"Ein Raubtier auf Ketten" - so nennt die Bundeswehr den "Leopard-2", einen der modernsten Kampfpanzer der Welt. Er kann bis zu fünf Kilometer entfernte Ziele treffen. Und das auch nachts dank eingebautem Laserentfernungsmesser und Wärmebildgerät. Außerdem kann er durch bis zu vier Meter tiefe Gewässer fahren.
Die Ukraine würde den "Leopard-2" gerne haben, weil er den russischen Panzern technisch überlegen ist. Die Bundesregierung will sie aber nach wie vor nicht liefern. Kanzler Scholz und die SPD stellen sich seit Monaten quer. Polen und Finnland wollen "Leopard"-Panzer an Kiew abgeben. Das geht aber nur, wenn Deutschland als Hersteller-Land zustimmt. Insgesamt besitzen 13 Länder 2000 "Leopard"-Panzer aus deutscher Produktion, unter anderem auch Österreich oder Spanien.
Und selbst wenn die Genehmigung schnell käme: sofort könnten die Panzer nicht in die Ukraine geschickt werden. Der deutsche Rüstungskonzern Rheinmetall bräuchte ein knappes Jahr, um sie fit zu machen. "Rheinmetall hatte im April 2022 schon angeboten, 40 Leopard instand zu setzen. Diese hätten im Juni 2022 schon lieferbereit gestanden", sagt der Politikwissenschaftler Thomas Jäger bei ntv.
Kampfpanzer aus Großbritannien und Frankreich
Mehrere Länder haben Kampfpanzer versprochen: Als erstes Land will Großbritannien in den kommenden Wochen die Ukraine mit 14 "Challenger-2"-Kampfpanzern unterstützen. Ein laut Rheinmetall schwer gepanzertes und mobiles Kettenfahrzeug, das für die britischen Streitkräfte im Irak, in Bosnien und dem Kosovo im Einsatz war.
Frankreich will innerhalb von zwei Monaten AMX-Spähpanzer liefern. Das sind Kampfpanzer, die leichter zu manövrieren sind als schwerere Panzer. Die USA wollen etwa 50 Bradley-Schützenpanzer abgeben. Das sind zwar keine Kampfpanzer, sie gelten aber als stark genug, um es mit russischen Panzern aufnehmen zu können.
Panzer wie diese können die ukrainischen Soldaten dringend gebrauchen. Die meisten Militärexperten sagen, dass die Ukraine vor allem schweres Kriegsgerät benötigt, um den Krieg gegen Russland zu gewinnen.
"Kampf der verbundenen Waffen"
Kampfpanzer allein bringen aber gar nicht so viel. Wichtig sei das Zusammenspiel der verschiedenen Waffen, sagt Rafael Loss, Experte für Sicherheits- und Verteidigungspolitik beim Think-Tank European Council on Foreign Relations, im ntv-Podcast "Wieder was gelernt". "Das realisieren die Ukrainer auch ganz gut, dass man Panzer nicht allein vorschicken kann, um die Front zu durchstoßen, dass da immer Infanterieunterstützung, immer Artillerieunterstützung, immer Aufklärung und idealerweise noch Luftunterstützung dabei sind, um dann auch die eigenen Verluste zu minimieren."
Die Strategie, die der Ukraine schon mehrmals bei der Rückeroberung von Gebieten im Nordosten geholfen hat, ist der "Kampf der verbundenen Waffen". Bei dieser Taktik arbeiten alle Truppengattungen zusammen, von Panzern über Artillerie bis zu Aufklärungsdrohnen. "Die ukrainischen Streitkräfte haben bereits in Charkiw und in Cherson zum Teil gezeigt, dass sie entlang dieser Philosophie agieren und gemeinsam die Teilstreitkräfte, die Organisationsbereiche, die verschiedenen Waffengattungen wirken lassen, um auf russische Angriffe zu reagieren", sagt der Verteidigungsexperte.
Russland selbst wende diese Strategie nicht an, sagt Rafael Loss. "Wenn man sich anschaut, wie die russischen Streitkräfte zum Beispiel im vergangenen Frühjahr vorgegangen sind, als sie ganze Panzerkolonnen ohne Infanterieunterstützung, ohne Aufklärung durch Ortschaften und in Städte geschickt haben, die dann dort zerschossen wurden, dann ist das genau das, was man nicht machen soll."
Artilleriegeschütze, Handfeuerwaffen, Hubschrauber
Die Artillerie spielt eine Hauptrolle im Ukraine-Krieg. Kanonen, Haubitzen oder Mehrfachraketenwerfer: die ukrainische Armee braucht Massen an Waffen und Munition. Immer genügend Nachschub zu haben, ist entscheidend für den Kriegsverlauf.
Was die Truppen jetzt vor allem bräuchten, seien moderne Artilleriegeschütze, Handfeuerwaffen, Hubschrauber und Flugzeuge, weiß Experte Loss. "Der Stabschef der ukrainischen Armee hat dem Nachrichtenmagazin Economist im Dezember ein Interview gegeben, in dem er beschrieben hat, welche materiellen Erfordernisse er sieht, um die russische Invasion auf den Stand des 23. Februar 2022 zurückzudrängen. Er spricht davon, dass dafür ungefähr 300 Panzer, 600 bis 700 Schützenpanzer und etwa 500 Haubitzen notwendig wären." Das schließe nur die Landstreitkräfte ein.
Altes sowjetisches Kriegsmaterial sei mittel- bis langfristig in der Ukraine ein Auslaufmodell, sagt Rafael Loss. Den Truppen gehen Munition und Ersatzteile aus. Bei den sowjetisch produzierten und modernisierten Kampfpanzern aus Polen oder Tschechien zum Beispiel. Die beiden Länder hatten der ukrainischen Armee T-72-Panzer zur Verfügung gestellt. Westliche Waffen müssten diese Lücke so bald wie möglich füllen.
Großteil der Waffen ständig in Wartung
Dazu kommt das Verschleißproblem im täglichen Kampf. Schützenpanzer, Mehrfachraketenwerfer oder Hubschrauber werden beschädigt, zerstört oder vom Gegner erbeutet.
Ein größerer Teil der Waffen ist ständig in der Werkstatt. "Es gibt Berichte, dass zu jedem Zeitpunkt ungefähr ein Drittel bis die Hälfte der Artillerie der Ukraine in der Instandsetzung ist, also nicht zum Feuerkampf zur Verfügung steht", sagt Rafael Loss im Podcast. Vor allem Artillerierohre etwa könnten bei starker Nutzung schnell kaputtgehen.
Bei den Panzern ist üblicherweise etwa ein Drittel der Panzer während eines Kampfes in der Wartung, heißt es von der französischen Denkfabrik Ifri. Die Ukraine brauche mehr Geschütze und auch Munition, schlussfolgert der Experte. "Da ist der Westen noch nicht hinterher, eine Rate zu produzieren, die sich dem Verbrauch der Ukraine annähert."
Neue Offensiven werden vorbereitet
Und der Verbrauch an Waffen könnte noch steigen, wenn Russland seine geplante nächste Mobilisierungswelle startet, und noch mehr Soldaten in die Ukraine schickt. Rafael Loss glaubt, dass der Krieg noch mehrere Jahre dauern wird. Auch die NATO geht davon aus, dass sich Kremlchef Wladimir Putin auf einen langen Krieg vorbereitet.
Er sieht zwei Bereiche, in denen der Westen die Ukraine langfristig noch stärker mit Waffen unterstützen könnte. "Das ist dann zum Beispiel die sehr weitreichende Raketenartillerie. Da haben sich vor allem die USA bislang zurückgehalten, konkrete Zusagen in Richtung Ukraine zu machen. Und im Bereich der Luftstreitkräfte. Bislang gab es wenig Diskussionen im Westen, ob man die ukrainische Luftwaffe tatsächlich auch mit westlich produzierten Flugzeugen ausstatten soll", so Loss im "Wieder was gelernt"-Podcast.
Mehrere Experten gehen davon aus, dass sich die Ukraine und Russland auf neue Offensiven vorbereiten. Dort könnten die neuen westlichen Kampfpanzer, möglicherweise auch der "Leopard-2", schon eine Rolle spielen. Panzer würden allerdings erst im Frühjahr wichtig werden, hat Politikwissenschaftler Markus Kaim bei ntv gesagt. Wenn der Winter vorbei - und das Wetter wieder besser ist.
Quelle: ntv.de
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