Sputnik: Und jetzt eine Frage zu Afrika. Beim Gipfeltreffen in Sotschi sind mehr als 90 Abkommen über die Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern unterzeichnet worden. Es ist aber interessant, wie schnell Russland zur Erfüllung der bereits unterzeichneten Verträge nach der Corona-Pandemie zurückkehrt und welche Projekte in welchen afrikanischen Ländern dabei Vorrang haben.
Sergej Lawrow: Nach dem Gipfel, der im Oktober vergangenen Jahres in Sotschi stattfand und zum offensichtlichen Erfolg unserer Außenpolitik wurde, wovon alle afrikanischen Gäste direkt sprachen, machten wir jedoch keine Pause. Die Pandemie änderte nur die Formen unserer Kommunikation, aber wir arbeiten weiterhin im „Homeoffice“, wie es jetzt üblich ist. Dies ist auch in der Außenpolitik und Diplomatie möglich. Präsident Putin telefonierte mehrmals mit afrikanischen Spitzenpolitikern, mit den Präsidenten von Südafrika, Kongo, Äthiopien; Es gab auch Videokonferenzen zwischen den Außenministern Russlands und der sogenannten Afrikanischen Drei - dem früheren, gegenwärtigen und zukünftigen Vorsitzenden der Afrikanischen Union und zwar Südafrika, Ägypten und der Demokratischen Republik Kongo. In unserem Ministerium wurde ein spezielles Sekretariat Russland-Afrika-Forum eingerichtet. Die Entscheidung, ein solches Forum einzurichten, wurde in Sotschi getroffen. Dieses Sekretariat ist bereits zusammengestellt. Wir haben uns gestern mit dem Chef einer der subregionalen Organisationen auf dem afrikanischen Kontinent, der IGAD, getroffen, bei der der ehemalige äthiopische Außenminister der Generalsekretär ist, und wir haben dabei konkrete Pläne für die Zusammenarbeit zwischen Russland und der IGAD erörtert. Wir haben solche Pläne sowohl gegenüber der südafrikanischen Gemeinschaft als auch gegenüber der westafrikanischen Gemeinschaft sowie allen subregionalen Organisationen und der Afrikanischen Union selbst, die eine panafrikanische Struktur ist.
Die Arbeitspläne umfassen Konsultationen zu Fragen, die auf dem afrikanischen Kontinent relevant sind - dies sind die Beilegung der Konflikte, die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen im Bereich Kultur, Bildung und natürlich der Ausbau unserer wirtschaftlichen Zusammenarbeit sowie die Unterstützung der Aktivitäten von russischen Unternehmen in Afrika und ihren Partnern auf dem afrikanischen Kontinent durch die Außenministerien. Wir haben viele Pläne, und diese Arbeit wird von unseren afrikanischen Kollegen sehr hoch eingeschätzt. Was die Corona-Pandemie angeht, haben Dutzende afrikanische Länder von uns Unterstützung erhalten, um ihre Probleme bei der Versorgung mit Testsystemen, persönlicher Schutzausrüstung und Medikamenten zu lösen.
Diese Arbeit wird übrigens fortgesetzt. Afrikanische Staaten zeigen neben asiatischen und lateinamerikanischen Ländern Interesse daran, die Produktion unseres Impfstoffes „Sputnik V“ aufzunehmen, und unsere zuständigen Behörden erwägen jetzt potenzielle Kandidaten dafür. Denn es ist klar, dass der Impfstoff in großen Mengen gebraucht wird. Wir haben sehr gute Erfahrungen in Guinea und Sierra Leone gesammelt, als dort das Ebolavirus wütete. Unsere Ärzte haben ein mobiles Krankenhaus eingerichtet und in Guinea mit der Herstellung eines Impfstoffs gegen diese Krankheit begonnen. In vielerlei Hinsicht hat diese Erfahrung bei der Bekämpfung von Ebola unseren Spezialisten geholfen, so schnell einen Impfstoff gegen das Coronavirus zu entwickeln, und zwar anhand der Plattform, die damals zur Bekämpfung von Ebola geschaffen wurde. Deshalb haben wir meiner Ansicht nach sehr gute Pläne. Übrigens haben wir vereinbart, die Anzahl der Stipendien für afrikanische Länder zu erhöhen. Was die wirtschaftliche Zusammenarbeit betrifft, haben wir vor einigen Wochen den Verband für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Russischen Föderation mit den afrikanischen Ländern gegründet. Sobald die Quarantänebeschränkungen aufgehoben sind, bin ich mir sicher, dass all diese Pläne noch aktiver umgesetzt werden. In der Zwischenzeit arbeiten wir hauptsächlich im Videokonferenzmodus.
Sputnik: Wir haben über die Situation in den USA und in Europa gesprochen, und nun ist auch die Lage in der arabischen Welt zu besprechen. Ich kann dabei kaum das Thema Syrien vermeiden. Wie können Sie den sogenannten Caesar Act der USA einschätzen, der sich nicht nur auf Syrien auswirkte, sondern auch die Partner von Damaskus betraf? Welche neuen Entscheidungen können getroffen werden, um die humanitäre Lage infolge der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen im Lande zu verbessern?
Sergej Lawrow: Dieser Plan, den sie Caesar Act nennen, sieht im Grunde genommen die Einführung von Sanktionen vor, die sie als ein „erstickendes“ Instrument gegen syrische Spitzenpolitiker betrachten. Tatsächlich treffen diese Sanktionen, wie auch die früheren Sanktionspakete - es gab einige von ihnen sowohl seitens der USA als auch der EU und einer Reihe anderer Verbündeter Washingtons. - vor allem die einfachen Bürger Syriens. Erst gestern hat der UN-Sicherheitsrat in New York die Frage erörtert, wie sich die humanitäre Lage in Syrien entwickelt, und unsere westlichen Kollegen haben, wie wir sagen, ihre Selbstgerechtigkeit sehr eifrig und pompös verteidigt und dabei erklärt, dass die Sanktionen ausschließlich darauf abzielen, die Handlungen und Fähigkeiten von Beamten und Vertreter des Regimes, wie sie es nennen, einzuschränken, und dass die einfachen Menschen dabei nicht leiden, weil die Entscheidungen über Sanktionen humanitäre Ausnahmen für die Lieferung von Medikamenten, Lebensmitteln und anderen Bedarfsgegenständen vorsehen. All dies ist aber nicht wahr, da keine Lieferungen solcher Produkte aus Ländern, die diese Sanktionen als „Ausnahmen enthaltende“ bezeichnet hatten, nach Syrien erfolgen, möglicherweise mit Ausnahme einiger sehr kleinen Chargen. Grundsätzlich handelt Syrien mit der Russischen Föderation, dem Iran, China und einigen arabischen Ländern, und die Zahl der Länder, die die Notwendigkeit verstehen, die derzeitige ungewöhnliche Situation zu überwinden und die Beziehungen zur Arabischen Republik Syrien wiederherzustellen, nimmt zu. Immer mehr Länder, einschließlich der Golfstaaten, beschließen, ihre Botschaften in der Arabischen Republik Syrien wieder zu eröffnen, und immer mehr Länder verstehen, dass es aus menschenrechtlicher Sicht absolut inakzeptabel ist, diese „erstickenden“ Sanktionen fortzusetzen.
Und erst gestern oder vorgestern wiederholte der UN-Generalsekretär Antonio Guterres seinen Aufruf, den er vor sechs Monaten an jene Länder gerichtet hatte, die einseitige Sanktionen gegen ein Entwicklungsland angekündigt hatten, zumindest für die Zeit des Kampfes gegen die Corona-Pandemie diese Sanktionen auszusetzen. Der Westen bleibt gegenüber diesen Aufrufen taub, obwohl die überwiegende Mehrheit der UN-Mitgliedsstaaten diese Aufrufe unterstützte. Wir werden versuchen, diese Praxis weiter zu verurteilen. Die Vereinten Nationen verabschieden spezielle Resolutionen, in denen einseitige Sanktionen für rechtswidrig und illegal erklärt werden, und es wird bestätigt, dass nur Sanktionen, die vom UN-Sicherheitsrat verhängt wurden, eingehalten werden sollen - dies ist das einzige auf internationalem Recht beruhende Rechtsinstrument. Grundsätzlich arbeiten wir bei der syrischen Regelung natürlich aktiv im Astana-Format mit unseren türkischen und iranischen Partnern zusammen. Vor kurzem habe ich zusammen mit dem stellvertretenden Premierminister Russlands, Juri Borissow, Damaskus besucht. Dabei bekräftigten der syrische Präsident Baschar al-Assad und seine Minister ihr Engagement für die Umsetzung der Vereinbarungen, die zwischen der Regierung und der Opposition unter den Mitgliedern des Astana-Formats getroffen wurden. In Genf nahm der Verfassungsausschuss seine Arbeit wieder auf - seine Redaktionskommission trat zusammen. Die Parteien beginnen, sich auf Ansätze bezüglich der Zukunft Syriens zu einigen, die es dann ermöglichen werden, mit der Arbeit an der Verfassungsreform zu beginnen. Außerdem wird auch der Raum, der von den Terroristen kontrolliert wird, allmählich enger. Dies betrifft vor allem die Deeskalationszone in Idlib.
Die russisch-türkischen Vereinbarungen, einschließlich der Notwendigkeit, normale Oppositionelle, die für den Dialog mit der Regierung offen sind, von Terroristen zu trennen, die vom UN-Sicherheitsrat als solche anerkannt wurden, werden schrittweise umgesetzt, wenn auch nicht so schnell, wie wir es gerne hätten. Unsere türkischen Kollegen setzen sich jedoch dafür ein, und wir arbeiten mit ihnen aktiv zusammen.
In letzter Zeit wurden Entscheidungen dieser illegitimen amerikanischen Gruppe in Ostsyrien bekanntgegeben, die zusammen mit kurdischen Anführern ein Abkommen unterzeichnet haben. Dieses Abkommen ermöglicht einer amerikanischen Ölgesellschaft die Gewinnung von fossilen Brennstoffen auf dem Territorium des souveränen syrischen Staates, was ein grober Verstoß gegen sämtliche Grundsätze des Völkerrechts ist. Darum kann man sagen, dass es in Syrien noch einige Probleme gibt. Allerdings ist die Situation im Vergleich mit der Lage vor einigen Jahren stabiler geworden. Dabei spielten natürlich die Arbeit des Astana-Formats sowie unsere umgesetzten Initiativen eine Schlüsselrolle. Jetzt stehen in erster Linie die Lösung der schwierigsten humanitären Probleme und der Wiederaufbau der Wirtschaft, die vom Krieg zerstört wurde, auf der Agenda. In diesen Fragen pflegen wir einen Dialog mit anderen Ländern, darunter China, dem Iran, Indien und arabischen Ländern. Wir finden es wichtig, auch die UN-Organisationen in die Maßnahmen einzubeziehen, die die Mobilisation der humanitären Hilfe für Syrien zum Ziel haben werden. Dann werden diese Maßnahmen die internationale Hilfe in Bezug auf den Wiederaufbau der Wirtschaft und Infrastruktur, die durch den Krieg zerstört wurde, vorsehen. Es steht uns viel Arbeit bevor, aber es ist uns zumindest klar, in welche Richtungen wir gehen müssen.
Sputnik: Wir können nicht umhin, nach der Zusammenarbeit mit den Golfstaaten zu fragen. Welche Aussichten bestehen derzeit für eine internationale Zusammenarbeit zwischen Russland und den Ländern am Persischen Golf? Gibt es Länder, die für uns in dieser Region vorrangig sind? Erwägt Russland die Möglichkeit einer Mediation bei der Regelung der Katar-Krise, die bereits seit vier Jahren andauert?
Sergej Lawrow: Was den Persischen Golf betrifft: Ich werde vielleicht nicht die Wahrheit verdrehen, (mit der Behauptung, – Anm. d. Red.) wir haben als Erster unter allen Staaten, die Beziehungen zu den Ländern dieser Region haben, vorgeschlagen, einen langfristigen Plan für eine stabile, normale und gutnachbarschaftliche Entwicklung dieser Region aufzustellen.
Noch in den 1990ern Jahren schlug die russische Seite ein Konzept zur Gewährleistung von Sicherheit und Zusammenarbeit in der Region des Persischen Golfs vor. Seitdem wurde das Konzept mehrmals aktualisiert, darunter haben wir im vorigen Jahr eine aktualisierte Version verbreitet. Im September letzten Jahres haben wir sogar eine Expertendiskussion dieser Vision unter Beteiligung von Wissenschaftlern, der Expertengemeinschaft Russlands und der Länder am Persischen Golf, der arabischen Länder und des Iran durchgeführt.
Das Konzept schlägt im Grunde vor, die Erfahrung der Beratungen zu Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa als Ausgangspunkt zu nutzen. Damals, im Höhepunkt des Kalten Krieges, waren die Beziehungen zwischen der UdSSR, den Ländern des Warschauer Pakts und der westlichen Nato-Allianz nicht einfach. Und trotzdem bewegte das Bewusstsein, dass ein Zusammensein notwendig ist, alle Länder der euroatlantischen Region – sowohl Europa als auch die Vereinigten Staaten und Kanada – dazu, zusammenzukommen und Verhaltensnormen zu entwickeln, die auf Vertrauen und Transparenz basierten. Spezielle vertrauensbildende Maßnahmen wurden festgelegt. Und die Mechanismen, die im Rahmen dieses Treffens festgelegt wurden, ermöglichten es, jegliche Fragen zu berücksichtigen, die bei der einen oder anderen Seite entstanden.
Und wir haben vorgeschlagen, dieselben Prinzipien als Grundlage für die Interaktion im Rahmen dieses Konzepts der Gewährleistung der Sicherheit im Persischen Golf zu benutzen. Wir haben es dem Kooperationsrat der Arabischen Staaten des Golfs, dem, wie Sie wissen, sechs nahöstliche Monarchien angehören, sowie unseren iranischen Kollegen vorgestellt. Eine ganze Reihe von Mitgliedsstaaten des Kooperationsrats der Arabischen Staaten des Golfs erklärte sich bereit, es (das Konzept – Anm. d. Red.) zu besprechen. Einige Mitglieder dieser Organisation haben sich noch Zeit erbeten, um es weiter zu studieren. Der Dialog wird fortgesetzt, und die Diskussionen, die auf der Ebene der wissenschaftlichen Gemeinschaft stattfanden, tragen natürlich dazu bei, diese Initiativen voranzutreiben.
Das Problem liegt darin, dass in den letzten Jahren die heutige US-Administration den Iran dämonisiert hat. Der Iran wurde zum Hauptproblem der Region (des Nahen Osten – Anm. d. Red) sowie anderer Regionen der Welt erklärt, wo man den Iran auf die eine oder andere Weise der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der betroffenen Ländern beschuldigt. Die Amerikaner versuchen, dem ganzen Dialog über Probleme des Nahen Ostens und Nordafrikas eine antiiranische Tendenz zu geben.
Erstens ist das aussichtslos, denn Probleme können nur ausschließlich durch Vereinbarungen zwischen allen Teilnehmern nachhaltig und zuverlässig gelöst werden. Die derzeitige Logik der amerikanischen Politik beruht aber auf der Tatsache, dass der Iran zum Mittelpunkt aller Bemühungen um Eindämmung und Bestrafung gemacht werden solle, und dass nur ein Regimewechsel es der gesamten Region erlaube, wieder aufzuatmen. Dies ist eine Sackgasse. Die Sanktionen, mit denen man versucht, den Iran zu ersticken, haben nie funktioniert und werden auch jetzt nicht funktionieren.
Der Iran hat mehrmals seine Bereitschaft zum Dialog zum Ausdruck gebracht – und diese Bereitschaft bleibt bestehen – für einen Dialog, der nicht auf Ultimaten beruhen kann, die die amerikanische Seite gelegentlich stellt. Wir sind bereit, bei dem Aufbau eines solchen Dialogs zu vermitteln. Wir halten zusammen mit China an dem iranischen Atomabkommen (JCPOA) fest, dem 2015 der Uno-Sicherheitsrat zustimmte und das nun von den Amerikanern zerstört wird – im Einklang mit ihrem Leitmotiv der völligen Dämonisierung des Irans. Dreizehn von 15 Staaten setzen sich entschlossen gegen die Versuche ein, den JCPOA zu zerstören und dem Iran alles Mögliche vorzuwerfen.
Sie haben die Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Kooperationsrats der Arabischen Staaten des Golfs erwähnt, als vor einiger Zeit eine Reihe von Ländern dieser Organisation und unsere Kollegen aus der Arabischen Republik Ägypten mit Katar in Konflikt gerieten. Wir sind bereit, unsere Vermittlungsdienste in jeglicher Konfliktfrage anzubieten, falls alle Parteien uns darum bitten. Bisher haben wir keine solchen Anfragen erhalten. Wir unterhalten gute Beziehungen zu allen Ländern ohne Ausnahme, einschließlich aller Mitglieder des Kooperationsrats der Arabischen Staaten des Golfs.
Ich weiß, dass die amerikanische Administration versucht, die Konfliktparteien zu versöhnen und Saudi-Arabien, ihre engsten Partner, zu überzeugen, Brücken zu bauen und sich mit Katar zu versöhnen. Wir wünschen allen Bemühungen viel Erfolg, die auf eine Vereinigung und nicht eine Spaltung der Länder und Schaffung von Trennlinien abzielen. Wir sind bereit zu helfen, falls wir, ich wiederhole es noch einmal, darum gebeten werden und falls alle Beteiligten daran interessiert sind.
Sputnik: Die russische Botschaft in Libyen hat ihre Arbeit erst vor wenigen Wochen wieder aufgenommen. Kann sie bis zu einem gewissen Grad zu einer Plattform für den Dialog zwischen der libyschen Nationalarmee und der Nationalen Einheitsregierung werden?
Sergej Lawrow: Unsere Botschaft agiert immer noch von Tunesien aus. Nach Tripolis wird unsere Botschaft hoffentlich bald zurückkehren, sobald dort eine grundlegende Sicherheit gewährleistet sein wird. Eine Reihe von Botschaften befindet sich dort und funktioniert wie zuvor, aber die Sicherheit ist sehr, sehr fragil. Daher wurde beschlossen, dass unsere Diplomaten vorerst von Tunesien aus arbeiten.
Was eine Vermittlung zwischen der libyschen Nationalarmee und der Nationalen Einheitsregierung – den Hauptakteuren in Libyen – betrifft: Die Botschaft nimmt natürlich zu allen libyschen Parteien Kontakt auf. Dieses Thema berührt jedoch ein viel weiteres Feld, und unter anderem beschäftigt sich Moskau auch aktiv damit, Brücken zwischen den Konfliktparteien zu bauen. Unser Ministerium und das Verteidigungsministerium versuchen, praktische Schritte zur Vereinbarung einer Kompromisslösung zu fördern, die die Regelung der Libyenkrise ermöglichen werden. Die Arbeit ist nicht einfach.
Ich möchte daran erinnern, dass alle Probleme, mit denen Libyen derzeit konfrontiert ist, 2011 begannen, als die Nato dem UN-Sicherheitsrat zuwider handelte, seine Resolutionen grob verletzte und eine direkte militärische Aggression in Libyen verübte, um das Regime von Muammar Gaddafi zu stürzen. Wie Sie sich erinnern, wurde er unter dem Jubel der damaligen US-Außenministerin Hillary Clinton brutal getötet, was mit etwas Stolz in einer Liveübertragung gezeigt wurde. Das war grauenvoll.
Seitdem versuchen wir – alle Nachbarn Libyens, diejenigen, die Libyen als von der Nato zerstörten Staat wiederaufbauen wollen, – einen internationalen Prozess zu etablieren. Es hat viele Versuche gegeben: Konferenzen in Paris, Palermo und Abu Dhabi; das Skhirat-Abkommen von 2015, es hat Vieles gegeben. Und über einen langen Zeitraum haben die meisten externen Akteure versucht, mit einer einzigen politischen Kraft zu kooperieren, auf die sie quasi gesetzt hatten.
Wir haben von Anfang an auf diese Herangehensweise verzichtet. Unter Berücksichtigung unserer bestehenden Kontakte und historischen Beziehungen haben wir begonnen, ausnahmslos mit allen politischen Kräften Libyens zusammenzuarbeiten, sei es Tripolis, wo sich der Präsidialrat und die Nationale Einheitsregierung befinden, sei es Tobruk, wo sich das Parlament – der Abgeordnetenrat – befindet. Alle Anführer verschiedener Gruppen waren mehrmals in der Russischen Föderation.
Wir haben uns auch bemüht, persönliche Treffen zwischen dem Befehlshaber der Libyschen Nationalarmee, Haftar, und dem Chef der Nationalen Einheitsregierung, al-Sarradsch, zu organisieren. Sie waren Anfang dieses Jahres in Moskau vor der Berliner Konferenz. Und im Wesentlichen ist es diesen Bemühungen, die wir gemeinsam mit unseren türkischen Kollegen, mit Kollegen aus Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten unternommen haben, zu verdanken, dass wir Vorschläge vorbereiten konnten, die größtenteils den Erfolg der Berliner Konferenz gewährleistet haben, die unsere deutschen Kollegen mehrere Monate vorbereitet hatten und bei der eine wichtige Erklärung verabschiedet wurde, die anschließend im UN-Sicherheitsrat gebilligt worden ist.
Leider wurde auf jener Stufe wenig darauf geachtet, dass alle von der internationalen Gemeinschaft entwickelten Ideen von den libyschen Parteien selbst gebilligt werden. Einige unsere Partner gingen davon aus, dass sobald die internationale Gemeinschaft – vertreten durch den Sicherheitsrat, vertreten durch die Berliner Konferenz – irgendwelche Entscheidungen trifft, dann nur noch bleibt, die Protagonisten in Libyen davon zu überzeugen, diesen zuzustimmen.
Jetzt beweist die Praxis, dass wir Recht hatten, als wir vor einer solchen Herangehensweise gewarnt haben. Denn alles beruht nun darauf, dass diese in Berlin gemachten Absprachen von den libyschen Parteien selbst nicht vollständig ausgearbeitet worden waren. Tatsächlich hat Berlin eine gute Grundlage geschaffen, aber Einzelheiten müssen jetzt endgültig ausgearbeitet werden.
Und hier sehen wir ziemlich positive Veränderungen: Der Parlamentsvorsitzende in Tobruk, Herr Saleh, und der Chef der Nationalen Einheitsregierung, al-Sarradsch, sprachen sich für einen Waffenstillstand, eine stabile Waffenruhe und vor diesem Hintergrund für die Wiederaufnahme der Arbeit, die im ‚5 plus 5‘-Format unterbrochen wurde – gemeint wird das Format für die Lösung von Militärfragen – und für die Wiederaufnahme von Verhandlungen über wirtschaftliche Angelegenheiten aus, vor allem über die Notwendigkeit einer fairen Lösung von Problemen der Nutzung von Libyens Naturgütern. Herr Saleh hat in diesem Zusammenhang eine sehr wichtige Initiative vorgestellt, wonach die Interessen nicht nur Tripolitaniens und der Kyrenaika, sondern auch des Fessans – des südlichen Teils von Libyen – berücksichtigt werden sollen, die in allen früheren Diskussionen nicht oft erwähnt wurde.
Auf dem Tisch liegen also derzeit Ideen, die bereits bei Kontakten zwischen den Parteien erprobt und getestet worden sind. Das in Marokko veranstaltete Treffen zwischen führenden libyschen Akteuren spielte eine gute Rolle, und jetzt tragen wir und unsere Kollegen weiterhin zu diesen gemeinsamen Bemühungen bei. Erst neulich fanden in Ankara Konsultationen mit unseren türkischen Kollegen statt. Wir setzen diese Arbeit fort und kommunizieren sowohl mit Ägypten als auch mit Marokko. Ich habe mit meinen Amtskollegen in Marokko und der Arabischen Republik Ägypten telefoniert. Ich habe kürzlich auch mit dem italienischen Außenminister gesprochen, der aus offensichtlichen Gründen ebenso sehr daran interessiert ist, eine Beilegung in Libyen zu fördern.
Ich denke, dass sich jetzt eine sehr vielversprechende Lösung angebahnt hat. Wir versuchen, diesen Vorgang aktiv zu unterstützen und zur Regelung beizutragen. Wir halten es für absolut wichtig, die mehr als sechs Monate dauernde Pause mit der Ernennung eines Sonderbeauftragten des UN-Generalsekretärs für die Libyen-Regelung so schnell wie möglich zu unterbrechen. Der frühere Vertreter ist im Februar zurückgetreten, und bis jetzt kann António Guterres aus irgendeinem Grund das Problem mit der Ernennung eines Nachfolgers nicht lösen.
Es gibt Grund zur Annahme, dass einige westliche Länder versuchen, Werbung für ihre Kandidaten zu machen. Unsere Position ist aber sehr einfach: Es ist notwendig, dass der Beauftragte in Libyen mit der Afrikanischen Union abgestimmt wird. Dies ist offensichtlich: Libyen ist ein aktives Mitglied der Afrikanischen Union, und die Afrikanische Union ist maßgeblich daran interessiert, bei der Lösung dieses Problems zu helfen. Ich habe Ihnen die aktuelle Lage ziemlich ausführlich erklärt. Es gibt Anlass zu vorsichtigem Optimismus.
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