Pandemie-Muttertag zeigt Ungleichheit

  09 Mai 2021    Gelesen: 1756
Pandemie-Muttertag zeigt Ungleichheit

Frühstück ans Bett, Blumen und Schokolade - mit diesen Klischees ist der Muttertag lange behaftet. Doch nach mehr als einem Jahr Corona-Krise steht in diesem Jahr die Belastung der Mütter im Vordergrund. Ist sie wirklich größer geworden?

Sie spielen mit ihren Kindern, kochen, lesen vor, geben Unterricht - und arbeiten nebenbei womöglich auch noch in Vollzeit. Eltern sind in der Corona-Pandemie mehr gefordert denn je. Gerade in Zeiten des Lockdowns ersetzen sie Freunde, Kita und Schule. Doch gilt das für Väter und Mütter gleichermaßen? Oder sorgt die Krise dafür, dass Familien noch stärker in klassische Rollenmuster fallen?

Es sei unklar, ob die Krise zu Rückschritten bei der Gleichberechtigung der Geschlechter führe, sagt Heike Ohlbrecht, Professorin für Soziologie an der Universität Magdeburg. "Vielleicht macht die Krise auch nur Ungleichheiten stärker sichtbar, die vorher schon vorhanden waren. Auch vor der Pandemie hatten wir eine überwiegend klassische Aufgabenverteilung in den Familien", sagt sie zum Muttertag.

Umfragen während der Pandemie verdeutlichen in jedem Fall, dass sich in der Krise vor allem Frauen um Kindererziehung und Hausarbeit kümmern. Bei einer Befragung im Auftrag der Bertelsmann Stiftung kurz nach dem ersten Lockdown gaben 51 Prozent der Mütter an, dass sie sich überwiegend um das Homeschooling der Kinder kümmern würden. Nur 15 Prozent der Väter sagten das von sich selbst. Bei anderen Aufgaben lag die Last noch deutlicher bei Frauen: Jeweils rund zwei Drittel von ihnen erklärten, dass sie meist die generelle Hausarbeit und das Kochen übernähmen.

Hartnäckige Tradition

Allerdings: Jede zweite Frau sagte, dass die Aufgaben schon vor der Krise ungleich verteilt gewesen seien. "Insofern hat die Corona-Pandemie weniger einen Rückfall in traditionelle Rollen verursacht, sondern scheint vielmehr ans Licht zu bringen, dass die traditionelle Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen in Deutschland so gut wie gar nicht aufgebrochen war", schreibt Barbara von Würzen von der Bertelsmann Stiftung. In der Krisenzeit würden Frauen scheinbar selbstverständlich wieder Aufgaben übernehmen, bei denen es sonst etwa Unterstützung von Kitas gebe.

Auch Soziologin Ohlbrecht meint, dass traditionelle Rollenbilder noch stark verbreitet seien. "Wenn beide im Homeoffice sind, kocht oft die Frau", sagt sie - und verweist auf einen zweiten Faktor: wirtschaftliche Zwänge. Da in vielen Fällen noch immer Frauen weniger verdienten, sei es eine nachvollziehbare Entscheidung, dass sie Arbeitszeit reduzieren, um die gemeinsamen Kinder im Lockdown zu betreuen. "Die Krise wirkt hier wie ein Brennglas für Ungleichheiten", so Ohlbrecht.

Beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung heißt es ebenfalls, dass die häusliche Arbeit überwiegend von Frauen übernommen werde. Aber: Einer Umfrage zufolge hätten Männer ihre Arbeitszeit etwas stärker reduziert als Frauen. Sie würden sich auch häufiger als vor der Krise an der Kinderbetreuung beteiligen. "Das spricht gegen die These, dass die Covid-19-Pandemie zu einer Retraditionalisierung der Geschlechterverhältnisse in diesem Bereich führt", heißt es auf der Internetseite.

Mehr psychosoziale Belastungen

Viele Männer seien bei der Familienarbeit jedoch auf einem relativ geringen Niveau gestartet, sagt Soziologin Ohlbrecht. "Frauen haben dagegen schon vorher viel mehr Familienarbeit übernommen und satteln jetzt noch drauf." Die Konsequenz: Mütter waren im ersten Lockdown laut eigenen Angaben belasteter, erschöpfter, nervöser und ängstlicher als Väter, so das Ergebnis einer Studie der Universität Magdeburg.

Zurzeit wertet das Forscherteam um Ohlbrecht eine Befragung im zweiten Lockdown aus. "Unsere Zweitbefragung ergibt, dass die psychosozialen Belastungen zunehmen, je länger der Lockdown anhält", sagt Ohlbrecht. Besonders bei Müttern steige die subjektive Belastung.

Wird die Krise nachhaltig zu einer traditionelleren Rollenverteilung bei Paaren führen? Gewerkschaften, Geschlechterforscher und auch SPD-Bundesfamilienministerin Franziska Giffey warnen davor. Ohlbrecht hingegen ist zuversichtlicher: "Ich bin optimistisch, dass sich Frauen das nicht so gefallen lassen." Die Pandemie könne auch positive Effekte haben: eine gesellschaftliche Debatte über Vereinbarkeit von Familien und Arbeit.

Quelle: ntv.de, Corinna Schwanhold, dpa


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