Das Attentat auf Reker einen Tag vor ihrer Wahl zur Kölner Oberbürgermeisterin wird seit dem heutigen Freitag vor Gericht aufgerollt. Der 44-jährige arbeitslose Anstreicher ist wegen versuchten Mordes angeklagt. Damit droht ihm lebenslange Haft. Der Prozess findet im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf statt.
Reker leidet auch ein halbes Jahr nach der Attacke noch an den Folgen und wird weiter behandelt. Sie tritt als Nebenklägerin auf und soll in zwei Wochen als Zeugin aussagen.
Heimtücke und niedere Beweggründe?
"Der Angeklagte hatte sich entschlossen, die Geschädigte zu töten", sagte der Vertreter der Bundesanwaltschaft. Frank S. habe Reker "völlig überraschend" angegriffen und wahllos auf weitere Menschen eingestochen, vier wurden verletzt. Die Bundesanwaltschaft sieht die Mordmerkmale der Heimtücke und der niederen Beweggründe damit erfüllt. Der Angeklagte habe als Motiv die aus seiner Sicht insgesamt verfehlte Politik in Deutschland genannt, besonders in der Ausländerfrage.
Reker war vor der Bürgermeisterwahl als Sozialdezernentin für die Unterbringung der Flüchtlinge in Köln zuständig. "Er wollte verhindern, dass sie zur Oberbürgermeisterin gewählt wird", sagte einer der Ankläger. Frank S. war nach der Bluttat noch am Tatort festgenommen worden. Die parteilose Politikerin wurde lebensgefährlich verletzt und lag während ihrer Wahl an die Stadtspitze im künstlichen Koma.
Verteidiger Christof Miseré kritisierte das Verfahren als politischen Prozess: "Würde es sich hier nicht um eine Politikerin in gehobener Position handeln, hätte ich keine Zweifel daran, dass mein Mandant nur wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt würde und nicht wegen versuchten Mordes." Die Vorsitzende Richterin Barbara Havliza wies dies zurück: "Der Senat führt keine politischen Prozesse."
"Ich habe auch die `taz` gelesen"
Details seiner älteren Straftaten wollte der Angeklagte nicht nennen. Nach Aussage eines Gerichtssprechers seien die Vorstrafen nach Fristablauf bereits "getilgt" und dürften nicht mehr herangezogen werden. Mitglied der inzwischen verbotenen rechtsextremen Freiheitlichen Arbeiterpartei Deutschlands (Fap) sei er nie gewesen, habe aber Kontakt zu Fap-Mitgliedern gehabt, sagte der Angeklagte. Die Partei sei ihm zu rückwärtsgewandt gewesen.
Er habe aber an zwei Gedenkmärschen für den Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß teilgenommen. Dabei handelt es sich um Aufmärsche von Neonazis. "Ich war nie Nazi", sagte der Angeklagte dennoch. "Ich würde mich als wertkonservativen Rebell bezeichnen." Im Gefängnis sei er von Mitgefangenen aber als Nazi eingestuft und angegriffen worden.
S. beschrieb sich auch als "freiheitsliebenden Menschen", der "für Jeden offen" sei und kritisch auf die gesellschaftlichen Zustände blicke. Er habe zwar "rechte Sachen gelesen", sagt er vor Gericht, aber auch die linke Berliner Zeitung "taz".
Er sei in einer Pflegefamilie in "schwierigen Verhältnissen" aufgewachsen - mit Schlägen und Essensentzug. Mit 18 Jahren sei er aus der Familie geworfen worden, als die Zahlungen des Jugendamts eingestellt worden seien. Weil er zur Nachprüfung den Freigang aus dem Gefängnis nicht erhalten habe, habe er die Ausbildung als Maler und Lackierer nicht abschließen können. Um die Gewaltspirale in Bonn zu beenden, sei er nach seiner Haftentlassung nach Köln gezogen.
Quelle: n-tv.de , chr/AFP/dpa
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