Der weltgrößte Onlinehändler Amazon steht seit langem wegen seiner Steuerpraktiken in der Kritik. Das Unternehmen konnte sich mehrmals gar über einen negativen Steuersatz freuen und soll beispielsweise 2018 prozentual weniger Steuern als die ärmsten 20 Prozent der US-Amerikaner gezahlt haben.
Ausgerechnet Konzernchef Jeff Bezos hat sich nun für höhere Abgaben ausgesprochen. »Wir unterstützen eine Anhebung des Unternehmenssteuersatzes«, teilte Bezos am Dienstag in einer im Firmenblog von Amazon veröffentlichten Stellungnahme mit. Der Multimilliardär ermutigte Kongress und Regierung zu einer »richtigen, ausgewogenen Lösung, die die Wettbewerbsfähigkeit der USA aufrechterhält oder erweitert«.
Die Aussagen von Bezos erfolgen vor dem Hintergrund eines billionenschweren Infrastruktur-Investitionsprogramms, das US-Präsident Joe Biden plant – und das zum Teil durch stärkere Unternehmensbesteuerung finanziert werden soll. Die Debatte um höhere Abgaben an den Fiskus war am Montag durch US-Finanzministerin Janet Yellen weiter angefacht worden, die einen globalen Mindeststeuersatz für Unternehmen forderte. Der Vorschlag dürfte auch bei der Videokonferenz der G20-Finanzminister am Mittwoch ein Thema sein.
Dass Bezos oder Amazon sich öffentlich zu politisch brisanten Themen äußern, ist eigentlich ungewöhnlich. Allerdings steht der Konzern unter Druck und kann positive PR derzeit gut gebrauchen. US-Präsident Biden hatte Amazon jüngst bei einer Rede als eines der Unternehmen gerügt, die gesetzliche Schlupflöcher nutzen, um Steuerzahlungen zu vermeiden. Außerdem ließ eine Abstimmung in Alabama, durch die erstmals eine US-Gewerkschaft Einzug bei Amazon erhalten könnte, die Debatte um die Arbeitsbedingungen des Konzerns wieder hochkochen.
Vielleicht spielt auch eine Rolle, dass Bezos im Februar überraschend angekündigt hatte, sich von der Amazon-Spitze zurückzuziehen. Über die Gründe lässt sich nur mutmaßen. Wie sein designierter Nachfolger Andy Jassy höhere Steuern beurteilt, ist jedenfalls nicht überliefert.
spiegel
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