Das alles interessierte den IS nur insofern, als die Terrormiliz die Zerstörung des Weltkulturerbes gezielt inszenierte. Die Islamisten pulverisierten nacheinander den berühmten Baal-Tempel, den Baalschamin-Tempel, einige Grabtürme, den Triumphbogen, einen Teil der Säulenstraße und eine einzigartige Löwenfigur. Im August 2015 ermordeten die Dschihadisten außerdem den syrischen Chefarchäologen, den 82 Jahre alten Khalid Asaad, der ein halbes Jahrhundert lang an Palmyra geforscht hatte.
Manches kann man wieder aufbauen
Mit russischer Unterstützung aus der Luft hat die syrische Armee nun den IS aus Palmyra vertrieben. Die Dschihadisten haben sich letzten Meldungen zufolge zurückgezogen. Unbestätigten Angaben zufolgen sollen 400 bis 500 IS-Kämpfer getötet worden sein. Archäologen steht damit das bevor, was sie monatelang ersehnt haben und nun sicher auch fürchten: Sie werden sich ein Bild von der Zerstörung machen und sehen können, was die Dschihadisten an Altertümern stehengelassen haben. Am 4. April will die UN-Kulturerbe-Organisation Unesco beraten, wann eine Kommission nach Palmyra geschickt wird. Sobald wie möglich sollen Experten dann an die Arbeit gehen.
"Schon allein aus emotionalem Selbstschutz würde wohl jeder Archäologe sagen, dass man an ein so zerstörtes Denkmal herangeht wie an jede antike Stätte, die ja fast immer fragmentiert überliefert ist", sagte die Leiterin des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), Friederike Fless, vor drei Monaten im Interview mit n-tv.de. Es gebe Fälle, in denen Rekonstruktionen gelungen seien, die man nicht für möglich gehalten hätte.
So etwas sei aber nur in jahrelanger Puzzlearbeit möglich. "Wir Archäologen versuchen einfach, die Hoffnung nie aufzugeben", sagte sie mit Blick auf die Zerstörungen durch den IS. Wichtig bei möglichen Rekonstruktionen sei aber, die einheimische Bevölkerung einzubinden, die gerade in Palmyra zuvor vom Tourismus gelebt hat. Der Direktor des Vorderasiatischen Museums Berlin, Markus Hilgert, sagte der dpa, es werde sehr viel Fingerspitzengefühl gebraucht bei einem Wiederaufbau. Es gehe um die Frage: "Wie machen wir das, so dass die Integrität der Welterbestätte Palmyra nicht beschädigt wird", so Hilgert.
Und noch etwas macht Hoffnung: Syrische Archäologen hatten vielerorts wichtige Stücke aus Museen in Sicherheit nach Damaskus gebracht, bevor der IS sie zerstören konnte. Das ändert freilich nichts daran, dass ein weltberühmter Tempel wie der dem Gott Baal geweihte unwiderbringlich verloren ist.
Großer strategischer Verlust für den IS
Erste Aufnahmen aus der Stadt, die die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana veröffentlicht hat, geben Hinweise auf das, was die Archäologen erwartet. Die auf einem Hügel über der Stadt thronende Zitadelle etwa ist demnach beschädigt, aber weitgehend intakt. Fernsehbilder, die heute gedreht sein sollen, zeigen Überreste des Triumphbogens, aber auch viele herumliegende Steine. Die Säulenstraße sieht auf den von Sana verbreiteten Fotos beschädigt, aber in großen Teilen intakt aus.
Strategisch ist der Verlust Palmyras für den IS ein weiterer schwerer Rückschlag. Im vergangenen Jahr schien die Eroberung der Stadt noch zu zeigen, wie unaufhaltsam der IS sich in Syrien ausbreitete. Von Palmyra aus führt eine Fernstraße direkt in die vom syrischen Regime kontrollierten, dichter besiedelten Gebiete Syriens. Nun hält die Terrormiliz nur noch ihr syrisches Hauptquartier Rakka als größere Stadt. Im Irak begann am Freitag eine Offensive der Armee und ihrer Verbündeten auf die Großstadt Mossul, die der IS im Juni 2014 erobert hatte.
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