Wann hat sich die Politik jemals diese Fragen gestellt?
-Hängt die Verbesserung der Lebensumstände in Afrika primär von der Höhe der eingesetzten Hilfsgelder ab?
-Befreit Entwicklungshilfe die Staaten/Gesellschaften von der eigenverantwortlichen Lösung ihrer Probleme und wird die Abhängigkeit somit nicht verlängert?
-Könnte es sein, dass Entwicklungshilfe weniger die Armut bekämpft als das „Entwicklungshilfe-Establishment“ fördert?
-Richten Eingriffe von außen nicht mehr Schaden als Nutzen an?
-Warum werden Projekte geradezu aufgedrängt und scheitern oft, nachdem die Helfer und die finanzielle Unterstützung wieder verschwunden sind?
-Hindert der Wettbewerb unter Hilfswerken nicht Entwicklungshelfer daran, Misserfolge publik zu machen? Fürchten sich Entwicklungshelfer nicht vor schlechter Publizität und einbrechenden Spenden, wenn die Öffentlichkeit von dem geringen Nutzen für die Afrikaner erfahren würde?
Entwicklungshilfe auf Allzeithoch
Grundsätzlich sollte Entwicklungshilfe nur vorübergehend nötig sein, mit dem Ziel die Bedürftigen in deren Selbstständigkeit und Unabhängigkeit zu bringen. Stattdessen gibt es jedes Jahr ein Allzeithoch bei den Geldern für öffentliche Entwicklungshilfe. Die Staatengemeinschaft brachte im vergangenen Jahr über 100 Milliarden Euro für die Entwicklungsländer auf. Längst wissen wir, auf mehr Geld folgt nicht mehr Entwicklung. Kein Land dieser Erde hat seinen Wohlstand Entwicklungshilfe zu verdanken. Im Gegenteil, diejenigen Staaten, die eine erfolgreiche Entwicklung durchgemacht haben, schafften dies aus Eigenantrieb und blicken wie die asiatischen Tigerstaaten mit Stolz auf das Erreichte.
Außenpolitische Interessen vorgeschützt
Die moderne „Political Correctness“ gefällt sich darin, abweichende Meinungen nicht mehr kontrovers zu diskutieren, sondern sie gleich aus der Diskussion auszuschließen. Ständig werden außenpolitische Interessen vorgeschützt. Es überrascht mich, mit welcher Vehemenz unsere Politiker an einer mildtätigen Entwicklungspolitik festhalten, die inzwischen viele Afrikaner für falsch halten. Immer mehr Afrikaner haben mich gefragt, warum wir wider besseren Wissens die korrupten alten Männer, die teils jahrzehntelang Macht und Kontrolle über die Bevölkerungen haben, weiterhin unterstützen. Die afrikanischen Länder haben bisher stets eine Politik der Sammelbüchse betrieben und immer nur gebettelt: mehr Hilfe, mehr Hilfe, mehr Hilfe. Genau das muss sich ändern, kann sich aber nicht ändern, solange die großen Länder in Europa und anderswo selbst die Bedeutung der Entwicklungshilfe betonen“ sagt Themba Sono, Wirtschaftswissenschaftler aus Südafrika. Dambisa Moyo aus Sambia spricht für viele, wenn sie sagt: „Einer der bedrückendsten Aspekte des ganzen Hilfsfiaskos ist, dass Geber, Politiker, Regierungen, Akademiker, Wirtschaftswissenschaftler und Entwicklungsexperten im tiefsten Herzen wissen, dass Entwicklungshilfe nicht funktioniert, nicht funktioniert hat und nicht funktionieren wird”
Wirklichkeit wird verdrängt
Millionen von Menschen leben in Afrika in Staaten, deren Regierungen ihren Bürgern kein befriedigendes Gesundheitswesen bieten, weil dies für die Eliten nicht zu den Prioritäten zählt. Dies vor allem, weil Afrikas Führungspersonal zur eigenen Behandlung ins Ausland reisen kann. Auch werden in kaum einem Land Diskussionen über die entscheidenden Probleme der Bildung geführt. So werden kaum praxisrelevante Fähigkeiten vermittelt, die mit der Schaffung von Arbeitsplätzen einhergehen. Der südafrikanische Wissenschaftler Moeletsi Mbeki ist überzeugt, dass „einige afrikanische Machthaber Angst vor zu viel Bildung haben, denn damit werden sie automatisch hinterfragt.“ Mit Bildung werden die Bürger selbstbewusster und selbstständiger. Sie untersuchen etablierte Strukturen und erkennen immer mehr, wie die Politik in ihren Ländern abläuft und nicht unbedingt jede Entscheidung die bestmögliche für möglichst viele ist, sondern in den Personen liegender und dem Gemeinwohl zuwiderlaufender Faktoren sie beeinflussen.
Ist es sinnvoll, wenn Schulgebäude errichtet werden, wenn die Regierung nicht für Lehrer sorgt? Ist es zu rechtfertigen, Länder zu unterstützen, deren führungsschwache Regierung keine ernsthafte Politik verfolgt, die mit Verantwortungsbewusstsein die Erwartungen und Erfordernisse seiner Bürger anpackt? Sollten nicht erst einmal die reichen Bürger in Entwicklungsländern Initiative und Verantwortung übernehmen, bevor der deutsche Steuerzahler weiter einspringt? In London erfreuen sich Luxusimmobilien unter reichen Afrikanern aus Nigeria, Ghana, Gabun, Kamerun, dem Senegal und der Demokratischen Republik Kongo in den Traditionsbezirken Westminster, Kensington und Chelsea besonders großer Beliebtheit. So wurde laut dem Immobilienmakler Engel & Völkers im Herbst 2014 eine Penthouse-Wohnung am Hyde Park für etwa 162 Millionen Euro an einen ungenannten Afrikaner vermittelt.
Seit Jahren besteht die Entwicklungspolitik in Deutschland und in Europa vor allem darin, die Wirklichkeit in Afrika zu verdrängen und zu beschönigen. Afrika hat und hatte für die Bundesregierung politisch trotz aller wohlfeilen Bekenntnisse keine wirkliche Priorität. Allerdings macht ein Gesamtkonzept von Tunis bis Kapstadt, ein Pauschalansatz der deutschen Afrikapolitik auch wenig Sinn. Es müssen differenzierte länder- und regionalspezifische Antworten entwickelt werden. Die Naivität, Rat- und Sprachlosigkeit vieler Politiker gegenüber einem korruptem Regime, das auf eigene Entwicklungsanstrengungen verzichtet, haben mich immer wieder betroffenen gemacht. Da gilt offenbar auch Junckers Leitsatz für alle Politiker: „Wenn es ernst wird muss gelogen werden.“ Schmerzlich vermisse ich auch eine kritische Berichterstattung der Medien. Wer das beklagt, dem wird ideologisch an die Gurgel gegangen.
Entwicklungshilfe entmündigt
Viele Zeitgenossen bestreiten ihren Lebensunterhalt damit, dass sie anderen erzählen, sie wären um deren Wohl besorgt. Der ständige Ruf nach „Solidarität“ ist vor allem eine Forderung nach mehr Geld. Hunderttausende ausländische Helfer, deren berufliche Existenz von ihrer Hilfstätigkeit abhängt, verkaufen ihre Tätigkeit mit der Sorge um „die Menschen”. Der Möglichkeit, die Afrikaner zu paternalisieren, sind also keine Grenzen gesetzt. Die Versuchung, für andere zuerst Sorgen zu erfinden und diese dann durch Entmündigung der Umsorgten für diese zu lösen, ist einfach zu stark, als dass wir sie weiterhin ignorieren sollten. Hat man Afrikaner erst einmal als unmündig erklärt, lässt sich immer eine Einnahmequelle für die eigene Branche finden. Die Überschüttung der Entwicklungsländer mit Steuergeldern wird weiterhin als „Hilfe zur Selbsthilfe“ oder „Stärkung der Selbsthilfekräfte“ gerechtfertigt. Gerne wird dabei übersehen, dass fast alle mit staatlicher ausländischer oder privater Hilfe errichteten Projekte nicht mehr weitergeführt werden, wenn ausländische Subventionen versiegen. Entwicklungshilfe schafft Abhängigkeiten und lässt die Afrikaner Eigenverantwortung – die angeblich durch Entwicklungshilfe gestärkt werden soll – und eigene Anstrengungen verlernen.
Falsche Anreize fördern Massenflucht
Spätestens die Massenflucht aus Afrika müsste Anstoß für eine breitere öffentliche Auseinandersetzung mit den Gründen des Scheiters der Entwicklungshilfe sein. Die Entwicklungshilfegeber müssen endlich umdenken und künftig nur noch dort helfen, wo Regierungen Probleme selbst anpacken. Niemand kann Afrika retten und erneuern, außer den Afrikanern selbst. Andernfalls werden Migrationsbewegungen sowohl von Niedrig- als auch Hochqualifizierten in Zukunft zunehmen.
Das Problem ist, dass Migranten unterschiedslos und oft missbräuchlich unter dem Titel „Asyl“ einreisen. Afrikanische Sender verbreiten: Wer einmal in Deutschland ist, dessen Chancen sind bestens, dass er über das Asylsystem bleiben kann – egal, ob ein Asylgrund vorliegt oder nicht. Dadurch lässt sich die extreme Sogwirkung nach Deutschland erklären. Politisch Verfolgte sind aber unter den Flüchtlingen aus Afrika eine verschwindende Minderheit.
Mit großzügiger Arbeitsmigration nach Europa werden die Probleme Afrikas nicht gelöst. Mehrere Äußerungen von Politikern sind immer noch dazu angetan, den Zustrom weiter anschwellen zu lassen. Es geht selten um Fakten, es geht meist nur um die moralische Deutungshoheit. Wie sollen denn in den Herkunftsländern angemessene Zustände hergestellt werden, wenn die Aktivsten das Land verlassen? Wir bilden uns etwas auf unser Gutsein ein, doch die Herkunftsländer bluten aus. Es liegt nichts Gutes darin, wenn wir durch falsche Anreize leichtfertig illegale Migration fördern und die Menschen auf den Schlepperrouten sterben. Aber nicht derjenige obsiegt, der die Fakten auf seiner Seite hat, sondern derjenige, der Mitgefühl mobilisieren und seine Interessen geschickt organisieren kann. Interessen und Werte sollten in der Entwicklungshilfe keine Gegensätze darstellen.
Deutschland und die EU müssen unverzüglich einen mittelfristigen Plan entwickeln, um den hier gestrandeten Menschen eine Rückkehr in ihre Heimat zu ermöglichen. Es muss endlich einmal darüber diskutiert werden, warum die bisher verwandten Methoden nicht wirklich weiter geholfen haben. Im leblosen und sterilen Politikersprech waren die Maßnahmen dann nicht „zielführend“. Direkter und klarer ausgedrückt: sie waren nutzlos. Die Entwicklungsindustrie redet immer über Afrikaner und selten mit kritischen Afrikanern. Sie haben durchaus Vorstellungen über ihre eigene Entwicklung. Die Chance auf eine Neuorientierung und Kurskorrektur ist selten günstiger gewesen.
Afrikanische Autokraten übernehmen keine Verantwortung für die eigene Bevölkerung
Wir müssen den Entscheidungsträgern in Afrika mehr als bisher gehörig auf die Füße treten, damit sie mehr Verantwortung für ihre eigene Bevölkerung übernehmen. Warum fragt kein deutscher Politiker Afrikas Staatsführer, weshalb sie außerstande sind, Verantwortung für ihre Bevölkerung zu übernehmen? Vielen afrikanischen Autokraten ist es schlicht egal, ob ihre Bürger im Meer ertrinken. Die Afrikanische Union sah bislang keine Veranlassung, sich mit den Verhältnissen zu beschäftigen, die die Menschen zur Flucht Richtung Mittelmeer treiben.
Das Potential Afrikas kann sich nicht entfalten, wenn afrikanische Eliten nicht begreifen, dass Korruption, schlechtes Regieren und fehlende rechtsstaatliche Strukturen die Entwicklung des Kontinents gefährden. Die beste Art, Druck auf die Autokraten und die priviligierten Herrschaftsteilhaber auszuüben, ist, ihnen keine Visa mehr zu geben. Das trifft die Herren noch mehr als jede Kürzung von Entwicklungshilfe.
Über Länder-Patenschaften könnten einige der Fluchtursachen bekämpft werden. Auch würde sich Deutschland durch den Fokus auf einzelne Staaten, etwa im Trockengürtel des Sahel, aus dem die meisten afrikanischen Migranten stammen, bei seinen Hilfsaktionen weit weniger als bislang verzetteln. Wir sollten dabei nur Staaten unterstützen, die bereit sind, die eigene Regierungsarbeit und zentrale Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung wie etwa die berufliche Bildung und Familienplanung konsequent zu fördern. Die Verweigerung jeder öffentlichen Debatte über die verfehlte Entwicklungspolitik rächt sich jetzt für alle Beteiligten. Wir werden mit den Folgen dieser Politik mehr zu tun haben als uns lieb ist. Diese Nachlässigkeit der politischen Klasse bringt uns unter anderem mehr Flüchtlinge ins Land.
Tags: