Dammbruch könnte Millionen Leben kosten

  12 März 2016    Gelesen: 786
Dammbruch könnte Millionen Leben kosten
Der größte Staudamm des Irak ist in einem erbärmlichen Zustand: Die Mauer, die einen See staut, der mehr als halb so groß ist wie der Bodensee, könnte im Frühjahr brechen. Eine gigantische Flutwelle könnte Millionen von Menschenleben kosten.
In den Straßen spielen Kinder und am Ufer des Tigris grasen Kühe - das Leben in der irakischen Kleinstadt Wana scheint seinen gewohnten Gang zu gehen. Dabei ist der Ort von der Zerstörung bedroht. Sollte der brüchige Staudamm in der Nähe von Mossul tatsächlich brechen, wie es die USA befürchten, würde wohl kaum jemand in Wana die riesige Flutwelle überleben.

Wana liegt nur gut zehn Kilometer von dem Staudamm entfernt und wäre damit der erste Ort, der bei einem Dammbruch überflutet würde. Binnen Minuten würden sich dann Millionen Kubikmeter Wasser über der 10.000-Einwohner-Stadt ergießen. Die Flutwelle könnte Experten zufolge eine Höhe von mehr als 15 Metern erreichen und massive Zerstörungen anrichten.

In der nahe gelegenen Großstadt Mossul herrscht die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und sie hatte kurze Zeit auch den Staudamm unter ihrer Kontrolle. Mittlerweile wird die strategisch wichtige Anlage von kurdischen Peschmerga-Kämpfern bewacht. Nach Einschätzung von Ingenieuren der US-Armee ist der Staudamm nicht mehr stabil. Was "das Potenzial für eine innere Erosion angeht, ist der Mossul-Damm der gefährlichste Damm der Welt", urteilten sie.

Bis zu 1,47 Millionen Tote

Von dieser Bedrohung ist in Wana wenig zu spüren. Viele Menschen setzen darauf, dass es schon nicht zum Äußersten kommen wird - oder dass sie wenigstens rechtzeitig gewarnt und in Sicherheit gebracht werden. "Wir verlassen uns auf irakische Experten, die uns sagen, dass keine Gefahr besteht, dass der Damm bricht", sagt Fadhel Hassan Chalaf, ein 52-jähriger Staatsbediensteter. "Das ist alles ein Medienhype."

Die US-Botschaft in Bagdad veröffentlichte allerdings kürzlich einen Bericht mit der Warnung, dass 500.000 bis 1,47 Millionen Iraker einen Dammbruch wahrscheinlich nicht überleben würden, wenn sie nicht rechtzeitig in Sicherheit gebracht würden.

Die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Samantha Power, forderte am Mittwoch eine Mobilisierung der internationalen Gemeinschaft, um eine Katastrophe im Irak zu verhindern. Auch der irakische Regierungschef Haider al-Abadi nimmt die Warnung offenbar ernst.

Keine Warnung, kein Evakuierungsplan

Der 63-jährige Baschir Ismail will seinen kleinen Lebensmittelladen auf der Hauptstraße von Wana jedoch vorerst weiter betreiben. Wenn wirklich die Gefahr eines Dammbruchs bestünde, hätten die Behörden doch schon eine Evakuierung der Umgebung angeordnet, meint der Vater von 13 Kindern. "Es ist unmöglich, dass sie uns das nicht sagen würden."

Weniger sicher ist sich da Siad Said. "Wir haben große Angst, dass der Damm bricht, und viele Einwohner denken darüber nach, ihre Häuser zu verlassen und nach Kurdistan zu ziehen", berichtet der junge Mann. Er selbst weiß nicht, was er tun soll. "Auf der einen Seite ist der IS, ihre Laster könnten einfach hier rein fahren", befürchtet Said. "Und auf der anderen Seite ist dieser Damm, der brechen könnte."

Der Betreiber des Staudamms beschwichtigt. Nach seiner Rückeroberung vom IS seien am Fundament des Bauwerks einige Tests vorgenommen worden, sagte Vize-Chef Mohsen Hassan der Nachrichtenagentur AFP. "Es gab keinen Hinweis, dass der Damm in Gefahr ist."

Allerdings bekam die italienische Firma Trevi Anfang des Monats einen Auftrag im Umfang von 300 Millionen Dollar (273 Millionen Euro) für die Sanierung des Staudamms. Technische Experten sollten sofort die Arbeit aufnehmen. Schließlich nimmt wegen der derzeitigen Schneeschmelze der Druck auf die Staumauer weiter zu.

Eine offizielle Warnung oder einen Evakuierungsplan gebe es aber nicht, sagt Wanas Bürgermeister Ali Mohammed Saleh. "Bislang ist die Lage hier normal", stellt er nüchtern fest. "Aber wenn der Damm bricht, werden wir sowieso nicht überleben."

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