Das Treffen Orbáns und Kohls wird zu einer politischen Leuchtrakete, die eine möglichst breite Sichtbarkeit ihrer Attacke gegen Merkels Flüchtlingspolitik garantieren soll. Die Frage ist, wessen Idee der Coup wohl war. Es war Kohl, schreiben die Medien fast einstimmig. Das stimmt aber so wahrscheinlich nicht. Zwar war es Kohl, der den Besuch bekannt gab. Aber es war Orbán, der die Idee hatte.
Die beiden Politiker verbindet seit mehr als 20 Jahren gegenseitige Wertschätzung. Orbán, so sagt ein Insider, „hat Kohls Machtinstinkt immer bewundert“. Als er 1998 zum ersten Mal Regierungschef wurde, reiste er zuerst zu Kohl. „Um ihn zu fragen, wie man das denn machen muss, regieren“, erinnerte er sich im vergangenen Jahr. Und so ließ Orbán bei Kohl anfragen, ob er am 19. April kurz vorbeischauen dürfe, denn er sei ohnehin in der Gegend. Kohl war einverstanden. Dann rief seine Frau die „Bild“-Zeitung an, und Kohl gab ein Interview, in dem er den Besuch an die große Glocke hängte und eine Debatte provozieren wollte.
Abhängig von Berlin
Orbán mag es recht sein, denn er teilt Kohls Ansichten. „Beide sind einigermaßen entsetzt darüber, was aus Kohls CDU geworden ist“, sagt eine Quelle in der ungarischen Regierung. Kohl setze mit der Inszenierung der Orbán-Visite ein Zeichen: Etwas weniger Merkel und etwas mehr Orbán, so die Botschaft, täte der CDU gut. Für Orbán ist die linker gewordene CDU ein Problem für seine rechte Politik. Ihm ist klar, dass Ungarn tief in den europäischen Strukturen steckt und so abhängig ist von Berlin, dass er allein gegen den Merkel-Mainstream schlechte Karten hat. Insofern versucht er, gezielt auf die Öffentlichkeit einzuwirken.
Zu Orbáns Einflussmitteln gehören symbolträchtige Besuche wie etwa bei CSU-Chef Horst Seehofer. „Besuche bei Seehofer sind Attacken gegen Merkel“, heißt es in der ungarischen Regierung. Der Besuch bei Kohl sei auch so ein Schachzug. Aber im Gegensatz zu Seehofer seien Visiten bei Kohl auch „ein Bemühen um Vermittlung“.
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