Mainzer Impfstoffhersteller verspricht 90-prozentigen Schutz

  09 November 2020    Gelesen: 323
Mainzer Impfstoffhersteller verspricht 90-prozentigen Schutz

Die Firma Biontech hat erste Ergebnisse aus ihrer Phase-III-Studie vorgelegt: Diese sehen vielversprechend aus. Eine Zulassung soll kommende Woche beantragt werden.

Erstmals gibt es zu einem für Europa maßgeblichen Corona-Impfstoff Zwischenergebnisse aus der für eine Zulassung entscheidenden Studienphase. Wie das Mainzer Pharmaunternehmen Biontech am Montag mitteilte, bietet seine Impfung diesen Daten zufolge einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor der Krankheit Covid-19. Weiter hieß es, Biontech und der Pharmariese Pfizer wollten voraussichtlich ab der kommenden Woche die Zulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen.

Der Impfstoff BNT162b2 war von Biontech im Projekt "Lightspeed" (Lichtgeschwindigkeit) seit Mitte Januar entwickelt worden. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-III-Studie begann ab Ende Juli in verschiedenen Ländern. Inzwischen haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Injektion erreicht.

In der Studie wurden demnach bis Sonntag insgesamt 94 Fälle der Krankheit bestätigt. Die vorläufigen Ergebnisse werden den Angaben zufolge erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor Covid-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.

Daten sollen weltweit diskutiert werden
Bei der ersten Zwischenanalyse handelt es sich um vorläufige Effektivitätsdaten, die Impfeffektivität kann sich nach längerer Beobachtungszeit der Probanden also noch ändern. Das Data Monitoring Commitee (DMC) habe zudem "keine ernsthaften Sicherheitsbedenken" gemeldet und empfehle, dass die Studie wie geplant mit der Erhebung zusätzlicher Sicherheits- und Wirksamkeitsdaten fortgeführt wird. In der Zwischenzeit sollen die Daten mit weiteren Zulassungsbehörden weltweit diskutiert werden, darunter die US-amerikanische Zulassungsbehörde FDA und die europäische Ema. Eine wissenschaftliche Publikation ist offenbar in Vorbereitung.

"Das sind großartige und vielversprechende Daten", sagte Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie, Klinik I für Innere Medizin an der Uniklinik Köln. "Es ist unglaublich, dass in so kurzer Zeit dieser Fortschritt mit Entwicklung eines Impfstoffes und klinischer Prüfung innerhalb weniger Monate erzielt werden konnte." Die bisherigen Ergebnisse zu Wirksamkeit und Sicherheit seien hervorragend.

Noch keine Primärdaten
Die Leiterin der Infektiologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), Marylyn Addo, die selbst eine Impfstoffstudie leitet, sagte: "Das sind interessante erste Signale, die allerdings erneut nur in der Pressemitteilung mitgeteilt werden." Es stünden noch keine Primärdaten zur Verfügung und eine Peer-Review-Publikation stehe noch aus. "Die exakten Daten müssen wir zur abschließenden Einschätzung noch abwarten. Derzeit gibt es noch wenige Details über die genauen Daten, zum Beispiel bezüglich verschiedener Altersgruppen und in welchen Gruppen die 94 Fälle genau aufgetreten sind."

Für den Corona-Impfstoff gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess. Bei der europäischen Arzneimittelbehörde Ema können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen. Ein solches Rolling-Review-Verfahren hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca bereits vor einiger Zeit für seinen Impfstoffkandidaten gestartet. Astrazeneca hat bisher noch keine Phase-III-Daten veröffentlicht. Zum Zeitplan dafür lasse sich noch nichts sagen, teilte eine Sprecherin am Montag mit.

Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff. Es enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt – in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoffdosen bereitstellen zu können, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen.

Zwar haben schon Länder wie Russland, China und kürzlich erst Bahrain Impfstoffe mit Einschränkungen freigegeben und impfen damit bereits Teile der Bevölkerung. Aber wie gut diese Impfungen tatsächlich schützen und welche Nebenwirkungen sie haben können, ist derzeit weitgehend offen.

spiegel


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