Angesichts der steigenden Infektionszahlen sagte die Kanzlerin, "wir dürfen uns von diesen Rückschlägen nicht entmutigen lassen". Die Pandemie-Bekämpfung funktioniere besser als noch vor einem Jahr. Aber: "Wir haben das Virus noch nicht besiegen können." Es lasse nicht locker. Die derzeitige Lage sei "sehr, sehr ernst", so die CDU-Politikerin.
Aufgrund des derzeit exponentiellen Wachstums bei den Fallzahlen müsse nun in den Regionen, in denen die Sieben-Tage-Inzidenz über 100 liegt, die bereits vereinbarte Notbremse gezogen werden. Doch diese werde nicht allein ausreichen, um den starken Anstieg der Neuinfektionen zu beenden. Deswegen seien länderspezifische, schärfere Maßnahmen im Gespräch. Merkel zählte in diesem Zusammenhang medizinische Masken im privaten Bereich, Ausgangsbeschränkungen und Kontaktverbote auf.
Bislang einmalig in der Pandemie soll es nach dem Willen von Bund und Ländern an Ostern eine "Ruhephase" geben. Damit solle die dritte Welle, in der sich Deutschland aktuell bereits befinde, "ein Stück weit durchbrochen werden", sagte Merkel. Deswegen sollen neben den Osterfeiertagen (Karfreitag, Ostersonntag und -montag) der 1. und 3. April zusätzliche Ruhetage sein. Dann gebe es erweiterte Kontaktverbote, welche unter dem Motto "#WirbleibenzuHause" liefen. Das bedeute unter anderem auch, dass Menschenansammlungen im Freien verboten und die Außengastronomie geschlossen werde. Nach Ostern solle dann ein umfangreiches Testen in speziellen Bürgertestzentren, in Unternehmen, Schulen und Kitas beginnen. Dann würden "weitere Öffnungen ins Auge gefasst", sagte die Kanzlerin.
Verhandlungen mehrere Stunden unterbrochen
Unabhängig davon gelte derzeit und an Ostern, dass Bund und Länder von Reisen ins Ausland abrieten. "Wir halten insgesamt Reisen im Augenblick für nicht sehr förderlich, um es vorsichtig auszudrücken", sagte Merkel. Zusammen mit den Fluggesellschaften sei vereinbart worden, dass Passagiere und Crew vor dem Abflug zurück nach Deutschland getestet werden. So soll ein Einschleppen von Sars-CoV-2 und vor allem seinen gefährlicheren Varianten unterbunden beziehungsweise kontrolliert werden. Das Infektionsschutzgesetz soll um eine generelle Testpflicht bei Auslandsreisen ergänzt werden.
Insgesamt sei es eine "ernsthafte Konferenz" gewesen, sagte Merkel. Bund und Länder hatten ihren Video-Gipfel am Montagnachmittag gegen 15.15 Uhr begonnen und dann am Abend für mehrere Stunden wegen erheblicher Differenzen unterbrochen. Nach Mitternacht wurden die Verhandlungen wieder in großer Runde aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt wurde der Plan bekannt, der ein Herunterfahren des öffentlichen Lebens zwischen dem 1. und 5. April vorsieht. Diesen Vorstoß sollen nach ntv-Informationen sowohl Kanzlerin Merkel als auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und Vizekanzler Olaf Scholz getragen haben.
Söder bezeichnete das geplante Herunterfahren des öffentlichen Lebens über die Ostertage als guten und notwendigen Schritt im Kampf gegen die Pandemie. "Wir haben de facto den Oster-Lockdown", sagte der CSU-Chef nach den rund zwölfstündigen Beratungen. Ziel sei es, damit Geschwindigkeit aus der Pandemie zu nehmen. "Wir wissen, dass Corona bleischwer über dem Land liegt." Man befinde sich aber jetzt in der schwierigsten Phase der Pandemie. Viele unterschätzten die aktuelle Situation. Man dürfe jetzt aber keine Fehler machen. Jetzt habe man es in der Hand, die dritte Welle schneller zu beenden als die vorherige. "Ungeduld darf nicht zu unserer Schwäche werden", mahnte Söder.
"Das war eine schwere Geburt heute"
Das nun beschlossene Maßnahmenpaket macht auch aus der Sicht von Kanzlerin Merkel deutlich, dass sich Deutschland in einer schwierigen Phase der Pandemie befinde. Die dritte Welle dürfe nicht zu hoch werden, um bisher erzielte Erfolge beispielsweise beim Impfen nichtig zu machen. "Wir haben ja im Grunde jetzt eine neue Pandemie", sagte die Regierungschefin im Hinblick auf die nun vorherrschenden Virus-Mutanten wie B.1.1.7. Diese hätten neue Eigenschaften, seien infektiöser und tödlicher als der ursprüngliche "Wildtyp" von Sars-CoV-2.
Sie werde schwermütig, wenn sie daran denke, dass bislang erzielte Erfolge im Kampf gegen den Erreger inzwischen zunichte gemacht worden seien. Das habe niemand vor einigen Wochen und Monaten erahnen können. Merkel versuchte aber auch, ein positives Signal zu senden: "Es ist länger schwer, als wir dachten, aber ganz eindeutig ist Licht am Ende des Tunnels zu sehen."
Die nun getroffenen Entscheidungen seien außergewöhnlich. Sie seien in einem "guten Geist" getroffen worden, sagte Merkel als Fazit über den Marathon-Gipfel. "Das war eine schwere Geburt heute", sagte demgegenüber Michael Müller, der derzeit Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist. Söder sprach von schwierigen Beratungen, betonte aber: "Wir gehen heute nicht mit einem schlechten Gewissen oder einem unguten Gefühl aus der Runde." Man habe eine klare Linie und einen klaren Kurs.
In den neuen Beschlüssen sieht Müller einen "Paradigmenwechsel". "Es geht nicht mehr nur um Einschränkungen, es geht nicht mehr nur um 'auf - zu, auf - zu'", so der SPD-Politiker. "Sondern wir sind jetzt in einer Phase, wo wir ein Gefühl dafür entwickeln, was geht wie, (...) wie können wir die ersten Schritte in die Normalität wieder gehen mit welchen begleitenden Maßnahmen." Dabei spielten Impfen, Testen und Kontaktnachverfolgung eine entscheidende Rolle.
Quelle: ntv.de, jwu/fzö/dpa
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