Zerrüttetes Bündnis

  21 April 2016    Gelesen: 563
Zerrüttetes Bündnis
Um den Euro zu retten, hat Berlin mit der Europäischen Zentralbank einen Pakt geschlossen. Wird er aufgekündigt?
Wolfgang Schäuble und Mario Draghi hätten sich keinen symbolträchtigeren Ort für ihr Krisentreffen aussuchen können. Mehr als zwei Stunden saßen die beiden am vergangenen Freitag im Restaurant "1789" in Washington zusammen, um sich bei Entenbrust an Farnkraut auszusprechen. 1789 – das war das Jahr, in dem in Paris Tausende Bürger in Richtung Bastille marschierten und die Französische Revolution begann.

Eine echte Revolution steht zwar derzeit nicht an, aber etwas Ähnliches. Um die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, haben sich Draghi und Schäuble einst auf einen Deal eingelassen: Der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB) stimmt seine Pläne mit der deutschen Bundesregierung ab, im Gegenzug verzichtet diese auf Kritik an den höchst umstrittenen Maßnahmen der Notenbank.

Dieser Pakt ist nicht schriftlich fixiert, es gibt für ihn auch keine offizielle Bestätigung, schon weil Absprachen zwischen unabhängigen Notenbanken und gewählten Regierungen in Europa nicht üblich sind. Doch Insider bestätigen seine Existenz. Wenn die Führungsriege der EZB an diesem Donnerstag in Frankfurt zusammenkommt, um den geldpolitischen Kurs für die kommenden Wochen festzulegen, dann wird es auch um die Frage gehen, ob das Treffen in Washington den Anfang vom Ende des ungewöhnlichen Bündnisses markiert.

Dabei kommen der mächtigste Finanzminister und der mächtigste Notenbanker auf dem Kontinent persönlich gut miteinander klar. Draghi bewundert Schäubles lebenslangen Einsatz für ein geeintes Europa, und Schäuble weiß, wie schwierig die Lage für die EZB ist, die ein einheitliches Zinsniveau für die gesamte Euro-Zone festlegen muss, obwohl die wirtschaftliche Lage in Griechenland eine vollkommen andere ist als in Deutschland.

Schäuble ist aber auch davon überzeugt, dass Draghi zu weit gegangen ist. Als altgedienter Politfuchs spürt er, dass sich aus den Minizinsen in Europa politisches Kapital schlagen lässt, weil die Sparer um ihre Altersversorgung bangen. Die CSU fordert mit Blick auf den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr bereits einen "Richtungswechsel" und will sich dafür einsetzen, dass Draghis Nachfolger aus Deutschland kommt. Die CSU fordert auch sonst vieles, aber sie verleiht in diesem Fall einer weitverbreiteten Stimmung Ausdruck – zumal auch Banken und Versicherer unter dem niedrigen Zinsniveau leiden und deshalb eine Kampagne für höhere Zinsen auf den Weg gebracht haben, die den Unmut verstärken dürfte. Das ist der Hintergrund für Schäubles umstrittene Bemerkungen, die EZB sei mit schuld am Erfolg der AfD.

Dabei war Draghi bislang für die Bundesregierung ein nützlicher Verbündeter. Er hat schließlich mit seiner Ankündigung, den Euro um jeden Preis zu verteidigen, für Ruhe an den Finanzmärkten gesorgt. Dadurch konnte es sich die Koalition leisten, ihrerseits auf unpopuläre Maßnahmen zur Stabilisierung der Währungsunion wie eine einheitliche europaweite Finanzpolitik zu verzichten. Das erklärt, warum Angela Merkel sich öffentlich hinter Mario Draghi stellte und Schäuble die EZB verteidigte, als diese sich vor dem Bundesverfassungsgericht verantworten musste.

Doch die akute Phase der Krise ist längst vorbei. Mit Ausnahme von Griechenland sind die Schuldenländer nicht mehr auf direkte Finanzhilfen ihrer Partner angewiesen. Und anders als noch vor zwei oder drei Jahren könnte Deutschland mit höheren Zinsen gut leben. Damit ändert sich das Kosten-Nutzen-Kalkül, zumal in einer Zeit, in der die Bereitschaft zur Solidarität schon durch die Flüchtlingskrise strapaziert wird.

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