Den russischen Truppen mangelt es nach britischer und US-amerikanischer Einschätzung im Angriffskrieg gegen die Ukraine an Infanterie und Offiziersnachwuchs. Der Krieg habe erhebliche Auswirkungen auf die russische Personalstärke, teilte das Verteidigungsministerium in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit. Schätzungsweise 25.000 russische Soldaten sind nach britischen Angaben seit Beginn des Krieges am 24. Februar in der Ukraine gefallen.
Der Kreml scheut bisher jedoch eine Mobilmachung - auch aus Sorge vor sozialen Unruhen. Dem US-Thinktank Institute for the Study of War (ISW) zufolge plant der Kreml eine russlandweite Rekrutierungskampagne, der sich auch der tschetschenische Machthaber Ramsam Kadyrow angeschlossen hat. Kadyrow hatte die Regionalgouverneure in Russland am Mittwoch dazu aufgefordert, nicht auf den Kreml zu warten und stattdessen eine "Selbstmobilisierung" zu veranlassen.
Laut ISW dürfte diese Umstellung des Rekrutierungssystems zwar die Nationalisten besänftigen, aber keine große Anzahl kampffähiger Truppen hervorbringen. Zwar unterstützten mehrere Gouverneure den Aufruf Kadyrows - darunter auch Sergey Nosov, der Gouverneur der Verwaltungsregion Magadan und Mitglied der Kreml-Partei "Einiges Russland". Doch die Möglichkeiten in den Regionen seien begrenzt, so Nosov laut "The Insider". "Wir haben keine Militäreinheiten, wir haben nur ein Rekrutierungsbüro. Es wird schwer möglich sein, ein qualitativ hochwertiges Kampftraining zu organisieren."
Ausbildung für Kadetten verkürzt
Auch die Rekrutierung von Sträflingen durch den Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin weist laut britischer Einschätzung auf die akute Personalnot in der russischen Armee hin. "In dem Video betont Prigoschin, dass er nur 'Kämpfer für Angriffstruppen' suche", so das Ministerium. Die Kampagne laufe mindestens seit Juli. Gefangenen würden Strafnachlässe und Geld geboten. Zudem kürzten russische Militärakademien die Ausbildungskurse für Kadetten und zögen Abschlusstermine vor. "Dies geschieht mit ziemlicher Sicherheit, damit Kadetten eingesetzt werden können, um die Operation in der Ukraine zu unterstützen", heißt es.
Prigoschin gilt als Chef der für ihre Brutalität berüchtigten "Wagner"-Söldner. Wer nicht wolle, dass in dem Konflikt private militärische Firmen und Gefangene eingesetzt würden, der solle seine eigenen Kinder an die Front schicken, soll Prigoschin russischen Medien zufolge zu dem Video gesagt haben. Damit tritt er Forderungen von kremlkritischen Bloggern entgegen, die seit Längerem eine Generalmobilmachung fordern, um ausreichend Reservisten für den Krieg in der Ukraine zu haben.
Quelle: ntv.de, jug/dpa
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