Vor mehr als einem halben Jahrhundert hinterlassen Neil Armstrong und "Buzz" Aldrin die ersten Fußabdrücke auf dem Mond. Die US-Amerikaner schreiben Weltraumgeschichte, von überall schaut man ehrfürchtig zur Nasa. Einige Jahre später beginnt die Ära der Space Shuttle, es sind goldene Zeiten für die US-Raumfahrt. Doch nach der Jahrtausendwende ist der Boom vorbei. Das Shuttle-Programm wird als Reaktion auf die Columbia-Katastrophe 2003 eingestampft. Lange geplante Missionen werden zwar noch durchgezogen, doch 2011 endet das Shuttle-Zeitalter endgültig.
Seitdem steht die Nasa als staatliche US-amerikanische Weltraumagentur nicht mehr im Vordergrund. Private Unternehmen sorgen für die Schlagzeilen im All. Das bekannteste von ihnen ist Space X, angeführt von Tesla-Chef Elon Musk. "Sein Unternehmen SpaceX ist in den vergangenen Jahren zum Weltmarktführer avanciert", sagt Stefanos Fasoulas, Leiter des Instituts für Raumfahrtsysteme an der Universität Stuttgart, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". Was SpaceX leiste, sei "beeindruckend", so Fasoulas. "Elon Musk ist der Big Player der Privatinvestoren in der Raumfahrt. Aber mittlerweile ist er mit SpaceX auch in Relation zu staatlichen Weltraumorganisationen in einer führenden Position."
Raumfahrt günstiger gemacht
Elon Musk hat sein Raumfahrtunternehmen 2002 als kleine Garagenfirma gegründet. Knapp sechs Jahre später brachte SpaceX mit der Falcon 1 erstmals eine Rakete in die Erdumlaufbahn. Kurze Zeit später wurde schon der erste Vertrag mit der Nasa abgeschlossen. Seit 2012 ist das Unternehmen für die Versorgungsflüge der US-amerikanischen Astronauten auf der Internationalen Raumstation ISS verantwortlich und fliegt Satelliten für Unternehmen und Staaten in den Orbit.
In den vergangenen Jahren hat SpaceX immer wieder neue Standards gesetzt. Ende 2015 zum Beispiel, als die Hauptstufe einer Trägerrakete selbstständig wieder sicher auf der Erde gelandet ist. Das war der Beginn eines neuen Raumfahrtzeitalters. Niemand zuvor hatte es geschafft, Raketenstufen mehrmals zu verwenden. SpaceX hat die Raumfahrt günstiger gemacht.
"Die ersten zehn Jahre waren eine extrem hohe Lernkurve. Es hat gedauert, bis ein funktionierendes System als Trägersystem zur Verfügung stand." Raumfahrtexperte Fasoulas vergleicht die erste Zeit mit einem Kleinkind, das Laufen lernt. "Ein kleines Kind fliegt dabei sehr oft auf die Nase, zieht daraus aber seine Lehren und macht es beim nächsten Mal besser." Bei SpaceX sei das genauso gewesen. Hinzu kam, dass das Unternehmen von vielen Akteuren in der Raumfahrt belächelt wurde. "Es wurde infrage gestellt, ob die Ambitionen tatsächlich auch umsetzbar sind. Sie haben aber unbeirrt weitergemacht."
In den vergangenen Jahren konnten Musk und sein Team mehr und mehr Früchte ihrer Arbeit ernten. Wenn SpaceX eine neue Rakete ins All schickt, schaut die Welt hin. Die großen medienwirksamen Highlights waren der Start der Falcon Heavy mit einem Tesla an Bord im Februar 2018 und die Rückkehr der USA zur bemannten Raumfahrt im Mai 2020. SpaceX brachte die Astronauten Doug Hurley und Bob Behnken mit dem Crew-Dragon-Raumschiff sicher zur ISS. Zum ersten Mal nach neun Jahren wurden US-Astronauten wieder von amerikanischem Boden aus Richtung Weltall geschossen.
Weltweit größter Satellitenbetreiber
All diese Missionen dienen auch als Vorbereitung für das Fernziel schlechthin: Musk träumt vom Mars, will den Roten Planeten besiedeln. Das nächste Zwischenziel von SpaceX ist aber erstmal der Mond. 2023 will Elon Musk Touristen mit dem Starship um den Erdtrabanten fliegen lassen. Noch bis zum 14. März kann sich jeder für einen Crew-Platz an der Seite des japanischen Milliardärs Yusaku Maezawa bewerben.
"Es sieht so aus, als würde hier ein komplett neuer Markt erschlossen, sei es mit astronautischer Raumfahrt oder touristischer Raumfahrt. Und SpaceX arbeitet ja auch als Dienstleister für Institutionen. Das ganz große Geschäft sind aber die Satellitendienste", so Stefanos Fasoulas. Ziel ist es, schnelles Internet für die ganze Menschheit anzubieten. Dazu baut SpaceX das Satellitennetzwerk Starlink auf. "Vor zwei Jahren war noch kein einziger Satellit gestartet, jetzt ist SpaceX mit mittlerweile knapp 1200 gestarteten Satelliten der größte Satellitenbetreiber der Welt."
Im Satellitengeschäft könnte Elon Musk in den nächsten Jahren allerdings Konkurrenz bekommen, und zwar ausgerechnet von einem weiteren Raketen-Milliardär: Jeff Bezos führt derzeit nicht nur die Liste der reichsten Menschen der Welt an - vor Elon Musk. Der langjährige Amazon-Chef konkurriert auch im Raumfahrt-Business mit dem Tesla-Chef und SpaceX-Macher. Seine Firma Blue Origin arbeitet an einer eigenen Rakete, mit der künftig ebenfalls Satelliten in den Orbit gebracht werden sollen.
"Die Raumfahrt hat aus meiner Sicht eine Schlüsselrolle. Die Raumfahrt ist künftig vermutlich das, was die Straßen, Brücken und Seewege vor einigen Jahrhunderten waren. Sie stellt die Infrastruktur für die Güter der Zukunft", erklärt Fasoulas bei "Wieder was gelernt". Der Raumfahrt-Professor erkennt ein "riesiges Marktpotenzial". Im Vergleich zu Straßen, Eisenbahnen und Seewegen, wo man über Jahrhunderte hinweg materielle Güter transportiert, werde man mit der Raumfahrt "künftig den Datentransport bewerkstelligen".
Und die zwei derzeit reichsten Menschen der Welt sind die Pioniere auf diesem Gebiet. Bis 2027 will Elon Musk das Starlink-Netzwerk auf knapp 12.000 Satelliten ausbauen. Die Amazon-Tochter Kuiper hat bislang 3200 Satelliten von der US-Telekommunikationsaufsicht FCC genehmigt bekommen. Gestartet sind aber noch keine. Trotzdem gibt es schon Stunk mit Konkurrent SpaceX. Elon Musk will für sein Unternehmen die Erlaubnis von der FCC erhalten, einige seiner Satelliten näher zur Erde fliegen zu lassen. Kuiper ist dagegen, befürchtet Kollisionen im Weltall.
Raketen-Milliardäre als Vorbilder für den Nachwuchs
Langfristig betrachtet, werden Musk und Bezos aber wohl eher zusammen- und nicht gegeneinander arbeiten, erwartet Stefanos Fasoulas. "Erste Indizien dafür gibt es schon. Erst kürzlich hat Jeff Bezos beziehungsweise Blue Origin gesagt, dass der Start der Satelliten für die Kuiper-Konstellation nicht zwangsweise mit eigenen Trägern erfolgen muss. Und da wäre zum Beispiel eine sinnvolle Kooperation möglich und denkbar. Ich bin mir sicher, dass sich SpaceX nicht verschließen würde, wenn es um den Start von potenziell 3000 Satelliten geht."
Gut möglich, dass sich Musk und Bezos tatsächlich nicht lange um Umlaufbahnen streiten. Unendlich viele Satelliten können die Raketen-Milliardäre ohnehin nicht ins Weltall schießen. Je mehr Satelliten im All sind, desto mehr Weltraumschrott sammelt sich über unseren Köpfen. Und die ISS muss schon jetzt regelmäßig Ausweichmanöver fliegen, um nicht mit Weltraummüll zusammenzustoßen.
Dennoch sieht Stefanos Fasoulas im Space Race der Milliardäre vor allem das Positive: "Was man nicht unterschätzen darf, ist die Inspiration für die Jugend. Diese Personen sind Idole für den technisch-naturwissenschaftlichen Nachwuchs, sie dienen als Vorbilder und Motivatoren. Das ist mir speziell in den letzten eineinhalb Jahren aufgefallen." Zum Beispiel würden sich bei Online-Veranstaltungen vermehrt Teilnehmer als Elon Musk anmelden, erzählt der Institutsleiter. "Es kommt vor, dass wir dann Elon Musk 1, Elon Musk 2 und Elon Musk 3 im Meeting haben."
Quelle: ntv.de
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