Kanadas Geldgigant klebt am heimischen Ölsand

  05 Mai 2023    Gelesen: 841
  Kanadas Geldgigant klebt am heimischen Ölsand

Unberührte Natur und endlose Weiten - das ist das vorherrschende Bild von Kanada. Es gibt jedoch auch eine schmutzige Seite. Keine andere Bank hat im vergangenen Jahr mehr Geld in die fossile Industrie gepumpt als das größte Geldhaus des Landes. Das ist kein Zufall.

673 Milliarden US-Dollar haben die 60 größten Banken der Welt vergangenes Jahr in fossile Brennstoffe wie Öl, Erdgas und Kohle investiert. Das geht aus dem Bericht "Banking of Climate Chaos" hervor, in dem eine Gruppe von Umweltschutzorganisationen Finanzdatenbanken ausgewertet hat. Die Gesamtsumme war zwar geringer als noch 2021, die Studie führt das aber auf die veränderte Weltlage zurück. Weil viele große Energiekonzerne durch den Ukraine-Krieg Rekordgewinne auf Öl und Gas erwirtschaften konnten, hätten sie weniger Kredite benötigt.

Doch vor allem eine Bank fällt aus der Reihe. Die Royal Bank of Canada hat der fossilen Industrie im vergangenen Jahr Kredite über 42,1 Milliarden US-Dollar bewilligt - und damit entgegen dem Branchentrend etwas mehr als im Jahr zuvor, als es noch 40,4 Milliarden US-Dollar waren.

Richard Brooks, einer der Initiatoren des Berichts, bezeichnet die Royal Bank of Canada als größten Finanzier dieser Geschäfte deshalb als die "schmutzigste Bank der Welt". Der gesamten kanadischen Finanzindustrie verpasst er in der "Financial Times" das Label "Kreditgeber der letzten Instanz", denn die Royal Bank of Canada ist kein Einzelfall: Auch die Scotiabank aus Toronto finanziert besonders viele schmutzige Projekte.

Wälder, Seen und Tagebaue

Tatsächlich lockt das zweitgrößte Land der Welt nicht nur mit riesigen Gebirgen, Waldflächen und Seenlandschaften, sondern auch mit Ölsand, der vor allem in der kanadischen Provinz Alberta ein schmutziges Milliardengeschäft ist. Denn wenn Ölkonzerne das Quarzgemisch, das auch als Teersand bekannt ist, abbauen, schädigt das die Umwelt noch deutlich mehr als konventionelle Ölförderung. Die Tagebaue dafür beanspruchen riesige Flächen Land, ihre CO2-Bilanz ist miserabel, der Wasserverbrauch immens.

Doch viele kanadische Banken stören sich nicht daran. Sie investieren dort, wo es anderen zu schmutzig geworden ist, sagt Katrin Ganswindt von der Umweltorganisation Urgewald, die am "Banking of Climate Chaos"-Bericht mitgewirkt hat. "Der Abbau von Ölsand gehört zu den dreckigsten Fördermethoden, die es gibt. Investitionen in den Bereich werden von verschiedenen europäischen Banken zumindest auf Projektebene ausgeschlossen, vereinzelt auch auf Firmenebene", sagt Ganswindt. Bei kanadischen Banken sei jedoch kein Rückgang bei der Kreditvergabe zu beobachten.

Eine Tatsache, die nicht wirklich zum kanadischen Image passt. Und doch hält sich die Regierung beim Klimaschutz eher zurück, sagt Finanzwirtschaftler Gregor Weiß von der Universität Leipzig. "Dass das Geschäft mit Ölsand in manchen Bereichen noch ausgebaut wird, ist eigentlich aus der Zeit gefallen, aber wohl dem fehlenden politischen Druck geschuldet". Weiß nennt die gesetzlichen Klimavorgaben für den Energiesektor "relativ weich".

"Nationale Champions" halten zusammen

Davon profitiert die Royal Bank of Canada. Ihre wichtigsten Ölsand-Kunden sind die staatliche Vermögensverwaltung Canada Development Investment Corporation und der Energieriese Enbridge. Energie- und Finanz-Campaignerin Ganswindt von Urgewald spricht von einem nationalen Zusammenhalt. "Die 'nationalen Champions' unter den Unternehmen werden häufig auch von den großen Banken des Landes finanziert. Da gibt es dann vielleicht mal kritische Nachfragen, aber selten ein Wegdrehen."

Wie schmutzig das Geschäft der Royal Bank of Canada ist, zeigt eine Studie des Finanzunternehmens Profundo. Demnach wurden von 2016 bis 2022 für jeden Dollar, der in Erneuerbare-Energie-Projekte gesteckt wurde, 99 Dollar in fossile Brennstoffe investiert. Der Chef der Bank, David McKay, sieht das Problem nicht bei sich. Er behauptet, dass es schlicht an ausreichend erneuerbaren Projekten fehlt, in die seine Bank investieren könnte. Zudem würden geopolitische Spannungen und die steigenden Lebenshaltungskosten einen kurzfristigen Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung erschweren.

Harter Ausstieg nicht umsetzbar

Für Finanzwirtschaftler Weiß ist das aber nur die halbe Wahrheit. Auch er hält ein abruptes Ende der fossilen Investitionen für nicht umsetzbar: Allein im Ölsandabbau von Alberta arbeiten 140.000 Menschen, deren Existenz auf dem Spiel stehen würde, denn ein Kreditembargo würde nicht nur die großen Ölfirmen, sondern auch zahlreiche Zulieferer treffen. Deswegen vollziehen etwa deutsche Banken einen schrittweisen Ausstieg und stellen zum Beispiel besonders umweltbelastende Neugeschäfte ein. "So weit scheinen die kanadischen Banken aber noch nicht zu sein, weil das dort so ein großes Geschäft ist", sagt Weiß.

Ein großes Geschäft, das die Royal Bank of Canada offenbar so lange wie möglich ausreizen will. Trotz teils massiver Proteste von Klimaaktivisten und Indigenen, deren Land von Tagebauen und Pipelines durchzogen ist. Bei der Hauptversammlung haben Anfang April nur 17 Prozent der Aktionäre dafür gestimmt, Emissionsziele bis 2030 festzulegen. Für den Vorstand eine gute Nachricht, denn die kanadischen Wettbewerbsbehörden ermitteln bereits gegen wegen mutmaßlich irreführender Angaben zur Klimabilanz der Royal Bank of Canada. Die schmutzigste Bank der Welt weist diese Anschuldigungen zurück.

Quelle: ntv.de


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