Bundespräsident Gauck in China: Besuch vom Anti-Kommunisten

  20 März 2016    Gelesen: 1352
Bundespräsident Gauck in China: Besuch vom Anti-Kommunisten
Joachim Gauck hat ein klares Feindbild: den Kommunismus. Der Bundespräsident reist also mit gemischten Gefühlen nach China. Dort hat man sich schon auf Kritik eingestellt.
Es gab schon Staatsbesuche, die Bundespräsident Joachim Gauck enthusiastischer angetreten hat. Das verwundert nicht. China - das ist für den Anti-Kommunisten und einstigen DDR-Bürger Gauck wie eine Reise in die dunkle Vergangenheit.

Erst Ende vergangenen Jahres verschwand eine Gruppe regimekritischer Buchhändler aus Hongkong, die Wochen später mit angeblichen Geständnissen im Fernsehen vorgeführt wurden. So etwas kennt Gauck von früher. Nur: China ist eben auch ein dynamisches Land. Es ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, Deutschland ist der wichtigste europäische Handelspartner des Landes. Zuletzt allerdings sanken Chinas Wachstumsraten.
Das wiederum findet Gauck spannend: Wie geht das zusammen? Kann man es überhaupt hinbekommen, ein Riesenland mit knapp 1,4 Milliarden Menschen zu regieren? Und können es die Chinesen schaffen, auf Dauer wirtschaftlich erfolgreich zu sein mit einem System von Unfreiheit und Unterdrückung?

Man muss sich Joachim Gauck also als einen sehr skeptischen China-Besucher vorstellen, der sich aber auch mit großer Neugierde auf den Weg nach Peking, Shanghai und Xi`an macht.

Neugierig ist man auch in China. Dort wird man im Laufe dieses Jahres beinahe die gesamte deutsche Staatsspitze begrüßen: Außenminister, Bundestagspräsident, die Kanzlerin sogar zweimal - im Mai mit dem Kabinett zu den Regierungskonsultationen und im September zum G20-Gipfel. Aber am interessantesten erscheint aus chinesischer Sicht der Besuch des eher machtlosen Bundespräsidenten.

Gauck blieb Waffenschau fern

Die Chinesen hätten es gern gesehen, wenn Gauck schon 2015 gekommen wäre - zum 70. Jahrestag des Kriegsendes, das sie im September mit einer großen Militärparade feierten. Dieser Waffenschau aber blieb der Bundespräsident wie die meisten Staatsoberhäupter der Welt fern.

Für das Geschichtsbild der Chinesen spielen die Deutschen eine besondere Rolle. Anders als Japan, das während des Zweiten Weltkriegs große Teile Chinas besetzt hielt und brutal unterdrückte, hat sich Deutschland aus Sicht Pekings seiner historischen Verantwortung gestellt und mit den ehemaligen Kriegsgegnern versöhnt. China wird nicht müde, den Japanern diesen Vergleich vorzuhalten. Klar, dass Berlin sich für diese Instrumentalisierung nicht hergeben will.

Die Führung um Präsident und KP-Chef Xi Jinping kennt die Biografie und Haltung des deutschen Staatsoberhaupts und dürfte sich deshalb darauf eingestellt haben, dass Gauck kritischer auftreten wird als sonstige hohe Gäste. Beispielsweise bei seiner Rede an der Tongji-Universität am Mittwoch in Shanghai.

Kritik aus Deutschland schmerzt

Um die Freiheit und die Bürgerrechte steht es in China so schlecht wie lange nicht mehr: Fast 300 Menschenrechtsanwälte hat Peking 2015 festnehmen und verhören lassen, mehr als 30 von ihnen waren Ende Januar noch in Haft oder Hausarrest. Auch Frauenrechtlerinnen, Journalisten und unabhängige Regierungskritiker werden schikaniert und verschwinden mitunter spurlos. "Seit Präsident Xi die Macht übernommen hat", kritisiert Human Rights Watch, "geht seine Regierung mit zunehmender Feindseligkeit gegen friedlichen Protest, gegen Meinungs- und Religionsfreiheit vor."

Dabei schmerzt es Chinas Führung besonders, wenn das von deutscher Seite thematisiert wird. Anfang März brachten zwölf Staaten vor dem Uno-Menschenrechtsrat eine Erklärung gegen Peking ein und verlangten die Freilassung von Aktivisten und Bürgerrechtlern. Sofort beschuldigte Chinas Staatspresse die USA, die Menschenrechte selbst mit Füßen zu treten und verbat sich insbesondere Kritik von Japan. Deutschland, das die Erklärung mit unterzeichnet hatte, kam mit keinem Wort vor.

Ein paar Wochen zuvor hatten sich vier Botschafter in Peking in einem gemeinsamen Brief besorgt über zwei geplante Gesetze gezeigt, welche die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und die Datensicherheit neu regeln sollen. Auch dagegen verwahrte sich China - ohne Deutschland besonders hervorzuheben, von dem die Initiative ursprünglich ausgegangen war.

Das Verhältnis der Chinesen zu den Deutschen sei von einem "besonderen Vertrauen" geprägt, sagt Cui Hongjian vom Zentrum für Internationale Studien in Peking. Das stimmt: Anders als die USA, die als geopolitischer Rivale wahrgenommen werden, und anders als Erzrivale Japan, gilt Deutschland als Partner - sowohl im Apparat als auch im Volk.
Mit diesem Vertrauen allerdings ist auch Verantwortung verbunden. Ökonomisch ist China so mächtig geworden, dass sich in Sachen Rechtsstaatlichkeit kaum mehr einzelne Staaten mit Peking anlegen wollen - Frankreich zum Beispiel war weder an der Uno-Aktion noch am Brief der Botschafter beteiligt. Deutschland dagegen kann sich Kritik an China leisten; Menschenrechtler fordern deutsche Politiker ausdrücklich auf, ihren Spielraum zu nutzen.

Auf Gauck dürften sie sich dabei verlassen können.

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