Wie schlimm war die Frühlingswelle in Portugal?

  20 Juni 2022    Gelesen: 687
  Wie schlimm war die Frühlingswelle in Portugal?

Die Omikron-Subvariante BA.5 führt in Portugal im Mai zu sehr hohen Sieben-Tage-Inzidenzen, seit Anfang Juni sinken die Fallzahlen wieder rasch. Wie schlimm waren die Folgen und muss sich Deutschland vor einer möglichen Sommerwelle fürchten?

Weil die Omikron-Subvariante BA.5 nochmal deutlich ansteckender als ihre Vorgänger ist, kann sie erneut zu sehr hohen Inzidenzen führen - auch in den warmen Jahreszeiten. Das "beste" Beispiel dafür ist Portugal, wo die Sieben-Tage-Inzidenzen Ende April erneut deutlich nach oben gingen und Anfang Juni 2000 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner erreichten. Seitdem gehen die Fallzahlen steil bergab.

Weil BA.5 und weitere neue Subvarianten inzwischen auch in Deutschland zu steigenden Inzidenzen führen, ist ein Blick auf die Folgen der Frühlingswelle in Portugal interessant. Haben die vielen Infektionen auch zu vielen schweren Erkrankungen geführt, die in Kliniken oder gar auf Intensivstationen behandelt werden mussten und müssen? Sind in Portugal in den vergangenen Wochen viele Menschen an Covid-19 gestorben und welche Bevölkerungsgruppen sind besonders gefährdet?

BA.5 dominiert

Dass BA.5 für die aktuelle Welle in Portugal verantwortlich ist, zeigt der aktuelle Bericht des Gesundheitsministeriums, der für die erste Juni-Woche einen Anteil der Subvariante an den Neuinfektionen von rund 85 Prozent angibt. Am 19. April zählte das Land noch rund 325 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche, zwei Wochen später waren es bereits mehr als doppelt so viele. Am 3. Juni erreichte die Welle mit einer Inzidenz über 2000 ihren Höhepunkt.

Seitdem haben sich die Fallzahlen halbiert und die Tendenz zeigt steil nach unten. Die tatsächlichen Fallzahlen dürften angesichts einer immer noch sehr hohen Test-Positivrate zwar noch wesentlich höher sein. Allerdings liegt die Reproduktionszahl (Rt) stabil unter 1, was den Abwärtstrend bestätigt.

Nur wenige Infizierte müssen ins Krankenhaus

Entgegen einiger Befürchtungen hat sich BA.5 in Portugal nicht als gefährlicher als vorangegangene Varianten erwiesen. Das Verhältnis zwischen der Zahl der hospitalisierten Fälle und der gemeldeten Infektionen betrage 0,10, was auf einen geringeren Schweregrad als bei den Infektionen Anfang des Jahres hindeute, heißt es im Bericht der Gesundheitsbehörde.

Die Hospitalisierungen haben zwar insgesamt in der Frühlingswelle stark zugenommen und erreichten zum Höhenpunkt knapp 2000 Covid-19-Patienten. Doch die Lage auf den Intensivstationen blieb durchgehend entspannt und näherte sich nie dem kritischen Wert von 255 Patienten. Am 13. Juni lagen rund 1900 Infizierte in Krankenhäusern, knapp 100 von ihnen mussten intensiv versorgt werden. Das entspricht einem Minus von 5 beziehungsweise 9 Prozent zur Vorwoche.

Erhöhte Mortalität

Harmlos war die Frühlingswelle allerdings nicht, sie habe zu einer höheren Sterberate geführt als sie üblicherweise zu dieser Jahreszeit zu erwarten sei, schreibt die portugiesische Gesundheitsbehörde. Am 13. Juni betrug sie laut Bericht etwa 54 Todesfälle pro 100.000 Einwohner innerhalb von 14 Tagen, normal seien 20. Damit hat die Mortalität fast die Höhe des vergangenen Februar erreicht, liegt aber noch weit unter der verheerenden Winterwelle Anfang 2021 als sie fast 375 Todesfälle erreichte.

Zu verdanken hat dies Portugal neben der etwas harmloseren Omikron-Variante vermutlich vor allem hohen Impfquoten. Rund 87 Prozent der Gesamtbevölkerung sind doppelt geimpft, knapp 63 Prozent der über 18-Jährigen haben eine dritte Dosis erhalten.

Impfungen schützen vor allem über 80-Jährige

Entscheidend ist, dass laut European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) mit einer Quote von 96,5 Prozent fast alle sehr alten Menschen geboostert sind. Denn die Auswertung des portugiesischen Gesundheitsministeriums hat ergeben, dass das Risiko nach einer Infektion ins Krankenhaus zu müssen seit April für über 80-jährige Ungeimpfte beziehungsweise Einmal-Geimpfte bei 12,2 Prozent liegt. Nach zwei Impfungen sinkt das Risiko auf 9,4 und nur 3,1 Prozent der Geboosterten werden schwer krank.

Noch deutlicher ist der Unterschied bei der Gefahr für die über 80-Jährigen, an Covid-19 zu sterben. Mit einer oder keiner Impfung erwischt es 9,5 Prozent der Infizierten, zwei Dosen senken das Risiko auf 5 Prozent und nur 1,7 Prozent starben seit April nach der dritten Spritze.

Dass die Mortalität trotzdem signifikant gestiegen ist, könnte daran liegen, dass sich die Portugiesen vergleichsweise früh impfen ließen, die Schutzwirkung der Vakzine also möglicherweise schon deutlich nachgelassen hat.

Deutschland könnte besser vorbereitet sein

Für Deutschland bedeuten die Lehren aus Portugal, dass die Belastung der Krankenhäuser bei ähnlich hohen Inzidenzen etwas stärker als dort ausfallen könnte. Der Altersmedian beider Länder ist mit 45,8 und 45,9 (Deutschland) praktisch gleich hoch. Hierzulande sind aber nur knapp 80 Prozent der über 60-Jährigen geboostert. In Sachsen sind es kaum 72, in Brandenburg nur 73 Prozent. Am besten steht Schleswig-Holstein mit rund 91 Prozent da, auch Bremen ist mit einer Auffrischungsquote bei den über 60-Jährigen von 88,5 Prozent gut vorbereitet.

Wichtig wäre, zu wissen, wie es um den Schutz der über 80-Jährigen steht. Hier sind die Quoten der vierten Impfung ein Anhaltspunkt, da sie vor allem sehr alten Menschen empfohlen wird. Deutschlandweit haben sie bisher 19,2 Prozent der über 60-Jährigen erhalten. In Sachsen ist dies nur bei 6,2 Prozent der über 60-Jährigen der Fall, in Thüringen bei 6,9 Prozent. Schleswig-Holstein kommt dagegen auf 39 Prozent, Bremen auf 32 Prozent.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach rechnet in diesem Sommer mit relativ hohen Inzidenzen, sieht aber keinen Grund zur Panik. Im Fall der Omikron-Varianten verlaufe die Krankheit milder als bei Varianten vom Delta-Typ. Zudem seien viele Menschen geimpft oder genesen, sagte er vergangenen Freitag.

Quelle: ntv.de


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