Brisante Umfrage: Warum die Iraker ihre Befreier fürchten

  13 April 2016    Gelesen: 476
Brisante Umfrage: Warum die Iraker ihre Befreier fürchten
Die Terrororganisation "Islamischer Staat" beherrscht große Teile des Irak. Die meisten Bürger lehnen die Dschihadisten ab. Doch viele fürchten auch die Milizen, die sie vom IS befreien könnten.
Das irakische Meinungsumfrageinstitut IIACSS hat in den vergangenen Monaten landesweit Iraker zur Sicherheitslage in ihrem Land befragt. Die Wissenschaftler interviewten Menschen in allen 18 Provinzen - auch in der Stadt Mossul, die von der Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS) beherrscht wird. Die Ergebnisse der Erhebung, die das Institut nun in der "Washington Post" veröffentlicht hat, sind bemerkenswert.

Fast alle befragten Iraker lehnten den IS entschieden ab: 99 Prozent der Schiiten und 95 Prozent der Sunniten. Doch darüber, wie die Terrormiliz bekämpft werden soll, gehen die Meinungen auseinander.

Im Kampf gegen den IS setzt Bagdad vor allem auf ethnische und religiöse Milizen. Denn die irakische Armee allein ist noch zu schwach, um gegen die Dschihadisten vorzugehen. An der geplanten Offensive gegen die Stadt Mossul, die seit Juni 2014 vom IS beherrscht wird, sollen schiitisch-islamistische Milizen ebenso wie die kurdischen Peschmerga teilnehmen.

Doch diese Strategie bereitet offenbar vielen sunnitischen Irakern Bauchschmerzen. Und um sie geht es: Denn der IS hat sich im Irak vor allem in mehrheitlich arabisch-sunnitischen Gebieten festgesetzt.

In der Umfrage sagten 93 Prozent der befragten Sunniten, dass es ihnen Sorgen bereitet, wenn schiitische Milizen in mehrheitlich sunnitischen Gebieten im Irak eingesetzt werden. Warum? 42 Prozent glaubten, dass die schiitischen Milizen Racheakte an den Einheimischen verüben könnten. 31 Prozent sagten, dass dies Iran erlauben würde, seinen Einfluss im Irak auszuweiten. Iraks schiitische Milizen werden von Teheran massiv unterstützt.

Die befragten arabischen Sunniten misstrauten auch der kurdischen Peschmerga-Miliz. 46 Prozent glaubten, dass die Peschmerga das Land, das sie vom IS erobern würden, nicht an die irakische Regierung zurückgeben, sondern selbst besetzt halten würden. 41 Prozent glaubten, dass die Peschmerga Araber misshandeln würden.

Der Vielvölkerstaat Irak driftet weiter auseinander

Die Umfrage legt offen, wie unterschiedlich die Wahrnehmung im Irak je nach Konfession und Ethnie mittlerweile ist. So bereitete es beispielsweise nur sieben Prozent der befragten Schiiten Sorgen, wenn schiitische Milizen in mehrheitlich sunnitische Gebiete einrücken. Der Kampf gegen die Dschihadisten lässt den Vielvölkerstaat weiter auseinanderdriften.

Iraks 2014 abgesetzter Premierminister Nuri al-Maliki hatte das Landzunehmend konfessionell polarisiert. Mit seinem brutalen Vorgehen gegen die Proteste sunnitischer Iraker hatte er der Propaganda des IS in die Hände gespielt. Seitdem ist es seinem Nachfolger Haider al-Abadi offenbar nicht gelungen, die Gräben zu schließen.

91 Prozent der befragten Sunniten glaubten nicht daran, dass die Regierung alle Iraker gleich behandelt würde unabhängig von Konfession und Ethnie. Auch 60 Prozent der Schiiten gaben an, dass sie nicht den Eindruck hätten, alle Iraker würden gleich behandelt.

Die Befragten wurden nach dem Zufallsprinzip ausgesucht - basierend auf den Daten der Bevölkerungszählung von 2010 - und in persönlichen Gesprächen befragt. Insgesamt wurden 1500 Iraker im Januar und Februar 2016 interviewt. Die Fehlerspanne geben die Wissenschaftler mit 2.5 Prozent an.

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