Hauptangeklagter wegen Mordes verurteilt

  28 Januar 2021    Gelesen: 472
Hauptangeklagter wegen Mordes verurteilt

Wegen Mordes an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat das Oberlandesgericht Frankfurt den Hauptangeklagten zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Richter stellten zudem die besondere Schwere der Schuld fest. Im Anschluss an die Gefängnisstrafe behielten sie sich eine Sicherungsverwahrung für den Haupttäter vor.

Der Mitangeklagte wurde zu einem Jahr und sechs Monate Haft auf Bewährung wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz verurteilt. Die Bundesanwaltschaft hatte ihn wegen Beihilfe zum Mord angeklagt. Sie geht von einem rechtsextremistischen Motiv aus. Beide Verurteilte waren jahrelang in der rechten Szene aktiv.

Der Haupttäter hatte dem Gerichsturteil zufolge Lübcke im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhaus erschossen. Zudem wird ihm versuchter Mord an einem irakischen Flüchtling vorgeworfen, der im Januar 2016 bei einem Messerangriff schwer verletzt wurde.

Erster Mord an Politiker seit 1945

Mit Walter Lübcke war erstmals seit 1945 im demokratischen Deutschland ein Politiker getötet worden. Darauf hatte Bundesanwalt Killmer in seinem Schlussplädoyer noch einmal hingewiesen. Das Motiv für den Mord an dem CDU-Politiker hatte mit dessen Engagement im Jahr 2015 für Flüchtlinge zu tun. Er sei immer wieder Drohungen und Hassbotschaften ausgesetzt gewesen, betonte die Anklage. „Auf Worte folgen Taten“, hatte Irmgard Braun-Lücke, die Witwe des Politikers, im November in ihrer Zeugenaussage gesagt. Daher sei auch der Mitangeklagte Marcus H. mitverantwortlich für die Tat.

In ihren Aussagen hatte die Witwe geschildert, dass in der Mordnacht das gemeinsame Enkelkind bei ihnen übernachtet habe. Ihr Mann habe sich am Abend noch einmal auf die Terasse begeben wollen. Von der Tat habe sie nichts mitbekommen. Vom Tod habe sie erst durch ihren Sohn erfahren, der versucht habe, seinen Vater wiederzubeleben. Sie nannte den Mord perfide. Er habe auch ihr Leben zerstört. Den Täter forderte sie auf, die Wahrheit über den Tathergang und die Hintergründe zu sagen.

SPD-Politikerin Faeser fordert Aufklärung

Kassel ist einer der Tatorte der Morde der rechtsextremistischen Terrorzelle NSU. Im NSU-Verfahren waren viele Fragen offen geblieben. Diese sollen nun, hofft die SPD-Fraktionsvorsitzende Nancy Faeser, in einem Untersuchungssausschuss des hessischen Landtags aufgeklärt werden. Die Familie Lübckes erwarte dies zurecht, betonte sie im Deutschlandfunk. Der Täter Stephan E. habe als gefährlich gegolten, dennoch habe der Verfassungsschutz ihn aus den Augen verloren. Der Mord hätte andernfalls vielleicht verhindert werden können. Der Blick müsse stärker auf das Internet und die Radikalisierung in der rechten Szene gerichtet werden, forderte Faeser. Die Beispiele der Anschläge in Halle und Hanau hätten gezeigt, dass Hass-Pamphlete zu Taten führen könnten. Die Frage sei, warum der Verfassungsschutz Aktivitäten von Rechtsextremen offenbar wiederholt nicht ernst genug genommen habe.

Bundesanwalt spricht von Angriff auf den Rechtsstaat

Auch Bundesanwalt Killmer stellte die Tat daher in einen größeren Kontext – genauer in die Tradition des „führerlosen Widerstands“ von Rechtsextremisten, die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges Gewalttaten verübten. Killmer erinnerte an das Attentat auf Rudi Dutschke, die NSU-Mordserie und den Anschlag von Halle. Der Täter sei in seinem Hass nicht allein gewesen, so der Bundesanwalt. Der gewaltsame Tod Lübckes sei nicht nur die Ermordung eines Ehemanns, Vaters oder Großvaters gewesen, sagte Killmer am Ende seines Plädoyers. Es sei ein Angriff auch auf unseren Rechtsstaat und die demokratischen Werte gewesen, für die Lübcke in besonderer Weise gestanden habe.

Die Aufarbeitung vor Oberlandesgericht Frankfurt umfasste 44 Verhandlungstage. Der Haftbefehl gegen den Mitangeklagten Markus H. war bereits im Oktober vom Senat aufgehoben worden. Er kam nach 15 Monaten frei.

deutschlandfunk


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