Mit vollen Luxus-Segeln über den Atlantik

  28 März 2016    Gelesen: 841
Mit vollen Luxus-Segeln über den Atlantik
Im Großsegler über den Atlantik, das ist die Luxusklasse des Nichtstuns. Shoppingmalls, Spielkasinos oder Wasserrutschen? Weit gefehlt. Besser Seemeilen zählen und womöglich mal den Mast hochklettern.
Hoch thront das "Krähennest", die erste Plattform am Fockmast, über dem Deck. "Die Mutigeren können gern mal dort hoch", ermuntert Kreuzfahrtdirektor Peter Kissner die Passagiere der "Star Clipper". "Eigentlich war man sonst nämlich gar nicht richtig an Bord."

Eine kühne Sichtweise, schließlich hat in den nächsten zwei Wochen niemand Gelegenheit, das Schiff überhaupt zu verlassen. Sich auf einem schicken Viermaster von Gran Canaria quer über den Atlantik in die Karibik segeln zu lassen, bedeutet: 14 Tage nur Wasser, keine Landausflüge, nichts tun. Gar nichts.

""

Wer dann noch mutig ohne Begleitung reist, hat hier die besten Aussichten, ganz und gar abzuschalten. Eine ideale Urlaubsform, um zu entschleunigen, die durchaus ihre Anhänger hat – auf den Weltmeeren sind rund ein Dutzend Luxus-Kreuzfahrtsegler unterwegs, dazu kommen Hunderte größere Schiffe, auf denen man als Passagier die Gelegenheit zum Mitsegeln hat.

Die Exklusivität hat ihren Preis

Die Sache mit dem Entschleunigen ist im konkreten Fall aber einfacher gedacht als getan. Nach der Einschiffung mit Häppchen, Sekt und Hammond-Orgel unterbricht eine Lautsprecheransage in der Kabine das Koffer-Auspacken: "19 Uhr – bitte antreten zur Seenotrettungsübung. Anwesenheitspflicht!" Und für 20 Uhr steht im Programmblatt: "Star Clipper nimmt Kurs auf St. Maarten. Verwöhnen Sie Ihren Partner mit Champagner, 7,50 Euro per Glas." All-inclusive? Leider nicht.

Und Leute ohne Anhang sind eher selten, obwohl der Zuschlag von 50 Prozent für die Einzelnutzung einer Doppelkabine nicht unverschämt hoch ist. Der einzige Solist, der bei der Champagner-Sause auszumachen ist, erzählt gleich von seiner Frau zu Hause, die nur keine Lust auf so ein Abenteuer gehabt habe.

Plötzlich ertönt von irgendwoher Chormusik mit feierlicher Hymne: Vangelis und sein "Conquest of Paradise". Vorn am Fockmast werden fünf trapezförmige Rahsegel entrollt, überall glitzern kleine Jahrmarktslämpchen. Mag etwas kitschig sein, aber den Passagieren gefällt`s.

Fast wie auf einer großen Privatyacht

Am nächsten Morgen liegen schon 100 Seemeilen zwischen den Kanaren und der "Star Clipper". Die treibt der aus Nordost wehende Passat bei sanfter Dünung beständig gen Westen und sorgt mitten auf dem Meer für angenehmes T-Shirt-Wetter. Matrosen in geringelten Hemden machen sich an riesigen Segelpaketen zu schaffen, einer im Blaumann poliert Messingbeschläge, ein anderer ölt das dunkle Holz der Reling. Die ersten Passagiere – allesamt männlich – inspizieren die Monitore im Ruderhaus, fachsimpeln auf Englisch mit dem ukrainischen Kapitän und dem ersten Offizier aus Kroatien.

Auf den Planken vorn am Bug ist ein schöner Platz, um sich in das glitzernde Meer endlos langer Wellen zu träumen, dem leichten Klatschen gegen die Bordwand zuzuhören, das vom Knarren des Tauwerks und einem leisen Lachen von irgendwoher begleitet wird. Die meiste Zeit geht es zu wie auf einer großen Privatyacht, man kann sich dem süßen Nichtstun hingeben und sieht andere Menschen nur, wenn man es will.

Die 170 Passagiere und 74 Mann Besatzung verteilen sich auf 115 Längenmetern und vier Decks mit Rund-um-die-Uhr-Verwöhnambiente. Genau davon hatte der schwedische Reeder Mikael Krafft geträumt, als er den Bau eines Klippers plante, mit dem er "Segelromantik, Luxus und Komfort" vereinen wollte.

Nach detailverliebter Planung und Umsetzung eines traditionsreichen Designs wurde im belgischen Gent 1991 der Viermaster "Star Flyer" getauft, ein Jahr später lief die baugleiche "Star Clipper" vom Stapel. Zur Jahrtausendwende stach die "Royal Clipper" erstmals in See, mit 134 Meter Länge und fünf Masten bislang das größte Passagier-Segelschiff der Welt.

Die Antipode zum Kreuzfahrt-Riesen

Ihr gemeinsames Konzept ist so einfach wie attraktiv: Restaurant ohne feste Tischzeiten und ohne Abendgarderobe, Tropical-Bar als Treff auf dem Sonnendeck, Piano-Bar mit nie versiegender Kaffee- und Teequelle, englisch angehauchte Bibliothek mit Kamin-Attrappe und Krimi-Sammlung. Aufwendiger Spa-Bereich, Wasserrutschen über mehrere Etagen, Butler-Service, Shoppingmalls, Disco-Nächte? Die Highlights der Kreuzfahrt-Giganten kann man hier getrost vergessen – nur vermissen darf man sie nicht.

Die vielen landlosen Tage sind eine wunderbare Zeit des Sich-nicht-kümmern-Müssens. Entscheiden muss man nur, ob man zur Frühgymnastik auf dem Sonnendeck erscheint, beim "Walk a mile"-Parcours rund ums Haupt- und Sonnendeck mitmacht oder in der Bibliothek einen launigen Vortrag vom Schiffsarzt anhört: "Wein als Medizin".

Den Atlantik zu überqueren, das heißt aber auch, einsame Unendlichkeit zu erleben. Mag sein, dass dieser Gedanke einigen unglaublich langweilig, anderen total beängstigend erscheint. Doch diese Unendlichkeit und dieses "In the middle of nowhere"-Gefühl ist für die meisten an Bord lässige Entspannung, nach dem schönen Motto von Guy de Maupassant:

"Es scheint, dass man die Welt verlässt, dass man nie mehr irgendwo ankommt, dass es kein Ufer, keinen Tag mehr geben wird."

Bergfest bei Regen

Eine Woche westlich von Gran Canaria, 4800 Meter über dem Meeresgrund, 1174 Seemeilen vor St. Maarten: Passagiere und Crew feiern Bergfest. Und der Himmel weint zum ersten Mal. "Vielleicht, weil es jetzt bergab geht", sagt Kreuzfahrtdirektor Peter Kissner.

Jeden Morgen, Punkt 10 Uhr, absolviert er auf dem Sonnendeck seine "Storytime" in einem atemberaubenden Deutsch-Englisch-Mix: Geschichten über Kolumbus und andere große Entdecker, die hier vor einem halben Jahrtausend in Richtung Amerika unterwegs waren, über elegante Klipper ("die Rennpferde") und robuste Windjammer ("die Arbeitspferde"), die bis ins 19. Jahrhundert Reichtümer aller Art über den Atlantik brachten.

Einer wie Kissner kennt sich aus mit der unterschiedlichen Mentalität der "Star Clipper"-Passagiere. "Wer im Mittelmeer oder in der Karibik kreuzt, macht Badeurlaub mit einem Segler – wobei das Schiff nicht unbedingt Priorität hat. Die Leute, die auf dem Atlantik mitfahren, erwarten etwas anderes als eine normale Kreuzfahrt. Sie wollen vor allem eines: das Segeln erleben." Älter als der Durchschnitt auf Club- und Partyschiffen sind hier fast alle, aber auch nicht so ergraut wie Passagiere echter Luxusliner.

Auf der "Star Clipper" reisen viele, die zu Hause selbst ein Schiff steuern. Monika zum Beispiel. Mit ihrem Mann segelt sie liebend gern auf der Ostsee, aber über den Atlantik? "Zu viel Verantwortung, diese ganze Elektronik und dazu noch reichlich unbequem. Allein die Nachtwachen – nein danke." Also lassen beide segeln und genießen dabei auch den ungewohnten Luxus des Sich-bekochen-Lassens. In welcher Kombüse einer Privatyacht kann man schon die siebengängigen Menüs zubereiten, die das Team um den philippinischen Chefkoch immer wieder zaubert?

Die Küche ist für Passagiere off-limits

Wie es die zehn Männer ohne Chance auf Nachschub schaffen, Tag für Tag sechs Mahlzeiten vom "Early Bird Breakfast" bis zum "Midnight Snack" zu präsentieren, mag Neptun wissen. Von den Passagieren jedenfalls niemand.

Die Küche gehört zu den wenigen Ecken an Bord, die allein die Crew zu sehen bekommt. Die Gäste dürfen nur genießen: Carpaccio vom Oktopus, Ananassorbet, Entrecôte, Tilapia-Filet, Endiviensalat, marinierter Ziegenkäse, Haselnussparfait. Auf der großen Weinkarte fehlt auch ein Dom Pérignon nicht. Bestellt hat ihn allerdings niemand. Dafür geht jede Menge Bier über die Theke, der offene Hauswein und ein bunter Cocktail-Mix. Ein Toastspruch von Lord Nelson macht die Runde: "Auf uns – weil es ja sonst keiner tut ..."

Diejenigen, denen die abendlichen Gesellschaftsspiele à la "Das perfekte Paar" zu albern oder die Musik an der Bar zu laut sind, verziehen sich auf das stillere Vordeck, beobachten den auf- und abwogenden Bugspriet, der einer Speerspitze gleich vom Schiffsrumpf ins dunkle Meer ragt. Das Vorankommen kann man auf der großen Seekarte gegenüber der Tropical-Bar verfolgen, wo die Tagesmeilen genau verzeichnet werden. Am Ende der Reise wird die "Star Clipper" 42 Prozent der insgesamt rund 5000 Kilometer mit echten Segelstunden bewältigt haben.

Dem Reiz des Mastkletterns erlegen

"Nice sailing" nennt Peter Kissner das, wenn neben den Rahsegeln auch die Vorsegel am Bug stehen und an den hinteren Masten die großen Dreieckstücher wie Groß- und der Kreuzfischermann. Ganz leicht legt sich die "Star Clipper" in den Wind, ohne großes Schaukeln, denn der Druck auf die Segel besorgt das, was große Kreuzfahrt-Pötte nur mit extra Stabilisatoren schaffen.

Immer öfter schieben sich Wolken vor die Sonne, wie aus dem Nichts aufgetaucht am eben noch blitzblanken Himmel. Irgendwo hinterm dunstigen Horizont liegen die karibischen Inseln, liegt das Ziel: St. Maarten. Bei den Passagieren macht sich Wehmut breit. Bald hat das süße Nichtstun ein Ende. Noch einmal hochgeschaut zum Krähennest am Fockmast – noch waren viele ja "eigentlich gar nicht richtig an Bord ..."

Zwei Tage vor dem Anlegen taucht "Mastklettern" zum letzten Mal im Gäste-Programm auf. Jetzt sind sogar ganz Ängstliche bereit, die inneren Zweifel zu besiegen. Nach dem Hochhangeln ins Krähennest in 20 Meter Höhe, mit Bootsmann-Gurt tipptopp gesichert, ist das einfach nur ganz großes Kino. Um einen herum: das schönste Nichts. Einmal heftig schlucken, dann ist man richtig angekommen.

Die besten Tipps für Großsegler

Star Clippers Die drei Segelschiffe von Star Clippers befahren auf wechselnden Routen die Karibik, Asien und das Mittelmeer. Zur Flotte zählen der Fünfmaster "Royal Clipper" (134 Meter lang, 227 Passagiere, 106 Besatzungsmitglieder) sowie die baugleichen Viermaster "Star Flyer" und "Star Clipper" (Länge: 115,5 Meter, 170 Passagiere, 74 Besatzungsmitglieder). Ideal für Passagiere, die zum ersten Mal Urlaub unter weißen Segeln verbringen möchten, ist eine viertägige Schnupper-Kreuzfahrt ab und bis Venedig an Bord der "Star Clipper" im August 2016 (ab 900 Euro in der Außenkabine). Transatlantik geht es beispielsweise vom 9.-25. April von Barbados nach Lissabon mit der "Royal Clipper" (ab 1170 Euro).

Sea Cloud Der Hamburger Veranstalter Sea Cloud Cruises hat zwei Großschiffe im Programm und in diesem Jahr einige Jubiläumsreisen aufgelegt: Die "Sea Cloud" (Stapellauf 1931, 109,50 Meter lang, 3000 Quadratmeter Segelfläche, 32 Kabinen) feiert ihren 85. Geburtstag feiert an der südspanischen Küste. Zusammen mit der 15 Jahre alten "Sea Cloud II" segelt sie fünf Tage auf gemeinsamem Kurs. In Málaga lädt die "Sea Cloud II" zu einer Schiffsbesichtigung ein. Krönender Abschluss der Reise ist ein exklusiver Abend für die Gäste in Barcelona auf den Spuren Gaudís, inklusive Konzert und Cocktailempfang. (Lissabon - Barcelona, 20.-27.04.2016, ab 2995 Euro p. P.). Die "Sea Cloud II" (117 Meter lang, 3000 Quadratmeter Segelfläche, 47 Kabinen) feiert ihr Jubiläum auf einer neuen Route mit einer Reise, die über Südnorwegen, die Shetland- und Orkney-Inseln nach Schottland führt. In Bergen, der Heimatstadt des berühmten Komponisten Edvard Grieg, erwartet die Gäste ein exklusives, abendliches Konzert im Edvard-Grieg Museum Troldhaugen (Travemünde - Edinburgh, 13.-23.07.2016, ab 4275 Euro p. P.).

Ponant Die französische Reederei Ponant bietet mit dem 88 Meter langen Dreimaster "Le Ponant" einen luxuriösen, sehr persönlichen Kreuzfahrt-Motorsegler mit nur 32 Kabinen (32 Crewmitglieder kümmern sich um maximal 64 Passagiere). Die Fahrgebiete sind die Karibik, das westliche Mittelmeer, aber auch die Kapverden. 2016 gibt es 23 Touren mit der "Le Ponant", darunter eine Nonstop-Transatlantikfahrt von Fort de France (Martinique) nach Malaga (Spanien) vom 2.-17. April (ab 2440 Euro p. P.). "Rund um Korsika" (ab/bis Nizza) kostet beispielsweise vom 15.-22. August ab 3740 Euro.

Wind Star Wind Star Cruises – gehört zum US-Tourismuskonzern Xanterra Parks & Resorts, Inc – hat drei Großyachten zur Auswahl: Das Flaggschiff, die "Wind Surf", ist 162 Meter lang. Der Fünfmaster verfügt über eine Segelfläche von 2600 Quadratmetern, in den 122 Kabinen und 33 Suiten haben maximal 310 Gäste Platz, um sie kümmern sich 201 Crewmitglieder. Weitere Motorsegler sind die "Wind Spirit" und die "Wind Star" für jeweils 148 Passagiere. Fahrgebiete sind die Karibik, das westliche Mittelmeer aber auch Nord- und Ostsee. Preisbeispiel: Die elftägige Reise"Scandinavian Tapestry" Mitte Juli führt auf der "Wind Surf" von Edinburgh nach Stockholm – ab 4299 US-Dollar.

Club Med Cruises Die 182 Meter lange "Club Med 2" bietet mit ihren 184 Kabinen Platz für maximal 392 Passagiere bei 200 Mann Besatzung. Der 1992 gebaute Fünfmaster gehört dem französischen Touristikunternehmen Club Med und kreuzt in der Karibik, Transatlantik sowie im westlichen und östlichen Mittelmeer. Mini-Kreuzfahrten wie etwa Nizza-Calvi-Portofino-Nizza kosten p. P. ab 890 Euro. Acht Tage von Ravenna bis Korfu kosten ab 2990 Euro.

Großsegler-Reisen Mitunter deutlich weniger luxuriös, dafür aber mit sehr großer Auswahl an vielen Großseglern sind die Angebote von Großsegler-Reisen. Fast 50 Segelschiffe, darunter Briggs, Schoner, Clipper, Fischtrawler und Schulschiffe wie die "Alexander von Humboldt II". Auch Tagestörns sind beim Greifswalder Büro buchbar, Tel. 03834/85 53 39.

Tags:


Newsticker