Noch bevor der Vorstand von Mercedes zur Abnahmefahrt in die neue C-Klasse steigen durfte, wurde ntv.de die Möglichkeit offeriert, in den Nachfahren des einstigen Baby-Benz einzusteigen. Gemeinsam mit dem Leiter Gesamtfahrzeugversuch Mercedes-Benz C-Klasse, Christof Kühner, wurde eine Testrunde gedreht und sich mit dem Spezialisten über das ausgetauscht, was denn nun neu ist an dem Bestseller, der sich weltweit größter Beliebtheit erfreut. Und das, obgleich es ja so scheint, als hätten die SUV-Modelle inzwischen allen anderen Fahrzeuggattungen den Rang abgelaufen. Nun, wie dem auch sei, irgendetwas scheint die Kundschaft bei der Stange zu halten und Kühner hat mit den Ingenieuren und Designern dafür gesorgt, dass es so bleibt.
Noch steht das neue C an Front und Heck mit leichter Tarnung beklebt zur Ausfahrt bereit. Und auch im Innenraum überdecken trostlose Filzmatten das neu gestaltete Interieur, das an der einen oder anderen Stelle hervorblitzt, aber erst mit der Weltpremiere am 23. Februar zur Ansicht freigegeben wird. Das mag schade sein, ist aber gar nicht so verkehrt, denn umso mehr ist der Autor gezwungen, sich auf das Fahrerlebnis zu konzentrieren und dem zu lauschen, was Kühner über den Wagen zu sagen hat. Unterwegs sind wir mit dem C 300 4Matic. Der bildet für den Moment abseits der kommenden AMG-Modelle auch die Speerspitze, denn statt der wie bisher doppelt aufgeladenen V6-Motoren wird die neueste Vierzylindergeneration in Form des M 254 für den Vortrieb sorgen.
Der V6 ist aus dem Spiel
Seine Kraft schöpft der Vierender aus zwei Litern Hubraum und dank der 48-Volt-Architektur wird er mit einem Boost von zusätzlich 20 PS versorgt. Und ganz ehrlich: Beim ersten Ausritt leistet der C 300 in der Spitze knapp 285 PS und macht dabei keinen untermotorisierten Eindruck. Der Schwabe hängt satt am Gas und wenn Kühner den Befehl gibt, dann schiebt der Vierender über alle vier Räder ordentlich an. "Rein von der Leistung kommt der Vierzylinder dank Overboost locker mit dem Sechszylinder mit", erklärt Kühner. "Zudem haben wir versucht, den Sound so zu gestalten, dass er auch die Fans eines V6 abholt. Und wenn wir ganz ehrlich sind, dann müssen wir auch sagen, dass von dem Mercedes-Benz Sechszylinder weder in den USA noch in Europa zuletzt große Stückzahlen verkauft wurden."
Das überrascht, denn wenigstens in den USA, hätte man vermuten können, wäre so ein Sechszylinder ein Selbstläufer, zumal Fahrzeuge wie E- und C-Klasse dort unter Sportwagen gehandelt werden. Nun wird sich die C-Klassen-Welt also mit einem künstlichen Sportsound anfreunden müssen. Der aber erfreulicherweise nicht versucht, einen Sechs- oder gar Achtzylinder nachzuahmen, sondern vielmehr im Fahrmodus Sport und Sport Plus etwas knurriger und forscher in den Innenraum dringt, ohne dabei übertrieben laut und aufdringlich zu werden. "Das Problem ist ja", erklärt Kühner, "dass wir aufgrund der künftigen Regelungen nicht mehr in der Lage sind, Sportabgasanlagen anzubieten. Und so haben wir uns eben entschieden, für die, die es mögen, einen etwas voluminöseren Motorklang im Innenraum zu kreieren."
Länger und sportlicher
Aber es gibt noch einen anderen Grund, warum es den V6 in der C-Klasse nicht mehr gibt. Mit der Umstellung auf den Reihen-Sechszylinder hätte der Bauraum einfach nicht mehr ausgereicht. "Wir haben die neue C-Klasse schon ein Stück länger gemacht", erklärt Kühner. "Insgesamt ist die Limousine jetzt um 65 Millimeter auf 4,75 Meter gewachsen. Allerdings kommt das vor allem den Insassen und der 48-Volt-Technologie zugute." Für die Fondpassagiere gibt es jetzt 35 Millimeter mehr Kniefreiheit, der Kopf darf 13 Millimeter weiter Richtung Himmel ragen und auch die Schultern finden mehr Platz. Hinzu kommt, dass die Spur an der Hinterachse um 48 Millimeter verbreitert wurde, was nicht nur der Batterie in dem zu erwartenden Plug-in-Hybrid mit einer rein elektrischen Reichweite von 100 Kilometern ausreichend Platz gibt, sondern auch einen aufsteigenden Kofferraum verhindert und der Heckansicht zudem noch einen wuchtigeren Auftritt gibt.
Fakt ist, dass die C-Klasse-Mannschaft natürlich versucht, auch weiterhin die sportliche Klientel abzuholen und davon zu überzeugen, dass ein kompakter Mercedes mit Vierzylinder nicht per se diese verschnarchte Onkeligkeit lebt, die man einst den Urahnen aus Stuttgart nachsagte. Um das zu beweisen, ist der Testwagen selbstredend mit dem optionalen Sportfahrwerk ausgestattet, das seinem Namen alle Ehre macht. Aber nicht dahingehend, dass es einem beim Überfahren der Querfugen die Plomben aus den Backenzähnen prügelt, was Kühner wie folgt erklärt: "Bei Mercedes soll so ein Sportfahrwerk auch eine gewisse Langstreckentauglichkeit haben. Zudem ist Härte allein ja noch keine Sportlichkeit. Was ich am Sportfahrwerk liebe, ist: Wenn man eine Einzelanregung hat, ist das spürbar, aber ohne Schärfe und das Auto bleibt zentriert und horizontiert, nickt nicht und macht keine Wankbewegungen: Das ist für mich dann Sportlichkeit."
Neun Gänge und das Aus für den Handschalter
Was zur Sportlichkeit in der neuen C-Klasse definitiv nicht mehr dazugehört, ist der Handschalter. Den wird es in diesem Segment nicht mehr geben und so wird hier in allen Antriebsvarianten eine Neungang-Automatik die Kraft verteilen. Klar, wer selber Hand anlegen will, der kann das weiterhin über die Schaltwippen am Lenkrad, aber am Stock in der Mittelkonsole wird hier nicht mehr gerührt. "Der Handschalter ist schon ein sehr regionales Phänomen gewesen", so Kühner. "In Deutschland und Europa sind die Fans darauf abgefahren. Aber mit Blick auf die zusätzlichen Crash-Absicherungen, die man wegen des anderen Triebstrangs in den unterschiedlichen Ländern machen muss, ist dies inzwischen so kostenintensiv, dass das das geringe Interesse nicht aufwiegen kann."
Nun soll aber nicht unerwähnt bleiben, dass sich die C-Klasse in vielerlei Hinsicht an der neuen S-Klasse orientiert und sich auch bei ihr bedient. So sind ein Großteil der Assistenzsysteme aus dem Flaggschiff genau wie das Multimediasystem MBUX in die C-Klasse übertragen worden. Dennoch ist das Dickschiff eher darauf ausgelegt, dass man sich fahren lässt, während man bei der C-Klasse davon ausgeht, dass der Besitzer viel lieber selber das Lenkrad in die Hände nimmt. Und hier verspricht Kühner nicht nur eine noch direktere Lenkung im Vergleich zum Vorgänger, sondern optional gibt es auch noch, wie in der S-Klasse, eine Hinterachslenkung, die wiederum den Wendekreis reduziert, den Kurvenlauf präziser und das Einparken noch angenehmer macht.
Und weil wir gerade dabei sind, den Vergleich mit der S-Klasse zu bemühen, soll nicht unerwähnt bleiben, dass die 48-Volt-Architektur mit integriertem Startergenerator (ISG) bei der neuen C-Klasse nicht nur dafür sorgt, dass der Motor unspürbar startet, sondern er gleicht im Leerlauf auch die Vibrationen des Triebwerks aus. "Wir nennen das Wechselmomentenkompensation", so Kühner. "Da wir wissen, wann die Zylinder zünden und was da an Gaswechselkräften auf die Kurbelwelle kommt, können wir die dadurch verursachte Eigenbewegung mit der E-Maschine ganz gezielt durch die E-Maschine beruhigen." Und tatsächlich sorgen diese gegenphasigen Schwingungen dafür, dass die Insassen weder davon noch von der Eigenbewegung des Motors etwas mitbekommen.
Am Ende der Ausfahrt lässt sich resümieren, dass die C-Klasse so etwas wie die S-Klasse für den sportlichen Selbstfahrer geworden ist. Auch wenn sie nicht mehr die Fahne der Sechs- und Achtzylinder vor sich hertragen kann.
Quelle: ntv.de
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