Frühjahrsoffensive der PKK mit Schwerpunkt urbaner Kriegsführung zu erwarten

  26 März 2016    Gelesen: 1219
Frühjahrsoffensive der PKK mit Schwerpunkt urbaner Kriegsführung zu erwarten
Die Türkei erlebt zurzeit eine neue Dimension des Terrors, nicht nur vonseiten der Terrormiliz IS (Daesh), sondern vor allem auch einer PKK, die nicht nur im Juli des Vorjahres zur Gewalt zurückgekehrt ist, sondern dabei auch eine neue Strategie entwickelt hat.
Die Parallelität des Vorgehens zwischen der Stadtguerilla in der Südosttürkei und der als syrischer Ableger der PKK geltenden PYD/YPG wirft nicht zuletzt die Frage auf, ob es auch hinsichtlich des wiederaufgenommenen Terrors in der Türkei eine Aktionseinheit zwischen beiden Gruppierungen gibt. Was hat es wiederum mit den so genannten „Freiheitsfalken“ (TAK) auf sich, die mit Anschlägen im Stile des IS türkische Städte heimsuchen? Wie effektiv kann die Regierung in Ankara diesem Problem militärisch begegnen?

Die türkische Regierung mutmaßt, dass der von einer YPG-Einheit im Januar übers Internet verbreitete Aufruf zum weltweiten Terror gegen türkische Einrichtungen ebenso wie die von PYD und YPG im Kampf gegen den IS angewandte Taktik des Stadtguerilla-Kampfes darauf hindeuten, dass die syrischen PKK-Ableger den Gleichgesinnten in Südostasien auch praktische Hilfe leisten würde.

Da es offenbar eine operationale Verbindung zwischen den angeblich getrennt von der PKK agierenden TAK und der PKK-Führung geben soll und – ernstzunehmenden Quellen zufolge – möglicherweise der syrische Kurde Bahoz Erdal (Fehman Hüseyin), der auch die HPG, den militärischen PKK-Flügel, leiten soll, der Befehlshaber ist, lässt die Annahme als noch nahe liegender erscheinen, PYD und YPG würden über die Grenze hinweg zusammenwachsen und auch die Türkei gemeinsam ins Visier nehmen.

Was in jedem Fall feststeht, ist, dass die Bomben, die bei beiden TAK-Anschlägen in Ankara verwendet wurden, die gleiche Bauart aufweisen und offenbar die gleiche Person oder Personengruppe den jeweiligen Sprengsatz zu den Anschlägen im Februar und März geliefert hatten. Die Untersuchung der Bombenreste ergab jedoch sehr deutliche Hinweise darauf, dass die Bauteile aus der Türkei stammen und in der Nähe der Orte zusammengefügt wurden, von denen die späteren Tatfahrzeuge gestohlen wurden. Diese Faktoren deuten eher auf ein in der Türkei sitzendes Netzwerk als auf eine Spur nach Syrien hin.

Auch klingen die Beteuerungen der PYD und YPG, nichts mit den Anschlägen zu tun zu haben, wie mehr als nur Schutzbehauptungen. Die PYD hat mehrere sehr gute Gründe, die Türkei nicht ins Visier zu nehmen. Zum einen haben die USA Druck auf die Gruppierung ausgeübt, einen Waffenstillstand mit der türkischen Regierung einzuhalten. Dies sei auch im eigenen Interesse der PYD, die ihre Eroberungen im Norden Syriens konsolidieren und die Frontlinie gegenüber dem IS halten möchte. Hinter vorgehaltener Hand räumen auch Offizielle der PYD ein, dass sie nicht in der Lage wären, eine stehende Armee zu bekämpfen, weshalb es im Sinne der syrisch-kurdischen Gruppierung ist, kein Eingreifen der türkischen Armee zu provozieren.

Es ist natürlich sehr wahrscheinlich, dass es einen Austausch oder Transfer von Kadern und Kämpfern über die Grenze hinweg gibt, frühere PKK-Kämpfer nun in den Reihen von PYD und YPG auftauchen oder umgekehrt. Es ist jedoch eher unwahrscheinlich, dass die PYD Kämpfer für die Südosttürkei mit der Order abstellt, dort Anschläge zu verüben.

Die radikalen Jugendeinheiten der PKK, die YPS, haben jedoch in Kobane Taktiken im urbanen Guerillakampf erlernt, die sie nun auch in ihren Hochburgen in der Südosttürkei gegen die anrückenden türkischen Armeeeinheiten und Sonderkommandos zum Einsatz bringen.

Auf der anderen Seite hat auch die türkische Armee auf diese wachsende Gewalt reagiert und geht sehr entschlossen gegen die urbanen PKK-Zellen vor, etwa jüngst während der 102 Tage einer 24-stündigen Ausgangssperre in Sur, einem lange Zeit hindurch von den YPS dominierten Bezirk Diyarbakırs. Ähnlich gingen die türkischen Streitkräfte auch in Idil, Cizre oder Silopi vor: 24-stündige Ausgangssperren, Säuberung der Regionen von PKK-Kämpfern und anschließende Lockerung des Ausnahmezustands mit Errichtung von Checkpoints.

Nun, wo der Schnee auch in den Bergen von Kandil zu schmelzen beginnt, rechnet die Türkei mit einer Frühjahrsoffensive der PKK und einem vermehrten Zustrom ihrer Kämpfer aus dem Irak und Syrien. Das Verbot von Newrozfeiern in diesem Jahr in einigen Städten -offenbar im Zeichen der Sorge um die Sicherheitssituation im Einklang mit der offenbar bevorstehenden Ausweitung der Antiterrorgesetze – lieferte bereits einen ersten Eindruck von den verschärften sicherheitspolitischen Maßnahmen, die künftig zu erwarten sein werden.

In der kurdischen Bevölkerung ist – und diesbezüglich ist die Darstellung seitens der Regierung durchaus zutreffend – der Rückhalt für die PKK gesunken und auch das Vertrauen in die HDP als politische Kraft ist zurückgegangen, wie sich nicht nur bei den Wahlen vom letzten November zeigte. Auf der anderen Seite bedeutet die Ablehnung der Vorgehensweise der PKK, die durch ihre Stadtguerilla-Aktionen immer wieder massives Durchgreifen der Sicherheitskräfte auslöst, nicht automatisch eine Zustimmung zu den Maßnahmen der Regierung.

Die zahlreichen komplett verwüsteten Straßenzüge in weiten Teilen jener Städte, in denen der Antiterrorkampf gegen die YPS im Rahmen der monatelangen Ausgangssperren geführt worden war, haben die Sympathien gegenüber Ankara nicht signifikant steigen lassen. Außerdem haben die Erfolge der PYD und YPG jenseits der Grenze in Syrien doch ein höheres Maß an Zusammengehörigkeitsempfinden zwischen türkischen und syrischen Kurden entstehen lassen.

Dass auch die Regierung in der Türkei bereits vor dem Wiederaufflammen der Gewalt im Juli des Vorjahres einen möglichen Waffenstillstand im Rahmen des Friedensprozesses abgelehnt hatte, weil die AKP einige Bedingungen nicht akzeptieren wollte, hat auch in den südosttürkischen Regionen kein positives Echo gefunden. Daraufhin hatte die PKK den Prozess für „null und nichtig“ erklärt.

Sollte sich die – von Ankündigungen vonseiten PKK-Scharfmachern wie Cemil Bayık untermauerten – Erwartungen der türkischen Streitkräfte hinsichtlich einer Frühjahrsoffensive bestätigen, könnte die türkische Armee mit gezielten Enthauptungsschlägen gegen die PKK-Führung reagieren.

Die PKK würde die Eskalation in weiterer Folge vorantreiben, sowohl in den kurdischen Städten im Häuserkampf als auch in den westtürkischen Regionen durch Anschläge wie die jüngsten der TAK zugeschriebenen.

Eine realistische Perspektive in Richtung der Wiederaufnahme des Friedensprozesses erscheint zum derzeitigen Zeitpunkt jedenfalls nicht gegeben zu sein. Kommt zudem kein Zuruf des inhaftierten PKK-Führers Abdullah Öcalan, ist davon auszugehen, dass der bewaffnete Aufstand weitergehen wird.

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