Grundeinkommen: Gleiches Geld für alle - das Experiment

  21 April 2016    Gelesen: 808
Grundeinkommen: Gleiches Geld für alle - das Experiment
Was geschieht, wenn Menschen Geld bekommen - genug zum Leben, ohne Bedingung, jahrelang, einfach so? Werden sie faul oder erst richtig aktiv? In Kürze startet ein Feldversuch in Kenia.
Wenn jemand Geld bekommt, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen - hört er dann ganz auf zu arbeiten? Oder wird er vielmehr eine Tätigkeit aufnehmen, die er mag und die ihn erfüllt, aber vielleicht nicht gut genug bezahlt wird, um davon zu leben?

Wird er möglicherweise sogar investieren und die Wirtschaft damit stärken?
Über die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens wird immer wieder heiß diskutiert, aktuell zum Beispiel in Finnland, Kanada, Holland und in der Schweiz . Gegner und Befürworter kämpfen ähnlich erbittert für ihre Sicht. Wirkliche Fakten aber kann keine Seite vorweisen.

Die US-Spendenorganisation GiveDirectly will das ändern und noch 2016 mit einem Experiment im großen Stil beginnen: Sie wird 6000 Menschen in Kenia ein monatliches Grundeinkommen zahlen, genug zum Überleben, für mindestens zehn Jahre. Bedingungen für die Empfänger: keine.

Auszahlung auf Mobiltelefonen

Die vier Gründer von GiveDirectly kennen sich von den US-Universitäten Harvard und MIT, an denen sie wirtschaftliche Entwicklung studierten - und nach der effizientesten Möglichkeit suchten, Armut zu bekämpfen. Am meisten Erfolg schienen Direktzahlungen zu versprechen. Der wachsende Markt für Handy-Zahlsysteme, gerade in vielen Ländern Afrikas, erweiterte die Möglichkeiten.

Das Vorurteil, dass gerade die Ärmsten ausgezahltes Geld (im Unterschied zu Sachleistungen) vor allem in Alkohol oder Zigaretten investieren, ist neueren Studien zufolge nicht nur unbegründet , es ist auch kontraproduktiv.

Denn gerade die Ärmsten nutzen Geld offenbar viel besser , als es ihnen gemeinhin zugetraut wird. Spendenorganisationen weltweit gehen deshalb mehr und mehr dazu über, Bedürftigen Geld statt Sachleistungen zu geben. Selbst Uno-Generalsekretär Ban Ki Moon hat sich jüngst für Direktzahlungen als Standardmethode ausgesprochen , um Menschen in Krisensituationen zu helfen.

2009 gründeten die Studenten GiveDirectly als eine Art privaten Spendenkreis, zwei Jahre später öffneten sie die Organisation. Schon im Dezember 2012 zahlten sie an erste zufällig ausgewählte Menschen in kenianischen Dörfern einen durchschnittlichen Jahreslohn - direkt auf deren mobile Konten, ohne Bedingung. Die Ergebnisse waren ermutigend.

Das Silicon Valley ist mit an Bord

Für Kenia sprechen auch bei dem neuen Vorhaben mehrere Gründe: Kenia hat ein gut funktionierendes System von Finanztransfers für Mobiltelefone. Mit M-Pesa können Handybesitzer über ein elektronisches Guthaben verfügen - ein Geldtransfer ist denkbar einfach.

Natürlich geht es auch um die Finanzierbarkeit, sagte einer der GiveDirectly-Gründer, Michael Faye, zu SPIEGEL ONLINE: "Es gibt einige interessante Projekte in den Industrieländern, aber die deutlich niedrigeren Lebenshaltungskosten in Ostafrika ermöglichen es, unser Pilotprojekt auf einen wirklich langen Zeitraum anzulegen."

Das Experiment kann mit der verhältnismäßig kleinen Summe von rund 30 Millionen Dollar verwirklicht werden. In den USA würde das Projekt fast eine Milliarde Dollar kosten.

Das Geld soll auch von privaten Spendern kommen. "Wir werden die ersten zehn Millionen Dollar an Spenden um die gleiche Summe aufstocken", verspricht Faye. "Wir hoffen, dass wir eine breite Koalition von Unterstützern zusammenbringen können - auch Unternehmen."

Die Verbindungen in das Silicon Valley sind gut. Viele dort sind dem Grundeinkommen gegenüber aufgeschlossen. Im Vorstand der Organisation sitzen unter anderem der Facebook-Mitgründer Chris Hughes und die Chefin von Googles karitativem Arm Google Giving , Jacquelline Fuller.

GiveDirectly wird das Projekt in mehreren kenianischen Dörfern durchführen, voraussichtlich mit unterschiedlich hohen Zahlungen. Sicher ist nur: Innerhalb einer Gemeinschaft wird jeder die gleiche Summe erhalten, egal wie arm er ist und egal, ob der Nachbar weniger oder mehr Geld hat.

"Wir wissen wenig über die Wirkung"

Begleitet wird das Experiment unter anderem vom renommierten indischen Wirtschaftswissenschaftler Abhijit Banerjee. Die Initiatoren wollen die Wirkung genau dokumentieren, anders als das in einem ähnlichen, aber deutlich kleineren und nur auf kurze Zeit angelegten Projekt in Namibia der Fall war. Dazu werden Mitarbeiter vor Ort auch vergleichbare Dörfer beobachten, deren Bewohner kein Grundeinkommen beziehen.

Von der wissenschaftlichen Begleitung erhoffen sich die Initiatoren Antworten auf viele Fragen. Die Idee werde seit Jahrzehnten diskutiert, sagt Faye. "Aber obwohl es viele Hinweise auf den positiven Effekt von Direktzahlungen gibt, wissen wir wenig über die Wirkung eines Grundeinkommens." Zwar geht es GiveDirectly vor allem um die Bekämpfung extremer Armut, aber auch Industrieländer könnten von den Ergebnissen profitieren.

So wird Faye das Projekt Anfang Mai auf der Konferenz "Future of Work" in Zürich vorstellen, bei der es um die Frage geht, wie Sozialsysteme im Zeitalter der Industrie 4.0 gestaltet werden sollen. Die fortschreitende Automatisierung und Digitalisierung bedroht Millionen Arbeitsplätze . Prominente Redner wie der Twitter-Investor Albert Wenger, der US-Gewerkschafter Andrew Stern, der Grundeinkommensaktivist Daniel Häni oder der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis werden darüber diskutieren, welche Möglichkeiten ein Grundeinkommen bietet.

Die Ergebnisse aus Kenia dürften die Debatte in den kommenden Jahren stark beeinflussen, hofft GiveDirectly-Mitgründer Paul Niehaus: "Im besten Fall wird es weltweit das Denken darüber ändern, wie Armut beendet werden kann."

Zusammengefasst: Die US-Spendenorganisation GiveDirectly will in einem Experiment testen, wie ein bedingungsloses Grundeinkommen wirkt. 6000 Menschen in Kenia sollen monatlich Geld ohne Gegenleistung bekommen, für mindestens zehn Jahre. Davon erhofft sich die Organisation auch eine größere Akzeptanz für die Idee des Grundeinkommens.

Quelle : spiegel.de

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