Wo Mädchen wegen des Klimawandels nicht mehr zur Schule gehen dürfen

  15 Oktober 2020    Gelesen: 505
Wo Mädchen wegen des Klimawandels nicht mehr zur Schule gehen dürfen

Bei Afghanistan denken die meisten vor allem an Kriege und Konflikte. Eine andere gefährliche Entwicklung wird dabei oft vergessen: der Klimawandel. Die Folgen treiben Menschen in die Flucht - und Mädchen aus den Schulen.

Extremwetter, die zu monatelangen Dürren oder schweren Überschwemmungen führen: Schon jetzt zählt Afghanistan zu den am stärksten gefährdeten Ländern der Welt, die mit den Auswirkungen des Klimawandels konfrontiert sind.

Bereits im ersten Quartal dieses Jahres zählte das International Displacement Monitoring Centre 30.000 Afghanen, die aufgrund von Naturkatastrophen ihre Heimat verlassen mussten, insgesamt sind rund zwei Millionen Menschen im Land von den Auswirkungen des Klimas betroffen.

Nachdem die USA im Jahr 2001 in Afghanistan einmarschiert sind, beherrschten der Krieg gegen die Taliban und die internationale Bedrohung durch den Terrorismus die weltweiten Debatten über das Land. Wie der Klimawandel das krisengebeutelte Land und dessen Einwohner trifft, die ohnehin mit Lebensmittel- und Trinkwasserknappheit, Armut und Unterernährung leben müssen, war dabei selten Thema.

Dabei deuten jüngste Klimaprognosen darauf hin, dass Afghanistan mit einem signifikanten Temperaturanstieg rechnen muss. Die hohen Temperaturen könnten die Wasserknappheit in den ländlichen Regionen verstärken und extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen und Dürren fördern. Zudem könnten beschleunigte Gletscherschmelzen neue Überflutungen verursachen. Erst Ende August etwa wurden Hunderte Afghanen in der Provinz Parwan, nördlich von Kabul, durch plötzliche Sturmfluten getötet.

Bereits im Jahr 2018 sah sich Afghanistan mit einer extremen und über Monate anhaltenden Dürre konfrontiert, die mehr als 370.000 Menschen zwang, auf der Suche nach Nahrung und Trinkwasser ihr Zuhause zu verlassen. Die Mehrzahl der Menschen in den ländlichen Regionen im Süden und im Osten des Landes sind auf Landwirtschaft und Viehzucht angewiesen. Folgen der Dürre sind auch heute noch zu spüren, Ernteausfälle und Lebensmittelknappheit führen zur Verarmung und Hunger.

Viele Familien konnten sich aufgrund der Ernteeinbußen die Schulkosten ihrer Kinder nicht mehr leisten, darunter leiden vor allem die Mädchen. Laut dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen gehen schätzungsweise 3,7 Millionen schulpflichtige Kinder nicht zur Schule - 60 Prozent davon sind Mädchen. Und das in einem Land, in dem gerade einmal 43 Prozent der mehr als 36 Millionen Einwohner lesen und schreiben können.

Hinzu kommt: Die Sturzfluten und Überschwemmungen haben viele der schulischen Einrichtungen beschädigt. Auch unter der Taliban-Herrschaft lag das afghanische Bildungssystem nahezu brach. Durch bewaffnete Konflikte und den nachfolgenden Krieg im Land wurden zudem zahlreiche Schulen zerstört und nur wenige wieder aufgebaut. Gerade Mädchen und junge Frauen wurden durch die Taliban fast vollständig von Bildung ausgeschlossen.

Die iranische Fotografin Solmaz Daryani hat die Folgen des Klimawandels in Afghanistan und die Auswirkungen auf die Bevölkerung dokumentiert. "Es war wirklich ein Schock für mich, das Ausmaß der Katastrophe zu sehen", schreibt Daryani. Es sei tragisch, dass die vertriebenen Familien in Plastikzelten und behelfsmäßigen Unterkünften leben müssten und kaum Geld für Nahrungsmittel hätten.

Besonders tragisch sei dabei, dass Afghanistan - im Vergleich zu den USA, China oder Europa - nicht der Hauptverursacher des Klimawandels ist, und dass den Afghanen dennoch "aufgrund langfristiger klimatischer Veränderungen eine Reihe verheerender Ereignisse wie Armut, Hunger, Kinderheirat, Vertreibung und Konflikte widerfahren", so die Fotografin weiter.

spiegel


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