Karel Schwarzenberg: “Erfolg ist Kurz zu Kopf gestiegen“

  05 März 2016    Gelesen: 867
Karel Schwarzenberg: “Erfolg ist Kurz zu Kopf gestiegen“
Der frühere tschechische Außenminister sieht "uralte Vorurteile im Wiener Außenministerium" im Hinblick auf die Nachbarländer: "Wir laufen offenbar unter Tschuschen oder sonstiges Volk".
Der frühere tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg hat sich kritisch über Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) geäußert. "Er hat sehr vielversprechend begonnen. Aber dann ist ihm sein Erfolg doch etwas zu Kopf gestiegen, was bei seinem jungen Alter auch völlig verständlich ist", sagte Schwarzenberg in einem am Montag erscheinenden Interview mit dem Nachrichtenmagazin "profil".

Dies habe dazu geführt, dass sich Kurz "auf einen viel zu kleinen, geschlossenen Kreis an Beratern stützte. Davor habe ich ihn übrigens gewarnt. An seiner Stelle würde ich mir die erfahrensten Diplomaten, selbst aus der Pension, holen", so Schwarzenberg laut am Samstag im Voraus übermittelten Text. Ein "kleines Küchenkabinett" sei nie von Vorteil, aber bei einem jungen Politiker, "der ja kaum prominente Politiker im Ausland kennt", wirke sich dies unglücklich aus und sei "wahrscheinlich sein wesentlicher Fehler".

"Laufen offenbar unter Tschuschen"

Konfrontiert mit der Aussage, wonach Österreich mit Nachbarländern wie Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Slowenien derzeit nur sehr lose Kontakte pflegen soll, sagte der frühere tschechische Außenminister: "Da haben Sie leider völlig recht. Und das geht schon einige Zeit so, also auch unter Michael Spindeleggers Führung."

Es hielten sich "uralte Vorurteile im Wiener Außenministerium": "Da heißt es dann: `Wir reden lieber mit den Niederländern oder Belgiern, weil die Tschechen sind ja keine richtigen Partner für uns.` Wir laufen offenbar unter Tschuschen oder sonstiges Volk."

Kritik auch an Faymann

Zum Vorwurf mangelnder Solidarität der Visegrad-Staaten (Tschechien, Ungarn, Polen und die Slowakei) in der Flüchtlingsfrage sagte Schwarzenberg, er verstehe die Aufregung in Wien. "Aber dass die Nachbarn nicht begeistert waren, diese Menschen in größerer Anzahl und mit festgesetzten Quoten bei sich aufzunehmen, ist auch verständlich. Wie diese Quoten von oben herab festgelegt wurden, war ein schwerer diplomatischer Fehler. Und was hat Bundeskanzler Faymann als Erstes gemacht? Er drohte, den Nachbarn die EU-Förderungen zu kürzen."

Schwarzenberg verwies in diesem Zusammenhang auf die Geschichte: Die Tschechoslowakei sei vor 1938 wirtschaftlich vor Österreich gelegen. "Und dann kam ein Österreicher und brachte die Welt im Zweiten Weltkrieg durcheinander. Das Resultat war, dass Tschechen, Slowaken, Polen, Ungarn und weitere Völker 50 Jahre unter sowjetischer Herrschaft standen." Daher habe er die Forderungen von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) "als schon sehr merkwürdig und nicht vom nachbarschaftlichen Geiste getragen" empfunden. "Und Herr Kurz hat sich dazu leider nicht zu Wort gemeldet."

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