Deutsche Industrie fürchtet Eskalation in den USA

  04 November 2020    Gelesen: 502
Deutsche Industrie fürchtet Eskalation in den USA

Deutsche Ökonomen und der Industrieverband BDI haben sich besorgt über die Unsicherheit nach der US-Wahl geäußert. US-Konjunktur und Weltwirtschaft könnten Schaden nehmen.

Der bislang unklare Ausgang der US-Präsidentschaftswahl bereitet der exportorientierten Deutschen Industrie Sorgen. Industriepräsident Dieter Kempf befürchtet eine Eskalation der Lage: "Das Vertrauen in die US-amerikanische Demokratie ist auch für die Unternehmen enorm wichtig", sagte er in Berlin. "Deshalb hat es für uns oberste Priorität, dass alle Stimmen ausgezählt werden und der rechtmäßige Sieger gekürt wird."

Eine längere Phase der Unsicherheit würde das Vertrauen der Wirtschaft in die Zukunft beschädigen, sagte der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). "Wir hoffen sehr, dass die Situation in den Vereinigten Staaten nun nicht eskaliert und alle einen kühlen Kopf bewahren." Die USA sind einer der wichtigsten Handelspartner Deutschlands.

US-Präsident Donald Trump hatte sich am noch während der laufenden Stimmauszählung der US-Wahl zum Wahlsieger erklärt - ohne dafür Belege zu liefern. Angesichts der Verzögerung bei einem Wahlergebnis hatte er von "Betrug" gesprochen und angekündigt, vor das Oberste US-Gericht zu ziehen, um eine weitere Auszählung der Stimmen zu stoppen.

Konnte Trump durch gute Lohnentwicklung punkten?
Kempf sagte, unabhängig davon, wer zukünftiger US-Präsident werde, wünsche sich die deutsche Industrie einen Neustart in den transatlantischen Beziehungen. "Die großen Herausforderungen, allen voran die Überwindung der Coronakrise, können EU und USA nur gemeinsam erfolgreich bewältigen."

In den vergangenen Jahren waren die Beziehungen angespannt, dies lag etwa am Handelskonflikt zwischen den USA und der EU. Die bisherige Zeit mit Trump bewertete Kempf so: "Unsere Partnerschaft ist in den vergangenen vier Jahren in schwieriges Fahrwasser geraten." Im transatlantischen Markt stecke jedoch ein großes Potenzial, die USA müssten endlich darauf verzichten, Zölle unter dem Deckmantel der nationalen Sicherheit zu erheben.

Ökonom Gabriel Felbermayr warnte, durch die unsicheren Mehrheiten drohten nun "viele wichtige Entscheidungen in der Schwebe zu bleiben". Auch das noch vor der Amtseinführung des neuen Präsidenten kurzfristig geplante Stimuluspaket für die Konjunktur in der Corona-Krise könnte scheitern. "Solche Unsicherheit ist schädlich für die US-Konjunktur und damit auch für die Weltwirtschaft." Die überraschend erscheinenden Wahlerfolge von Donald Trump in Staaten mit großen schwarzen und lateinamerikanischen Bevölkerungsanteilen, mutmaßt der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, könnten auf steigende Löhne nach langen Jahren der Stagnation zurückzuführen sein.

Der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, nannte die Hängepartie "Gift für die konjunkturelle Erholung" der durch die Coronakrise hart getroffenen US-Wirtschaft. Er fürchtet, dass wichtige wirtschaftspolitische Entscheidungen bei einem langen Streit um das Ergebnis aufgeschoben werden könnten. Auch für die deutsche Exportwirtschaft sei das aktuelle Ergebnis schlecht: Wegen einer möglichem Fortsetzung des Handelsstreits und einer womöglich schwächeren Nachfrage auf dem wichtigen Absatzmarkt USA.

Die stark exportorientierte Autobranche stand an der Börse am Morgen bereits unter Druck. Im Dax zählten BMW, Daimler, Continental und VW zu den größten Verlierern. Im Lauf des Tages erholte sich der Dax nach anfänglichen Verlusten insgesamt jedoch - und schwankt stark. Unter Anlegern herrscht offenbar bereits Nervosität.

spiegel


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