Ein Spiel, das Deutschland einfach nur nervt

  27 Mai 2021    Gelesen: 595
  Ein Spiel, das Deutschland einfach nur nervt

Jetzt bloß nicht zu viel an Eishockey denken! Mit diesem Vorhaben geht das deutsche Nationalteam bei der Weltmeisterschaft in Lettland in den spielfreien Donnerstag. Der unerwartete Rückschlag soll gegen das Heimatland von Bundestrainer Söderholm wiedergutgemacht werden.

Ach, es ist ja irgendwie der Klassiker. Also nicht die Partie an sich. Eishockey-Duelle zwischen Deutschland und Kasachstan waren selten bis nie legendär. Und auch das Spiel an diesem Mittwochabend hat den Weg auf den Klassiker-Olymp nicht geebnet. Aus deutscher Sicht lag das indes nicht (nur) an der 2:3-Niederlage in der WM-Vorrunde, die die aufkommende Euphorie nach dem Giganten-Coup gegen ein, man muss es sagen, immer noch rätselhaftes "Team Canada" deutlich abbremst. Nein, dieses Spiel war aus deutscher Sicht einfach bloß nervig. Das ziemlich verpennte letzte Drittel trug reichlich zum Frust bei, ebenso wie gleich mehrere Entscheidungen der nicht souverän wirkenden Refeeres. Und die zogen sich nahezu über die gesamte Spielzeit hin.

In Minute sechs beispielsweise blieb ein harter Check gegen den Kopf von Ivan Stepanenko gegen Lukas Reichel ungeahndet. Der 19-Jährige, der als nächster deutscher NHL-Star gilt, krachte aufs Eis, berappelte sich zwar schnell wieder. Doch zurück kehrte er nicht mehr. "Ich werde da kein Risiko fahren", erklärte Bundestrainer Toni Söderholm später und teilte tüchtig gegen die Refeeres aus: "Es ist jetzt der dritte Check gegen den Kopf gegen unsere Spieler in vier Spielen. Es hilft uns nicht, dass ein Spieler im Nachhinein gesperrt wird." Der Coach fühlte sich dabei ungut an die letzte WM vor zwei Jahren erinnert. Gegen Gastgeber Slowakei war der damals erst 18 Jahre alte Moritz Seider übel ausgeknockt worden. Er fehlte drei Spiele. Wie es um Reichel steht, noch unklar. "Wir müssen schauen, wie es ihm geht und dann in Ruhe analysieren", gab Söderholm kurz durch.

Nun hat das Top-Talent von den Eisbären Berlin noch nicht den unverzichtbaren Status, den Seider damals hatte. Dennoch hat er das Spiel der Deutschen bereits bereichert. Sein Steal mit anschließendem Tor gegen Norwegen veranlasste die Twitter-Redaktion des internationalen Eishockey-Verbands zu dem euphorischen Post: "Lukas Reichel is a bad, bad man." Nun, dass die Aktion gegen Reichel komplett unbestraft blieb, empörte nicht nur den deutschen Trainer, auch Sport1-Experte Rick Goldmann, früher selbst Nationalspieler, schimpfte: "Das war doch ein Blindside-Hit! Für mich eine klare Fehlentscheidung - eigentlich müsste das eine große Strafe geben."

Strafe klar, aber Penalty?

Tatsächlich war es, siehe oben, nicht die einzige Entscheidung, die extrem strittig war. So auch die Szene, die das Spiel aus deutscher Sicht in die falsche Richtung kippen ließ. Kurz nach der zweiten Drittelpause holte Kapitän Moritz Müller nach einem Stellungsfehler Roman Starchenko von den Beinen. Die Strafe, unstrittig. Der Penalty, absolut strittig. Schließlich hatte der Kölner mit seiner Aktion nicht eine klare Torchance verhindert, ein anderer Spieler hätte noch eingreifen können. Nun ja, die Chance ließ sich Kasachstan nicht nehmen. "Wir versuchen, uns nicht auf Fehlentscheidungen zu konzentrieren", sagte Torschütze Markus Eisenschmid. "Es liegt nicht in unserer Hand, wir sind keine Schiedsrichter", ergänzte Seider.

Die bitterste Pointe an diesem Abend folgte dann in Minute 56: Weil Verteidiger Marcel Brandt an der eigenen blauen Linie stolperte und damit den Weg für Pavel Akolzin freimachte, stand da im vierten Gruppenspiel die erste Niederlage. Diese relativiert sich womöglich durch das Wissen ein wenig, dass die Osteuropäer zuvor bereits Gastgeber Lettland und Titelverteidiger Finnland im Penaltyschießen geschockt hatte. Ob es sie aber erträglicher macht? Wohl nicht.

Denn trotz des furiosen Auftakts mit den spektakulären Siegen gegen Italien (9:4) und Norwegen (5:1) sowieso dem historischen Erfolg gegen Kanada muss Deutschland nun wieder um den Einzug ins Viertelfinale bangen. Auch, wenn die Ausgangslage immer noch prima ist. Ein Sieg aus den kommenden drei Spielen reicht, um die Runde der besten Acht zu erreichen. Allerdings sind die Aufgaben knackig: Am Samstag geht's gegen Finnland, danach folgen die Duelle mit den bislang sehr überzeugenden USA und Lettland. Was dann besser werden muss: "Die Zweikampfhärte mit der Scheibe ist auf jeden Fall ein Punkt", kritisierte der Bundestrainer.

Tatsächlich ließen sich die Deutschen von den extrem defensivstarken Kasachen augenscheinlich beeindrucken. Das bislang so prächtig funktionierende Angriffsspiel kam ins Stottern, bisweilen sogar zum Erliegen. "Uns hat ein bisschen Qualität im spielerischen Element gefehlt. Da müssen wir besser werden", analysierte Söderholm. "Wir müssen Situationen an der blauen Linie cleverer lösen", forderte er zudem: "Da waren wir heute nicht effizient, das hat uns Energie gekostet." Die soll nun aufgetankt werden - und zwar abseits vom Eis: Die Spieler sollen an diesem Donnerstag bloß nicht an ihren Sport denken. "Es gibt einen Ausflugsort, der jetzt zur Bubble gehört. Wir schauen, wenn das Wetter passt, ob wir einen kurzen Ausflug machen können", sagte Söderholm.

Quelle: ntv.de


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