Kubicki kritisiert grünen Umgang mit Palmer

  09 Mai 2021    Gelesen: 1490
Kubicki kritisiert grünen Umgang mit Palmer

Nach seiner provokativen Äußerung auf Facebook droht Tübingens OB der Verlust seines Parteibuchs. Gewichtige Stimmen, die Palmers Aktion anders als mit Empörung bewerten, gibt es weder bei den Grünen noch in der SPD. Nur FDP-Vize Kubicki findet einen Rauswurf übertrieben.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat die Entscheidung der Grünen, ein Parteiausschlussverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer einzuleiten, scharf kritisiert. Zwar könne er die Reaktion der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock nachvollziehen, "da die Äußerung von Boris Palmer mehr als eine Provokation gewesen ist", sagte der Vizepräsident des Bundestages den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. "Allerdings ist das eingeleitete Parteiausschlussverfahren definitiv überzogen."

Kubicki äußerte die Erwartung, dass die Führungsfähigkeiten Baerbocks in den kommenden Monaten "mehr denn je gefragt sind". Der FDP-Politiker bewertete den Konflikt um Palmer jedoch nur als eine Baustelle der grünen Kanzlerkandidatin. "Schauen wir auf die innerparteiliche Debatte, ob das Wort "Deutschland" aus dem Programm gestrichen werden soll, dann kommen die großen Probleme für sie wohl noch. Die Fliehkräfte werden sicher noch größer, je näher die Bundestagswahl rückt", sagte er den Funke-Zeitungen weiter.

Zuvor hatten die Grünen beschlossen, Palmer wegen seiner Äußerungen aus der Partei auszuschließen. Beim Landesparteitag in Baden-Württemberg stimmten 161 Delegierte für ein Ausschlussverfahren, 44 dagegen, und 8 enthielten sich. "Die Zeit ist reif dafür. Denn das Maß ist voll", sagte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand in Stuttgart. Der Tübinger OB sorge mit "inszenierten Tabubrüchen" für eine Polarisierung der öffentlichen Debatte.

Kretschmann: "Kann man nicht machen"

Palmer hatte zuvor auf Facebook mit Aussagen über den früheren Fußball-Nationalspieler Dennis Aogo für Empörung gesorgt. Im Zuge der Diskussion benutzte Palmer am Freitag einen rassistischen und obszönen Begriff aus einem Aogo zugeschriebenen Zitat und kommentierte, offensichtlich ironisch: "Der Aogo ist ein schlimmer Rassist." Zur Begründung verwies er auf einen nicht-verifizierten Facebook-Kommentar, in dem ohne jeden Beleg behauptet worden war, Aogo habe für sich selbst das N-Wort benutzt. Der Begriff N-Wort steht für eine rassistische Bezeichnung für Schwarze.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann kritisierte Palmer hart. "Solche Äußerungen kann man einfach nicht machen. Das geht einfach nicht", sagte der grüne Regierungschef am Samstag am Rande des Landesparteitags in Stuttgart. "Ich finde es auch eines Oberbürgermeisters unwürdig, dauernd mit Provokationen zu polarisieren." Der Tübinger OB sei doch ein "Profi", der wissen müsse: "Ironie funktioniert nie in der Politik."

Palmer selbst erklärte am Samstag in einem langen Facebook-Statement, er habe eine Debatte mit dem Stilmittel der Ironie ins Groteske überzeichnet. Der Tübinger OB ließ sich vor der Abstimmung für eine Gegenrede zum Parteitag schalten und erklärte, es handele sich um "haltlose und absurde Vorwürfe". Hier gehe es darum, abweichende Stimmen zum Verstummen zu bringen. "Daher kann und will ich nicht widerrufen." Allerdings empfahl er dem Parteitag, dem Antrag für ein Ausschlussverfahren zuzustimmen. Dann habe er endlich die Gelegenheit, sich gegen die Anwürfe zu verteidigen.

Skandal um Satz über Corona-Patienten

Die Landespartei hatte Palmer schon im Mai 2020 den Austritt nahegelegt und ihm ein Ausschlussverfahren angedroht. Schon damals hatte Palmer mehrfach mit provokativen Äußerungen für Empörung gesorgt, unter anderem mit einem Satz zum Umgang mit Corona-Patienten. "Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären", hatte er damals in einem Interview gesagt.

Nach Palmers jüngsten Äußerungen wurden erneut Forderungen laut, Konsequenzen zu ziehen. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil forderte die Grünen auf, Palmer aus der Partei auszuschließen. Er sei mit seinen Ausfällen längst Wiederholungstäter, sagte Klingbeil. "Sein Verhalten kann nicht ohne Konsequenzen durch Frau Baerbock und die grüne Parteiführung bleiben."

Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock erklärte am Samstagvormittag via Twitter: "Die Äußerung von Boris #Palmer ist rassistisch und abstoßend. Sich nachträglich auf Ironie zu berufen, macht es nicht ungeschehen. Das Ganze reiht sich ein in immer neue Provokationen, die Menschen ausgrenzen und verletzen. Boris Palmer hat deshalb unsere politische Unterstützung verloren.

Quelle: ntv.de, mau/dpa


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