2014 hatte Apple erstmals einen zaghaften Anlauf genommen, mit dem iPhone 5c in bunten Plastikgehäusen ein neues Marktsegment zu erschließen. Der Vorstoß hatte damals nur begrenztem Erfolg, denn die Ingenieure in Cupertino packten 2014 im Prinzip eine im Vergleich zum damaligen Spitzenmodell veraltete Technik in das 5c, etwa bei der Kamera.
Beim aktuellen Einsteigermodell iPhone SE ist zwar alles eine Nummer kleiner als bei den aktuellen Modellen der 6er-Serie. Und es fehlt auch der drucksensible Bildschirm («3D Touch»), bei dem man mit stärkerem Druck auf das Display zusätzliche Inhalte wie bei einem rechten Mausklick anzeigen lassen kann. Doch sonst entsprechen quasi alle anderen technischen Features dem derzeitigen Flaggschiff iPhone 6S. Dazu gehören der schnellere Prozessor, schnelles LTE, schnelles WLAN, der Fingerabdruck-Sensor «Touch ID», die 12-Megapixel-Kamera und der NFC-Chip, der unter anderem für mobile Bezahlsysteme wie Apple Pay benötigt wird.
In den USA drückt Apple den Preis bei der kleinsten Variante des iPhone SE erstmals unter die psychologisch wichtige Schwelle von 400 Dollar, auch wenn diese dann im Laden mit den lokalen Steuern in der Regel überschritten wird. Käufer in Europa bekommen den schwachen Euro zu spüren und müssen mindestens 489 Euro auf den Tisch legen (inklusive Mehrwertsteuer).
Bei diesem Preispunkt können aber viele Mobilfunkprovider immer noch Vertragspakete schnüren, bei dem das iPhone SE für einen symbolischen Euro den Besitzer wechselt, auch wenn die Kunden den wahren Kaufpreis für das neue Smartphone dann über einen Zwei-Jahresvertrag indirekt abstottern.
Nach der Einführung der iPhone-Modelle 6 und 6 Plus im September 2014 konnte man den Eindruck bekommen, als habe sich Apple von den kleineren Bildschirmgrößen unter 4,7 Zoll komplett verabschiedet. Die Verkaufsstatistik widerlegt allerdings diese These: «Wir haben im vergangenen Jahr allein 30 Millionen Geräte mit 4-Zoll-Bildschirm verkauft», sagte Produktmanager Greg Joswiak. Es ist ein seltener Fall, dass Apple Angaben zum Absatz einer einzelnen iPhone-Produktlinie macht.
Mit dem neuen iPhone SE kann Apple nun zum einen versuchen, Besitzer eines älteren Kompakt-Smartphones zu einer Neuanschaffung zu bewegen. Da das neue Gerät aber auch preisgünstiger ist, wird Apple einen neuen Anlauf unternehmen, in den Schwellenländern zu punkten, in denen bislang vor allem Android-Smartphones fast konkurrenzlos den Markt beherrschen. Dazu passt auch ins Konzept, dass Apple in Ländern wie Indien neue Ladengeschäfte eröffnen will, um den Absatz des iPhones anzukurbeln.
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Apple auch mit dem neuen kompakten iPad Pro. Vielen Anwendern eines Tablet-Computers war das große 12,9-Zoll-Display des im Herbst vorgestellten Pro-Modells zu groß und das Gerät trotz beeindruckender technischer Ausstattung schlicht zu teuer. Das neue kleine iPad Pro verfügt ebenfalls über die meisten technischen Features des großen Bruders, kann aber günstiger angeboten werden. Gleichzeitig bleibt das iPad Air 2 im Programm, mit dem Apple gegen günstigere Android- und Windows-Tablets antreten kann. Ob das ausreicht, um den Abschwung der vergangenen Quartale beim iPad zu beenden, muss Apple aber noch beweisen.
Apple-Chef Cook nimmt jedenfalls in Kauf, pro verkauftem iPhone und iPad durchschnittlich weniger zu verdienen als die Jahre zuvor. Solange dies den Absatz der Geräte in die Höhe treiben wird, kann dieses Rezept aufgehen. Schließlich verdient Apple auch am gesamten Umfeld, etwa den Verkäufen im iTunes- und App-Store, den Abos für Cloud-Speicher oder den Dienst Apple Music.
Die Services werden nach Berechnungen des Marktforschungsunternehmens FactSet im Apple-Finanzjahr 2016 bereits zehn Prozent des Konzernumsatzes ausmachen. Damit bleibt Apple zwar immer noch stark von den Umsätzen mit dem iPhone (64 Prozent) und iPad (8 Prozent) abhängig. Doch mit dem wachsenden Service-Geschäft wird die Apple-Bilanz auch dann noch glänzen, wenn die Hardware-Einnahmen ein bisschen weniger sprudeln.
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