Der Merkel-Deal funktioniert. Doch die Zerreißprobe droht

  21 April 2016    Gelesen: 774
Der Merkel-Deal funktioniert. Doch die Zerreißprobe droht
In Griechenland kommen plötzlich immer weniger Migranten aus der Türkei an. Die EU-Kommission freut sich. Aber das Abkommen mit Ankara könnte schon bald Probleme mit sich bringen.
Brüssel paradox: Einerseits zeigt der EU-Flüchtlingsdeal mit der Türkei Wirkung, weil die Zahl der Flüchtlinge, die auf illegalem Weg nach Griechenland kommen, drastisch sinkt. Andererseits gerät die gesamte Vereinbarung zwischen Brüssel und Ankara immer mehr in schweres Fahrwasser: Die türkische Regierung drängt auf Visumfreiheit für 80 Millionen Türken ab Juni.

"Falls nicht, kann natürlich niemand erwarten, dass die Türkei sich an ihre Verpflichtungen hält", sagte der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu. Damit deutet er an, dass Ankara die Schleusen für Flüchtlinge nach Europa bald auch wieder öffnen kann und zugleich keine Migranten aus Griechenland mehr zurücknimmt.

In EU-Diplomatenkreisen heißt es übereinstimmend, es sei "ausgeschlossen", dass die türkische Regierung bis Mai alle 72 Bedingungen "vollständig erfüllen" wird, die für Visumfreiheit notwendig sind. Verwiesen wird beispielsweise auf die immer noch unzureichende Datenschutzgesetzgebung und Mängel bei der Ausstellung biometrischer Reisepässe. Trotzdem erwarten EU-Diplomaten, dass die Europäische Kommission am 4. Mai grünes Licht für ein Ende der Visumpflicht geben wird.

Aus Sicht Brüssels sind aber bisher offenbar erst 19 Bedingungen erfüllt. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos sagte: "Es kann keine Visumliberalisierung angeboten werden, wenn nicht alle Bedingungen erfüllt sind." Der EU-Abgeordnete Markus Ferber (CSU) warnte: "Es kann nicht sein, dass wir wegen türkischer Erpressungsversuche diese Entscheidung durchs Parlament peitschen müssen."

Schleuser lohnen sich nicht

Erfolge gibt es aber bei der Umsetzung der Vereinbarungen. In ihrem ersten Bericht nach der Rücknahmevereinbarung für Flüchtlinge, die seit dem 20. März in Kraft ist, sprach die EU-Kommission von "guten Fortschritten" bei der Umsetzung. "In den drei Wochen vor Anwendung der EU-Türkei-Erklärung kamen 26.878 Menschen auf den griechischen Inseln an – in den drei danach gab es 5874 irreguläre Ankünfte". EU-Kommissionsvizechef Frans Timmermans sagte: "Die Botschaft dringt durch, dass es die falsche Entscheidung ist, sich Schleusern anzuvertrauen." Die Kommissionsbehörde forderte die Türkei auf, bei der Rückführung der Flüchtlinge "sicherzustellen, dass diejenigen, die internationalen Schutz brauchen", diesen auch erhielten.

Unterdessen sind die Pläne für einen gemeinsamen Küsten- und Grenzschutz in Europa auf einem guten Weg. Sie könnten bereits im Sommer verabschiedet werden, hieß es in Brüssel. Allerdings sollen die Grenzschützer nun doch nicht in Krisensituationen gegen den Willen eines Landes entsandt werden. Darüber wollen am Donnerstag auch die EU-Innenminister beraten. Der slowakische Innenminister Robert Kalinák kündigte seine Unterstützung für die Pläne an.

Der "Welt" sagte: "Den Einsatz der EU-Grenzwache nehmen wir nicht als Intervention wahr, sondern als solidarische Hilfe gegenüber einem Mitgliedstaat, der sich in einer Krisenlage befindet". Ein wirkungsvoller Schutz der EU-Außengrenzen sei für alle Mitgliedstaaten von Bedeutung, so Kalinak weiter. Es sei nur wichtig , dass "die primäre Verantwortung" für den Grenzschutz bei dem jeweiligen Mitgliedsland liege.

Mit Blick auf die Bereitstellung von Grenzpolizisten aus einzelnen Mitgliedsländern zur Umsetzung des EU-Flüchtlingspakts mit der Türkei sagte Kalinak: "Wir sind bereit unseren Beitrag zu leisten, so wie wir es auch während der jetzigen Krise getan haben. Im Zusammenhang mit dem Abkommen zwischen der EU und der Türkei haben wir den vierthöchsten Beitrag zur Verfügung gestellt".

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