Überflieger Hyundai Ioniq 5 sticht die meisten aus

  22 November 2023    Gelesen: 861
  Überflieger Hyundai Ioniq 5 sticht die meisten aus

Retro-Mittelklasse von Hyundai auf Steroiden ohne Nebenwirkungen, gibt es das? Der Konzern zeigt mit dem Ioniq 5 N, wie es geht und erstürmt den Gipfel automobiler Spaßkultur rein elektrisch. Aber auch den der Verkaufshitparade? Das wäre noch zu beweisen. ntv.de hat bereits vorgefühlt.

Ich tu jetzt einmal so, als würde ich den Hyundai Ioniq 5 überhaupt nicht kennen. Als wüsste ich gar nicht, dass unter dem eigenwillig, aber durchaus attraktiv geformten Blech kein - wie manche sagen - "seelenloses" Elektroherz schlummerte, sondern womöglich ein Verbrenner. Okay.

Ich steige erstmals ein in den völlig umgetarnten Ioniq 5 N, so wie er demnächst zum Kunden rollen wird, und drücke den Startknopf. Ich traue meinen Ohren kaum, aber läuft da etwa der Motor? Am Drehzahlmesser kann ich das jedenfalls ablesen und die virtuelle Nadel auf der linken Bildschirmseite (Kombiinstrument) zittert leicht nervös. Per rechtem Pedal kann ich die Drehzahl hochjagen im Leerlauf, zumindest klingt es so. Crazy. An den vielen Einstellungen fummle ich jetzt nicht herum mangels Zeit, ich fahre stattdessen los.

Weiß der Himmel, was irgend jemand voreingestellt hat, aber dieser Ioniq 5 klingt echt verdammt gut. Also, die erste Runde hat mich aus der Millionenmetropole Seoul raus in ländliche Gebiete geführt. Korea ist zwar recht dicht besiedelt, aber auf dem Land geht es noch halbwegs staufrei zu. Allerdings finde ich zwar Landstraßen, die schön kurvig sind, aber dafür nur 60 km/h erlauben.

Hyundai hat jedoch vorgesorgt. Vermutlich kennt der hier einheimische Konzern die Knöllchenpreise genauestens und lässt uns Journalistentrupp gleich los auf den Korea International Circuit. Hier kann man sich wenigstens austoben ohne Ticket-Gefahr. Also, los gehts mit einer Einführungsrunde und danach wird es ernst. Volle Last und kurz vor der Kurve den Anker werfen. Der 650 PS starke Allradler mit Sperrdifferenzial zur Erhöhung der Traktion zuckt kurz mit dem Heck, das Stabilitätsprogramm hat es jedoch eingefangen, bevor es einen Schwenk machen konnte. Und wieder aufs Neue: Volle Power bis zur Kehre. Weder seine 2,2 Tonnen Leergewicht noch die drei Meter Radstand merkt man dem 4,72 Meter langen Gefährt an. Dann bremsen und herunterschalten, kurz quer und wieder volle Kraft voraus.

Moment, wie war das? Herunterschalten? Ja, ganz genau. Der Ioniq 5 N schaltet. Natürlich hat er kein Getriebe, aber die Elektronik tut eben so. Und zwar simuliert sie mit dem (ziemlich authentischen) Geräusch genau das, was auch ein Verbrenner tun würde. Und zwar auch inklusive der entsprechenden Zugkraftunterbrechung. Selbst das kleine Turboloch, das ein aufgeladener, kleinvolumiger Vierzylinder hätte, wird nachempfunden. Ganz ehrlich, wer nicht weiß, dass es sich um ein batterieelektrisches Auto handelt, würde diesen Ioniq glatt für einen Verbrenner halten. Kein Wunder, dass Hyundai sich getraut hat, den Hobbyracer vor der Fahrpremiere bereits auf dem Festival of Speed in Goodwood zu präsentieren.

Zehn Lautsprecher sorgen für Musik, aber anders als gedacht

Zehn Lautsprecher (zwei davon außen) haben die Techniker montiert, um dem Stromer einen echt wirkenden Verbrenner-Sound zu bescheren. Braucht man das? Nö, aber es macht zugegebenerweise schon Spaß. Chefingenieur Albert Biermann hat sich die Zeit genommen, um das Auto höchstpersönlich zu erklären, falls Fragen auftauchen. Und derer gibt es eine ganze Menge. Schließlich wissen Technikfans, wie schwierig es ist, Stromern die Peakleistung möglichst lange Zeit zu entlocken. Wenn ein Verbrenner mit 650 PS beziffert wird, liefert er diese, solange Kraftstoff im Tank ist. Der Elektromotor tut das nicht, was auch Biermann selbstverständlich weiß. Die thermische Belastung bei solch hohen Dauerströmen an der Batterie ist brutal. Allerdings hat sein Team den Ioniq 5 N auf dem Nürburgring abgestimmt und getestet. Die Maxime lautet: 20 Minuten fahren und 20 Minuten laden muss der Stromer aushalten, ohne zu degradieren. Das gilt es natürlich noch auszuprobieren.

Freilich haben die Hyundai-Tüftler so einige Dinge am Ioniq 5 überarbeitet, um ihn fit zu machen für den Track. Aero, Bremssystem, Fahrwerk - alles angefasst. Der straff, aber nicht brutal hart federnde Mittelklässler gibt elektronisch begleitende Drift-Hilfe, falls der Fahrer das möchte. Aber driften mit dem bissigen elektrischen Antrieb will gelernt sein, da legen selbst Profis mal ungewollte Dreher hin. Eine besonders leistungsfähige Bremsanlage mit modifizierter Kühlung vermag sogar, im ABS-Regelbereich noch zu rekuperieren.

Um länger mit hoher Leistung fahren zu können, bekommt das N-Modell eine verbesserte Batteriekühlung. Es gibt einen "Drag"- sowie einen "Track"-Mode, um den Akku für jeweils verschiedene Ansprüche zu konditionieren. Die maximale Power sowie dann 770 Newtonmeter Drehmoment stehen zehn Sekunden in der Boost-Funktion zur Verfügung. Und an der Optik erkennt selbst der Nicht-Profi, dass hier kein normales Modell von der Stange steht. Dieses würde kaum einen solch gewaltigen Diffusor benötigen. Aufdringlich ist der N andererseits aber nicht, man kann sich mit ihm Blicken lassen. Der Performer fällt gegenüber der Basis zwei Zentimeter niedriger und fünf Zentimeter breiter aus.

Mit 800 Volt und 84-kWh-Akku alltagstauglich

Ich lasse die erste Fahrt später noch eine Weile ausklingen in den Recycling-Alcantara-Sportsesseln mit den XXL-Wangen für maximalen Seitenhalt. Spiele ein bisschen herum an den Renn- und Sound-Modi - man kann schließlich unterschiedliche Motorengeräusche aus den Boxen ertönen lassen. Gut, hier wird man in Zukunft noch ein paar Stündchen mit verbringen müssen, um komplett durchzusteigen.

Ach, und natürlich verfügt auch der aktuell stärkste Ioniq über das 800-Volt-System. Somit lässt sich der 84-kWh-Akku binnen 18 Minuten (die Peak-Ladeleistung dürfte sich irgendwo bei 240 Kilowatt einpendeln) wieder auf 80 Prozent Ladestand bringen. Vermutlich wird das öfter der Fall sein, wenn man die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 260 km/h häufiger nutzt sowie das Beschleunigungsvermögen von 3,4 Sekunden bis 100 km/h im N Grin Boost.

So viel Highpower-Elektroauto bekommt man für den Gegenwert von geschätzt knapp unter 80.000 Euro derzeit jedenfalls nirgends. Genaue Preise kommuniziert Hyundai noch nicht, aber allzu weit entfernt vom Schwestermodell Kia EV6 GT (das allerdings zahmer ist) dürfte der stärkste Ioniq 5 nicht liegen.

So ist das eben, wenn man einen Chefentwickler hat, der mal für die BMW M GmbH tätig war. Die ersten Ioniq 5 N werden voraussichtlich im Februar 2024 auf Deutschlands Straßen rollen.

Quelle: ntv.de


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