treibende Eisschollen zu sehen.
Das Abbrechen größerer Eisstücke von im Meer endenden Gletschern ist nicht ungewöhnlich. Das Besondere ist aber die Größe des neuen Brockens.
Nach Ansicht der Forscher ist der Eisverlust eine direkte Folge der globalen Klimakrise: Laut Geus hat der Nioghalvfjerdsfjorden-Gletscher, auch 79N genannt, seit 1999 schon 160 Quadratkilometer Eis verloren - eine Eisfläche doppelt so groß wie Manhattan. In den vergangenen zwei Jahren hat sich dieser Prozess beschleunigt. Der Grund waren zwei besonders warme Sommer.
Seit 1980 hat sich die Durchschnittstemperatur in der Region den Angaben zufolge um drei Grad erhöht - auch für 2020 erwarten die Forscher Rekordtemperaturen.
Und nicht nur in der Arktis wird es wärmer. Auch in der Antarktis schmelzen die Gletscher. Besonders betroffen sind die Gletscher Pine Island und Thwaites, die zusammen schon jetzt etwa fünf Prozent zum globalen Meeresspiegelanstieg beitragen.
Brüchiger Puffer
Die beiden Gletscher in der Westantarktis verhindern, dass gewaltige Eismengen ins Meer fließen. Können die Gletscher das eines Tages nicht mehr gewährleisten, könnte der Meeresspiegel langfristig um mehr als einen Meter ansteigen - das Wasser würde zahlreiche Küstenstädte überfluten.
Der Thwaites-Gletscher wird deshalb auch "Doomsday Glacier" genannt, "Weltuntergangs-Gletscher". Experten beobachten ihn genau - unter anderem mit Satelliten aus dem All. Laut einer aktuellen Analyse im Fachblatt "Proceedings of the National Academy of Sciences" wird ein natürliches Puffersystem zunehmend instabil. In den kommenden Jahren könnten deshalb deutlich mehr Eismassen ins Meer abbrechen.
Eigentlich halten Schelfeis-Flächen am Rande der Gletscher die Eismassen zurück, doch diese werden zunehmend instabil. Grund dafür sind laut den Forschern die Erwärmung der Atmosphäre und des Ozeans um den Gletscher herum.
"Dadurch kommt es an der Oberfläche und Unterseite zu einem verstärkten Schmelzen, das Schelfeis wird dünner, und es treten vermehrt Spalten und Risse auf", sagte Jan Wuite vom Innsbrucker Forschungsunternehmen Enveo IT, der an der Studie beteiligt war. Demnach franst der Eisrand der Gletscher schon seit 1999 aus, seit 2016 habe sich der Prozess jedoch beschleunigt.
Schon vorherige Studien hatten gezeigt, dass das Schelfeis zunehmend instabil wird. Geht das so weiter, könnte ein unumkehrbarer Kipppunkt erreicht werden. Analysen zeigen, dass der Masseverlust der Eisschilde schon jetzt den höchsten Prognosen zum Meeresspiegelanstieg entspricht.
spiegel
Tags: