In der Union mehren sich die Forderungen, der Ukraine weitreichende Waffen zur Verfügung zu stellen. CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter sagte der "Augsburger Allgemeinen", es sei nun "allerhöchste Zeit, endlich an Taurus auszubilden und das System zu liefern". Der Taurus könne "zumindest in Teilen eine Entlastung bringen und somit die Zivilbevölkerung in der Ukraine schützen, wenn das System in größerer Zahl geliefert wird".
Ähnlich äußerte sich der CDU-Politiker Thomas Röwekamp, Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag. Der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" sagte er, Bundeskanzler Friedrich Merz habe mit seiner Absage an Reichweitenbegrenzungen "ein Verhinderungsargument zum Taurus abgeräumt". Das sei noch "keine Zusage" zur Lieferung des Taurus, aber die Begründung für die bisherige Weigerung entfalle damit.
Merz hatte am Montag gesagt, es gebe "keinerlei Reichweitenbeschränkungen mehr für Waffen" und auf entsprechende Absprachen mit europäischen Verbündeten und den USA verwiesen. Später verwies er darauf, dass die Verbündeten ihre Auflagen für die Waffen längst aufgegeben hätten. Er habe daher nur beschrieben, "was schon seit Monaten geschieht".
Kiesewetter verwies allerdings darauf, dass Deutschland bislang gar keine weitreichenden Waffensysteme liefere, die Aussage habe damit keine praktischen Folgen für die Ukraine und sei "faktisch nicht relevant für Deutschland". Der Raketenwerfer Mars II hat eine Reichweite von 85 Kilometern, die Panzerhaubitze 2000 hat eine Reichweite von 35 Kilometern. Kiesewetter forderte die Bundesregierung auf, echte Konsequenzen zu ziehen.
Hofreiter warnt vor "Nebelkerze"
Auch der Grünen-Politiker Anton Hofreiter sprach sich für Taurus-Lieferungen aus. "Merz' Ankündigung ist nicht mehr als eine Nebelkerze, solange er keine Taurus-Marschflugkörper liefert", sagte er der "Rheinischen Post". "Nur Taurus könnten zentrale militärische Knotenpunkte der russischen Armee in der Grenzregion treffen."
Sicherheitsexperte Nico Lange sagte am Dienstag im Interview mit n-tv.de zu Merz' Ankündigung, diese sei nur sinnvoll, "wenn Deutschland auch Waffen und Munition liefert, mit denen man bei höheren Reichweiten Treffer erzielen kann." Militärisch ist es aus seiner Sicht weiterhin sinnvoll, Taurus zu liefern.
"Gerade jetzt, nach den Luftangriffen auf Kiew, wird klar, welche Probleme die Ukraine mit der Luftverteidigung hat." Es sei illusorisch zu glauben, man könne alle Raketen, Marschflugkörper und Drohnen abwehren. "Ein Instrument wie Taurus kann die Flugplätze bedrohen, auf denen die russischen Flugzeuge starten, die dann Raketen gegen die Ukraine abfeuern. Das wäre für die Luftverteidigung eine große Hilfe."
Wagenknecht nennt Taurus-Lieferung Kriegserklärung
Deutliche Kritik an möglichen Lieferungen weitreichender Waffen kam dagegen von der BSW-Chefin Sahra Wagenknecht. "Die Waffenwende des Kanzlers ist völlig verantwortungslos. Wenn deutsche Waffen - womöglich künftig Taurus-Raketen - russische Städte treffen, dann kommt das einer Kriegserklärung an Moskau gleich", sagte Wagenknecht der "Rheinischen Post".
"Erst macht die Bundesregierung die Waffenlieferungen zur Geheimsache und dann hebt sie die Reichweitenbeschränkung auf - das hat nur Sinn, wenn sie ernsthaft Taurus liefern will oder es bereits getan hat", so die BSW-Chefin. "Es braucht eine Volksabstimmung über die deutsche Ukraine-Politik, insbesondere über ein Lieferverbot von Taurus-Raketen", so Wagenknecht. "Die Bevölkerung muss die Möglichkeit haben, der Bundesregierung in der Ukraine-Politik Grenzen zu setzen. Es darf nicht sein, dass die Öffentlichkeit ausgeschaltet wird und wir dann plötzlich in einem Nuklearkrieg aufwachen."
Vor zwei Wochen sagte Merz noch im ZDF, dass keine Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine geplant sei. "Es steht im Augenblick auch nicht an", sagte er bei "Maybrit Illner". Eine Lieferung würde auch einen erheblichen Vorlauf wegen der nötigen Ausbildung erfordern. Merz betonte zudem, dass er die Debatte nicht öffentlich führen werde. Die Bedeutung des Taurus für die Ukraine werde in der Öffentlichkeit "hochgejazzt".
Quelle: ntv.de, ghö/AFP
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