“Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr“

  04 März 2016    Gelesen: 759
“Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr“
Der CSU-Chef sucht weiter seine eigenen Wege: SPD und Grüne werfen Horst Seehofer vor, mit seinem Besuch bei Viktor Orbán Merkels Flüchtlingspolitik zu gefährden.
Erst Wladimir Putin, jetzt Viktor Orbán: Mit Reisen zu den derzeit wohl umstrittensten Staats- und Regierungschefs Europas versetzt CSU-Chef Horst Seehofer der Kanzlerin Nadelstiche. Am Mittag trifft Seehofer den ungarischen Regierungschef in Budapest, was in der Regierungskoalition auf Unverständnis stößt. Justizminister Heiko Maas (SPD) sagte, damit würde der bayerische Ministerpräsident die von der Kanzlerin angestrebte europäische Lösung in der Flüchtlingskrise aufs Spiel setzen: "Niemand sollte eine europäische Einigung hintertreiben."

Die Europäische Union stehe beim Sondertreffen mit der Türkei zur Flüchtlingskrise am Montag in Brüssel vor einer historischen Bewährungsprobe, sagte Maas: "Der Gipfel in der kommenden Woche wird über die Zukunft Europas mit entscheiden."

Auch die SPD kritisierte die Seehofer-Reise. "Statt Merkel zu unterstützen verbündet er sich mit ihrem größten Gegner. Ich halte es für verantwortungslos, der Kanzlerin kurz vor dem entscheidenden Gipfel derartig in den Rücken zu fallen", sagte Vizekanzler Sigmar Gabriel. Generalsekretärin Katarina Barley sagte der Passauer Neuen Presse: "Wer sich öffentlich mit den ärgsten Gegnern einer europäischen Lösung verbrüdert, ist keine verlässliche Stütze der Bundeskanzlerin." Seehofer falle Merkel mal wieder in den Rücken, genauso wie vor ihm die CDU-Spitzenkandidaten aus Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, Julia Klöckner und Guido Wolf: "Wer solche Freunde hat, braucht keine Feinde mehr." Klöckner und Wolf hatten zuletzt Tageskontingente für Flüchtlinge wie in Österreich gefordert.

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sprach in der Zeitung von einem "denkbar ungünstigen Zeitpunkt" des Besuchs. "Seehofer schwächt die Verhandlungsposition der Bundesregierung beim EU-Gipfel am Montag. Der CSU-Chef schadet den deutschen Interessen." CSU-Europapolitiker Manfred Weber versteht den Vorwurf nicht. Die Themen der Reise seien mit der Kanzlerin abgestimmt, sagte er im rbb-Inforadio. Die CSU beharre darauf, eigene Akzente setzen zu dürfen.

Der rechtskonservative Orbán verweigert sich dem Bemühen von Angela Merkel (CDU) für eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise entschieden. Erst vor Kurzem hat er angekündigt, die ungarischen Bürger über die von der EU beschlossenen Quoten zur Verteilung von 160.000 Flüchtlingen in der Union abstimmen zu lassen. Vor dem Treffen mit Seehofer sprach er sich noch einmal für nationale Alleingänge in der Flüchtlingspolitik aus: "Es ist besser, separat zu handeln, als gemeinsam untätig zu sein", sagte Orban im ungarischen Staatsrundfunk. Zustände wie die derzeitige Flüchtlingssituation an der mazedonisch-griechischen Grenze würde er "im Keim ersticken".

Vor einem Monat hatte Seehofer mit seiner Reise nach Moskau zum russischen Präsidenten Wladimir Putin für Verstimmung in der Koalition gesorgt. Orbán hatte er bereits im vergangenen September getroffen, als dieser einer Einladung der CSU zur Fraktionsklausur nach Kloster Banz gefolgt war. Das heutige Treffen von Seehofer und Orbán ist für die Mittagszeit geplant. Am Nachmittag will Seehofer einen Vortrag an der deutschsprachigen Andrassy-Universität halten und am Abend wieder zurück nach München fliegen.

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