Jeep präsentiert den Grand Cherokee für Europa

  19 Mai 2023    Gelesen: 635
  Jeep präsentiert den Grand Cherokee für Europa

Jeep Grand Cherokee, wo bist du? Nachdem der neu entwickelte und durchaus elegant anmutende Offroader zwar schon 2021 auf den Markt gebracht wurde, sucht man ihn hierzulande bisher vergebens. Doch jetzt soll es losgehen - und ntv.de durfte ans Steuer.

Kaum zu glauben, aber wahr: Als ich die Hotelpforte durchschreite und nach rechts blicke, steht dort eine ganze Armada neuer Jeep Grand Cherokee. Wobei neu ja relativ ist. Vorgestellt wurde das Auto bereits vor rund zweieinhalb Jahren. Doch keine Chance in Europa - die US-Kunden haben die Bestände des "WL", so heißt die jüngste Grand-Cherokee-Ausführung offiziell, leergekauft. Aber nun hat das Warten ja ein Ende.

Und dennoch müssen Grand-Cherokee-Fans ganz stark sein: Europa verzichtet auf den ikonischen Achtzylinder. Der große Offroader kommt nicht einmal mit einem Sechszylinder zu uns, nein, es ist ein Plug-in-Hybrid mit vier Zylindern. Kein Fluchen hilft und auch kein Jammern. Ich muss da jetzt einsteigen und los. Jeep muss doch gewusst haben, dass das Trauer auslöst, ein bisschen jedenfalls. Sachliche Zahlen sollen diese Trauer nun abmildern. So leistet der 2.0 4xe mit 380 PS ganze 16 PS mehr als die V8-Version (in den USA gibt es sie ja). Na ja, und der offizielle Spurtwert von 6,3 Sekunden bis 100 km/h ist jetzt auch nicht so übel.

Bei elektrischer Reichweite könnte Jeep noch drauflegen

Komm, was soll's. Da wird jetzt eingestiegen und gefahren. Der dicke Jeep mit seinen jetzt stattlichen Abmessungen (4,91 Meter lang und 1,97 Meter breit) rollt elektrisch los, weil die Jungs und Mädels aus dem Serviceteam seinen 17-kWh-Akku prall geladen haben. Damit soll er sogar den berühmten Rubicon Trail rein elektrisch schaffen, verspricht Jeep. On-road sind es gemittelt maximal 48 Kilometer (WLTP) - klingt praktisch, reicht aber nicht für 0,5 Prozent Dienstwagensteuer. So schleiche ich mit 145 Elektro-PS zunächst lautlos aus der Stadt. Damit allein ist der 2,5-Tonner gut motorisiert, man verspürt keinen Drang, die Kurbelwelle rotieren zu lassen. Wobei, irgendwie doch. Aber nicht aus Notwendigkeit, sondern aus Neugierde. Wie klingt der Vierzylinder überhaupt?

Als das erste Stück Landstraße auftaucht, lasse ich das rechte Pedal tiefer tauchen. Ich will, dass dieser Zweiliter endlich anspringt. Ich lade nicht durch, weil ich denke, dass er noch kalt ist und möchte ihm in diesem Zustand keine Höchstleistung abverlangen. Der Plan geht auf, das Turbomotörchen springt an. Klingt nicht ganz so plärrig wie gedacht, die Akustiker haben wohl ordentlich gedämmt. Irgendwann lasse ich den Brocken auch mal energischer anschieben. Selbst im oberen Drehzahlbereich bleibt der Direkteinspritzer kultiviert, das muss man schon sagen.

Aber er dennoch: Ich vermisse den sonoren Achtzylinder. Trauer abmildern klappt also nicht so gut, wenngleich dieser Hybrid-Antrieb nicht schlecht funktioniert. Will heißen, auch das Zusammenspiel des Verbrenners mit Achtgangautomatik und Stromer entpuppt sich als grundsätzlich harmonisch. Dass prompte Leistungsanforderung (vor allem, wenn man sofort viel davon haben möchte) je nach Situation auch mal eine Gedenksekunde erfordern kann, soll an dieser Stelle gar nicht ausgeschlossen werden. Aber alles im grünen Bereich.

Ich will am liebsten gar nicht mehr über den Antriebsstrang nachdenken und mich stattdessen an der neuen Armaturenlandschaft erfreuen. Sieht alles viel edler aus als früher. Es gibt reichlich Holzdekor und viel Monitor - quasi die architektonische Realität von Tradition und Moderne. Kritische Naturen können jetzt meckern, dass die Umsetzung an der einen oder anderen Stelle nicht ganz so wertig gelungen ist wie beim hiesigen Premiumwettbewerb. Aber da muss man für ein vergleichbares Produkt auch 15.000 oder 20.000 Euro mehr auf den Tisch legen - so viel Fairness wäre schon angebracht.

Ob die Bedienung als intuitiv bezeichnet werden darf, mag subjektiv sein. Vielleicht ist die Bezeichnung des einen oder anderen Menüpunktes auch nicht ganz so sauber formuliert. Fein ist jedenfalls, dass es einen Shortcut für das Deaktivieren der Spurvibration gibt. Und dann baggert der Ami auch noch mit ziemlich abgefahrenem Kram, den es bisher nur selten gibt. Vergiss das Head-up-Display, ist natürlich auf Wunsch ebenso an Bord wie Bildschirme im Fond, um die Kiddies ruhigzustellen. Aber dann entdeckt man, dass der Beifahrer ja auch noch auf ein Display (1790 Euro) blickt und damit während der Fahrt hantieren kann. Irgendwie cool.

Der große Jeep ist das automobile Schweizer Taschenmesser

Und der jüngste Grand Cherokee ist wieder einmal die automobile Ausführung des Schweizer Taschenmessers. Maximal komfortabel und optional luftgefedert flauscht man in ausladenden Fauteuils gebettet über ebenfalls maximal unebene Fahrbahnen. Diese sind übrigens stets klimatisiert, was im Sommer einen Komfortgewinn darstellt.

Wer sich wirklich in richtig schwergängiges Geläuf traut, sollte zur Ausstattungslinie "Trailhawk" greifen. Hier kann der Querstabilisator an der Vorderachse elektrisch entkoppelt werden, um beste Verschränkung zu ermöglichen, was wiederum die Traktion auf unwegsamem Terrain erhöht. Elektronische Sperre an der Hinterachse, massiver Unterfahrschutz sowie ein Verteilergetriebe mit Geländereduktion sind Features, die den Grand Cherokee äußerst geländetauglich machen. Falls sich mal ein Gewässer in den Weg stellen sollte - sofern dieses nicht tiefer als 61 Zentimeter ist, bitte einfach durchfahren. Und knapp 28 Zentimeter Bodenfreiheit sprechen auch nicht gerade gegen die Fähigkeit, kraxeln zu können.

Jeep wäre natürlich nicht Jeep, wenn die Techniker keinen Kurs präpariert hätten, auf dem der Offroader zeigen muss, was er kann. Verschränkung, Steigung und Geröll - macht er wie aus dem linken Handgelenk geschüttelt zur Not auch mit Geländetempomat. Einfach Geschwindigkeit einstellen und rollen lassen. Dass soll aber jetzt keine Einladung an Anfänger sein, sich an gefährlichen Felshängen entlangzuhangeln, wo immer man die auch finden mag.

Also lieber wieder den realistischen Szenarien zuwenden und einen Blick auf die praktischen Skills werfen. Mit 2004 Litern Kofferraumvolumen wird aus dem Grand Cherokee ein ordentlicher Transporteur auch für Gepäck. Bei der Anhängelast sollte der Hersteller unbedingt noch einmal nachsteuern. Denn 2,3 Tonnen sind für diese Kategorie eindeutig zu wenig. Und auch das Argument Plug-in-Hybrid kann hier nicht zählen - der Wettbewerb schafft es ja auch. Ansonsten ist der neue, gefällig gezeichnete Jeep Grand Cherokee eine Empfehlung wert. Zumal sein Preis durchaus heiß ist.

Quelle: ntv.de


Tags:


Newsticker