Der Staat soll stets ein Vorbild sein - beim Umgang mit seinen Beschäftigten, bei der Zahlungsmoral oder beim Verhalten des Führungspersonals. Bei seinen Investitionen allerdings wird er dieser Vorbildfunktion in Deutschland nicht gerecht.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Untersuchung des Aktienbesitzes von Bund und Ländern, welche die Initiative Fossil Free Berlin an diesem Montag veröffentlicht. Fazit: "Staatliche Aktiendepots, in denen Ende 2018 rund 1700 Unternehmen lagen, sind von der Einhaltung des Pariser Klimaabkommens mit Temperaturobergrenzen von 1,5 bis 2,0 °C weit entfernt."
Die Fossil-Free-Kampagne setzt sich dafür ein, Investitionen in fossile Energien komplett zu stoppen. Für die Suche nach solchen Investitionen durchforsteten die Aktivisten einerseits Informationen aus kleinen Anfragen und fragten andererseits selbst bei den Landes- und Bundesministerien an. Insgesamt stießen sie so auf rund 13,2 Milliarden Euro aus Beamtenpensionskassen, die an der Börse investiert wurden. Knapp 6,2 Milliarden Euro entfielen auf den Bund, der auch für die Pflegeversicherung in Aktien investiert.
Allein der Bund steckte den Autoren zufolge rund 800 Millionen Euro in Fossil-Aktien. Zu diesen wurden Energiekonzerne wie Exxon, Total, ENI oder RWE gezählt, die Geld mit Kohle-, Gas- und Öl verdienen. Mithilfe eines Analysemodells ließ Fossil Free dann simulieren, wie hoch die Erderwärmung bis 2050 ausfallen würde, wenn die Firmen in den Staatsdepots ihren bisherigen Ausstoß an Treibhausgasen beibehalten würden und ihre Zusammensetzung der Weltwirtschaft entspräche. Dabei wurden auch sogenannte Sektor-Grenzwerte berücksichtigt, welche die Internationale Energie Agentur für verschiedene Branchen definiert hat.
Das Ergebnis: Statt des im Pariser Klimaabkommen vereinbarten Zwei-Grad-Ziels dürfte die Erwärmung mit dem heutigen Investitionsmix des deutschen Staates bei vier Grad liegen. "Sie glühen und brennen, die Aktiendepots von Olaf Scholz und den anderen Finanzministern", sagt Matthias von Gemmingen von Fossil Free Berlin. "Diese Art von Börsengeschäften sind mit dem Pariser Klimaabkommen unvereinbar."
Bayern ist Schlusslicht
Am schlechtesten schnitten in der Simulation Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und als Schlusslicht Bayern ab, deren Depots jeweils mindestens 30 Prozent "zu heiß" waren. Sieben Bundesländer halten nach eigenen Angaben keine Aktien, Brandenburg und das Saarland machten keine Angaben. Auch der Bund lag um 18 Prozent über dem Grenzwert für "Paris-kompatible Finanzen".
Dieses Gütesiegel erreichte keines der untersuchten Depots - auch nicht Berlin und Schleswig-Holstein. Dabei haben beide Bundesländer ihre Aktien bereits umgeschichtet und investieren jetzt über den von Berlin initiierten Öko-Index "Benexx". Dieser enthält zwar keine fossilen Energien mehr, doch auch andere Unternehmen sorgen für CO2-Emissionen - etwa Stahl- oder Zementhersteller.
Immerhin: Mit ihrem neuen Aktienmix lagen Berlin und Schleswig-Holstein nur elf Prozent über den Grenzwerten und schnitten damit unter den untersuchten Ländern am besten ab. Zudem sind sie laut dem Bericht profitabler als der Vergleichsindex EuroStoxx 50, während die Aktien des Bundes lediglich stagnierten. Dies zeige, dass Investitionen in fossile Energien auch finanziell riskant seien - ein Kernargument der sogenannten Divestment-Bewegung.
spiegel
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