Russen kesseln Ukrainer in Sjewjerodonezk ein

  14 Juni 2022    Gelesen: 729
 Russen kesseln Ukrainer in Sjewjerodonezk ein

Zunehmend erinnert die Situation im ukrainischen Sjewjerodonezk an das Drama von Mariupol. Eine Fabrik steht unter russischem Beschuss, zahlreiche Zivilisten scheinen von der Außenwelt abgeschnitten zu sein. Die Zerstörung der letzten großen Brücke in die Stadt verschärft die Lage nun zusätzlich.

Die russischen Invasionstruppen in der Ukraine haben nach Angaben des britischen Verteidigungsministeriums wohl erstmals seit Wochen kleinere Fortschritte im Bereich um die Millionenstadt Charkiw gemacht. Die hauptsächlichen russischen Angriffsbemühungen seien aber weiterhin auf den Kessel von Sjewjerodonezk gerichtet, hieß es in dem täglichen Geheimdienst-Update zum Ukraine-Krieg.

Nach der Zerstörung der letzten strategisch wichtigen Brücke nach Sjewjerodonezk gibt es nach ukrainischen Angaben für die Bewohner keinen Ausweg mehr aus der seit Wochen umkämpften Stadt. "Eine Evakuierung ist unmöglich", erklärte der Gouverneur der Region Luhansk, Serhij Hajdaj. Das ukrainische Militär teilte am Dienstag mit, russische Truppen versuchten, im Zentrum der Stadt Fuß zu fassen. Zugleich bereiteten sie Offensiven auf westlich von Sjewjerodonezk gelegene Städte wie Slowjansk vor.

Die Situation in Sjewjerodonezk habe sich extrem verschärft, erklärte Hajdaj auf Telegram. "Die Russen zerstören Hochhäuser und Azot", fügte er mit Blick auf das Chemiewerk in der Stadt hinzu. Nach früheren Angaben Hajdajs haben in den Bunkern der Anlage Hunderte Zivilisten Schutz gesucht. Die Situation erinnert an die Lage in der Hafenstadt Mariupol, wo Zivilisten wochenlang mit verwundeten ukrainischen Kämpfern in einem Stahlwerk ausgeharrt hatten.

Ein Sprecher der prorussischen Separatisten erklärte laut der russischen Nachrichtenagentur RIA, die ukrainischen Truppen seien in Sjewjerodonezk praktisch eingekesselt. Sie sollten sich ergeben oder sterben. Am Montag zerstörten russische Truppen die letzte Brücke, die Sjewjerodonezk über einen Fluss mit der von der Ukraine kontrollierten Zwillingsstadt Lyssytschansk verbindet. Die beiden Städte befinden sich in der Region Luhansk, die zusammen mit der Region Donezk den zuletzt besonders umkämpften Donbass in der Ukraine bildet.

Gouverneur: Waffentransport ist schwierig

Gouverneur Hajdaj hatte am Montag erklärt, dass mit der Juwilejnyj-Brücke im Süden von Sjewjerodonezk die letzte von drei Brücken zu der Stadt zerstört worden sei. Damit ist der Zugang nach Sjewjerodonezk abgeschnitten. Die im Südwesten befindliche Pawlograd-Brücke war erst am vergangenen Sonntag zerstört worden, die weiter nördlich liegende Proletarskyj-Brücke bereits im Mai.

Die Situation für die ukrainischen Truppen in Sjewjerodonezk sei hart, aber unter Kontrolle, obwohl 70 Prozent der Stadt in russischer Hand seien, sagte Gouverneur Hajdaj dem Sender Radio Free Europe/Radio Liberty. Es sei schwierig, Waffen oder Reserven zu liefern. "Schwierig, aber nicht unmöglich." Ein von Maxar Technologies veröffentlichtes Satellitenbild soll die von den russischen Streitkräften zerstörte Pawlograd-Brücke zeigen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte zuletzt gesagt, sein Land mache "unsere Partner täglich darauf aufmerksam, dass nur eine ausreichende Anzahl moderner Artillerie für die Ukraine unseren Vorteil sichern wird". Von Bundeskanzler Olaf Scholz forderte Selenskyj "die Sicherheit, dass Deutschland die Ukraine unterstützt".

Nach Einschätzung britischer Regierungsexperten passt sich Russlands Rüstungsindustrie dank Finanzierung durch den Kreml langsam an die Nachfrage durch den Ukraine-Krieg an. "Die Industrie könnte aber Schwierigkeiten haben, viele dieser Bedürfnisse zu decken, zum Teil wegen der Sanktionen und eines Mangels an Expertise", so die Mitteilung. Schwierigkeiten, Material zu ersetzen, dürfte Moskau vor allem im Bereich hochwertiger Optik und fortschrittlicher Elektronik haben, hieß es weiter.

Quelle: ntv.de, mbe/lwe/dpa/rts


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