Impfberechtigte lassen Termine platzen

  18 Februar 2021    Gelesen: 897
Impfberechtigte lassen Termine platzen

Berichte über Nebenwirkungen des Astrazeneca-Vakzins beim medizinischen Personal sorgen für Skepsis. In NRW und dem Saarland erscheinen Pflegekräfte nicht zum Impftermin, in vielen Bundesländern stockt die Vergabe der gelieferten Dosen. Gesundheitsminister Spahn steuert gegen.

Wegen der öffentlichen Debatte um die Wirksamkeit des Corona-Impfstoffes von Astrazeneca haben einige Impfberechtigte in NRW ihre Termine platzen lassen. Einen landesweiten Überblick dazu gab es nach Auskunft des NRW-Gesundheitsministeriums am Mittag aber noch nicht. "Ja, bei uns wurden Termine abgesagt, Leute sind nicht gekommen", sagte etwa eine Sprecherin des Kreises Paderborn. Grund sei offensichtlich Skepsis wegen des Impfstoffes. Absagen gab es nach einem Bericht der "Siegener Zeitung" etwa im Impfzentrum Siegen-Wittgenstein, wo Menschen über Impfreaktionen wie Abgeschlagenheit, Fieber oder Gliederschmerzen geklagt hätten. Die "Westfälischen Nachrichten" berichteten, dass in Münster etwa 30 Prozent der für die Impfung vorgesehenen Rettungsdienstmitarbeiter und ambulanten Pfleger ihre Termine in der vergangenen Woche nicht wahrgenommen haben.

Das NRW-Ministerium hatte schon zuvor "einzelne Hinweise" auf eine "tendenziell verhaltene" Impfbereitschaft bestätigt. Zugleich betonte aber ein Ministeriumssprecher: "Der zugelassene Impfstoff von Astrazeneca ist kein Impfstoff zweiter Klasse. Der Impfstoff zeigt eine gute Wirksamkeit und eine gute Verträglichkeit, um schwere Erkrankungen mit Sars-CoV 2 zu verhindern."

In Niedersachsen wurde bisher nur ein Bruchteil der gelieferten Corona-Impfdosen des Herstellers Astrazeneca eingesetzt. Von den 72.000 Dosen, die das Land bislang erhielt, wurden bis einschließlich Dienstag erst 8806 verwendet. Das teilte das Gesundheitsministerium in Hannover auf Anfrage mit. Zur Frage, ob die Impfwilligen bei Astrazeneca zurückhaltender seien als bei den Vakzinen von Biontech und Moderna, hieß es in Hannover, dazu lägen keine Daten vor.

In anderen Bundesländern gibt es ebenfalls nennenswerte Ausfälle bei den Impfterminen: So kritisierte die saarländische Gesundheitsministerin Monika Bachmann, dass am Wochenende bei einer "Sonderimpfung im medizinischen" Bereich 54 Prozent von 200 zur Impfung angemeldeten Personen nicht erschienen seien, ohne den Termin abzusagen. Der RBB berichtete, von den 30.000 seit vergangener Woche in Berlin eingetroffenen Dosen seien bisher erst knapp 1000 verimpft worden. In der Hauptstadt haben auch unter 65-Jährige die Wahlfreiheit, nur wenige Ärzte und Pflegekräfte entschieden sich demnach für Astrazeneca.

Geimpft werden mit dem Impfstoff von Astrazeneca die Impfberechtigten, die der höchsten Priorität angehören und die jünger sind als 65 Jahre - dazu zählt laut Gesundheitsministerium das Personal in der ambulanten Pflege und in den besonders gefährdeten Bereichen der Krankenhäuser. Die Impfzentren kontaktierten die entsprechenden Einrichtungen direkt.

"Wer aus Gründen des Populismus und der Selbstdarstellung den Impfstoff von Astrazeneca schlechtredet, indem er die Wirksamkeit anzweifelt (...), macht sich mitschuldig daran, wenn der Lockdown länger dauert als nötig und gerade die älteren Menschen weiter an Covid-19 sterben", erklärte der Vorsitzende des Virchowbundes der niedergelassenen Ärzte, Dirk Heinrich. Weltärztepräsident, Frank Ulrich Montgomery, hatte zuvor auf Skepsis bei medizinischem Personal und Pflegekräften gegen das Astrazeneca-Präparat hingewiesen und empfohlen, sie nicht mit diesem Impfstoff impfen zu lassen. Die geringere Wirksamkeit sei nicht wegzudiskutieren, sagte er.

Heinrich hielt dagegen: Jeder unter 65-Jährige, der nicht mit dem Astrazeneca-Impfstoff geimpft werde, nehme einem Über-80-Jährigen aktuell das Vakzin von Biontech oder Moderna weg. "Weil diese dadurch ein höheres Sterberisiko haben, wird damit billigend in Kauf genommen, dass Über-80-Jährige nach Infektionen durch das Coronavirus vermehrt sterben", sagte er.

In Deutschland hat die Impfkommission das Vakzin des britisch-schwedischen Konzerns nur für unter 65-Jährige empfohlen, weil zur Wirksamkeit bei Älteren Erkenntnisse fehlen. Während die Mittel von Moderna und Biontech eine Wirksamkeit von 94 und 95 Prozent haben, sind es bei Astrazeneca nach einer neuen Studie nach der zweiten Impfung bis zu 82 Prozent.

n-tv


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