Die dritte Welle treibt in Deutschland die Zahl der Neuinfektionen nach oben. Die mittlerweile berühmte Fallkurve steigt so steil an, dass am Wochenende die Zahl der Neuinfektionen pro Einwohner erstmals seit einem Jahr jene der USA überschreitet. Das geht aus Daten der Johns-Hopkins-Universität hervor, die von der Webseite Our World in Data aufbereitet werden. Dabei galten die Vereinigten Staaten lange als abschreckendes Beispiel dafür, was man im Umgang mit einer Pandemie alles falsch machen kann.
Auch in anderen Ländern wie Großbritannien und Israel, wo die Lage zeitweise außer Kontrolle schien, sinken die Neuinfektionen erstmals seit Monaten unter deutsches Niveau. Doch derartige Vergleiche sind mit gewissen Unschärfen verbunden, worauf der Molekularbiologe und Wissenschaftsjournalist Kai Kupferschmidt in einem Twitter-Thread hinweist: "Natürlich kann es Unterschiede geben, wie viele Infektionen in den einzelnen Ländern zu verschiedenen Zeitpunkten übersehen wurden", betont Kupferschmidt. Stichwort: Dunkelziffer.
Was zum ganzen Bild ebenfalls dazugehört: Die USA haben bereits einen hohen Preis in der Pandemie gezahlt. Das Land hat etwa viermal so viele Einwohner wie Deutschland, aber siebenmal so viele Corona-Tote zu beklagen. Mit insgesamt deutlich über einer halben Million Todesfälle verzeichnen die USA zudem in absoluten Zahlen weltweit die meisten Toten.
Hinweis: Die Zahlen der Johns-Hopkins-University weichen in der Regel leicht von jenen Falldaten ab, die ntv.de täglich meldet. Das ntv.de-Datenteam greift im Fall von Deutschland direkt auf die Meldezahlen aus den Bundesländern zu, wie sie von den Ministerien und Behörden vor Ort veröffentlicht werden. Die Daten für die USA stammen von der "New York Times".
In einigen US-Staaten Inzidenz noch hoch
Während in Deutschland die Neuinfektionen wieder rasant steigen, hat sich der Wert in den USA auf relativ hohem Niveau eingependelt - laut der "New York Times" bei etwa 55.000 neuen Fällen pro Tag. Aber nicht überall ist die Lage stabil: Der US-Bundesstaat Michigan etwa verzeichnet zuletzt wieder rasch steigende Fallzahlen. Auch in einigen Bundesstaaten an der Ostküste liegt die Inzidenz noch deutlich über jener in Deutschland.
Die USA sind mit ihrer Impfkampagne gleichzeitig deutlich weiter fortgeschritten als Deutschland. Bereits ein Viertel der Bevölkerung, also 25 Prozent, hat bereits eine Impfdosis erhalten. In Deutschland sind es gerade mal 9 Prozent. Hinzu kommt der höhere Anteil an Genesenen in den USA, die zumindest teilweise eine Immunität gegen das Virus aufweisen dürften - offiziell sind es fast 30 Millionen, also etwa neun Prozent. Die US-Seuchenschutzbehörde CDC schätzt die tatsächliche Zahl jedoch auf mehr als 80 Millionen, was einem weiteren Viertel der Bevölkerung entsprechen würde.
Im Idealfall könnten also bereits 40 bis 50 Prozent der US-Bevölkerung ein gewisses Maß an Immunität gegen Sars-CoV-2 aufweisen. Damit ist es zwar noch weit bis zur Herdenimmunität, für die womöglich fast 90 Prozent der Bevölkerung immun sein müssten. Dennoch dürfte die Tatsache, dass der Wildtyp von Sars-CoV-2 auf weniger potenziell ungeschützte Menschen trifft, die Ausbreitungsgeschwindigkeit aktuell dämmen. Experten sind sich dennoch alles andere als einig, ob nicht doch noch eine weitere Infektionswelle in den USA folgen könnte.
Israel ebenfalls unter deutschem Wert
Auch wenn Zwischenfazits in der Corona-Pandemie oft eine kurze Haltbarkeit haben: Zum jetzigen Zeitpunkt weisen Impf-Champions wie die USA, Israel und Großbritannien sichtbare Erfolge auf. So ist auch in Israel die Zahl der Neuinfektionen pro Einwohner erstmals seit Dezember wieder unter das deutsche Niveau gefallen - Anfang Februar war sie noch siebenmal so hoch. Bereits mehr als die Hälfte der Israelis hat bereits zwei Impfdosen erhalten. In Großbritannien ist es immerhin jeder zweite Erwachsene - Anfang März wurde auch dort das deutsche Inzidenz-Niveau unterschritten.
Diese Trends machen zumindest Hoffnung, dass sich die fortschreitende Impfkampagne auch in Deutschland in Zukunft positiv auswirkt. Die beiden Gründer des Mainzer Corona-Impfstoffherstellers Biontech jedenfalls rechnen spätestens im Herbst mit einem Ende der Lockdown-Politik in Deutschland. "In vielen Ländern in Europa und in den USA werden wir wahrscheinlich Ende des Sommers in der Situation sein, nicht mehr in einen Lockdown zu müssen", sagte Ugur Sahin der "Welt am Sonntag". Das Virus werde nicht verschwinden, aber sobald in Deutschland rund 70 Prozent der Menschen geimpft seien, werde die Lage beherrschbarer.
Quelle: ntv.de
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