Und doch tut er, was er kann, damit es ihm nicht allzu viele Albaner nachmachen.
Der Rechtsanwalt versucht, über seine Kontakte nach Hamburg Wirtschaftskraft nach Albanien zu holen – um so die Massenabwanderung zu bremsen. Oft wird der Heimkehrer in Tirana nach Tipps gefragt: wie man so eine Flucht anstelle. Wie man in Deutschland Arbeit finden könne. Klajd Karameta antwortet dann jedes Mal: "Lasst es bleiben. Helft eurem Land lieber hier!"
Der Albaner zog vor 16 Jahren als Student nach Hamburg. Seine BWL-Prüfungen wurden in Deutschland nicht anerkannt, also wechselte er gleich ganz das Fach und wurde Jurist. Vor sieben Jahren kehrte er zurück nach Tirana. Dort leitet er die erste Kanzlei Albaniens, die ausländische Investoren und Unternehmen bei der Ansiedlung berät.
Ein später Freitagnachmittag in Tiranas Innenstadt. Klajd Karameta trägt einen marineblauen Anzug, den obersten Hemdknopf geöffnet, er fläzt sich auf einen Stuhl in einem Szenecafé. Wochenende, endlich. Er wirft einen Blick auf den großen Springbrunnen vor ihm, den bekanntesten der Stadt, im leicht verwilderten Park zwischen Nationalgalerie und alter Königsresidenz. "Die Muster erinnern mich an die Binnenalster", sagt er und deutet aufs Wasser. Davor toben und kreischen Kinder. Sie sind es, die Klajd Karameta die größte Sorge bereiten: Wie viele von ihnen wird das Land halten können?
In der Flüchtlingskrise stand Albanien im vergangenen Jahr auf den Listen der Herkunftsländer an zweiter Stelle: 55.000 Albaner ersuchten in Deutschland Asyl. Nach Hamburg kamen in diesem Zeitraum laut Einwohnerzentralamt 1812 Albaner. Die Anerkennungsquoten sind gering, doch die Zahl der Fluchtgründe bleibt hoch: 15 Prozent der Albaner leben in Armut, etwa genauso viele sind arbeitslos. Albanien gehört selbst auf dem durch Krieg und Konflikte gebeutelten Balkan zu den ärmsten Ländern der Region.
Und ausgerechnet ein Glückskerl wie Klajd Karameta, der im Ausland kostbare Erfahrungen machen konnte, will die Auswanderungswilligen nun von der Reise abbringen?
"Wir müssen unsere Probleme daheim lösen", sagt er. Der Jurist leitet die erste Kanzlei seines Landes, die ausländische Investoren berät. Der Gedanke: Wenn das Ausland hier Arbeitsplätze schafft, müssen nicht so viele Menschen ihre Heimat verlassen. Auch Karametas Kontakten nach Hamburg ist es zu verdanken, dass in den vergangenen Jahren rund 1000 Albaner feste Jobs gefunden haben.
Zwei seiner Kollegen in der Kanzlei führen die Geschäfte auf Italienisch und Englisch, Karameta ist für Mandanten aus Deutschland zuständig. "Albanien hat großes Potenzial", glaubt er. Die Bevölkerung sei jung, der Mindestlohn betrage nur 165 Euro, die Gewinnsteuer sei niedrig, die meisten jungen Menschen sprächen Englisch. Wer investieren soll? "Viele deutsche Betriebe wollen expandieren und haben auch das Geld dafür", sagt der Anwalt. "Außerdem will eigentlich jeder Albaner für ein deutsches Unternehmen arbeiten."
Klajd Karameta zog vor 16 Jahren nach Norddeutschland, vor sieben Jahren kam er zurück. Seitdem hält er die Verbindung zu Hamburg. Die Stadt nennt er "meine zweite Heimat". Er hofft, dass sein Draht dorthin noch möglichst allen Albanern nützen wird. Nur eben nicht so, wie es sich viele wünschen.
Fluchtpläne sind Stadtgespräch in Tirana. Egal wo man sich aufhält, überall kann man sie aufschnappen und unfreiwillig mithören – ob auf der Terrasse des Cafés oder im Park dahinter, ob man alten Männern beim Backgammon zusieht, Jüngeren beim Abhängen oder Kindern beim Betteln. Ständig geht es darum, die Heimat hinter sich zu lassen. "Mindestens die Hälfte der Leute um die 20 Jahre will nach Deutschland", sagt Klajd Karameta. "Und ich kann sie ja verstehen."
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