Russen gelingt Durchbruch - Ukraine überrascht

  27 November 2024    Gelesen: 490
  Russen gelingt Durchbruch - Ukraine überrascht

Im Südosten der Ukraine zeichnet sich abseits des Kursk-Vorstoßes und der Debatte um weitreichende Waffen eine drohende militärische Katastrophe ab: Südlich von Pokrowsk gelingt russischen Truppen an unerwarteter Stelle ein größerer Durchbruch. Kann die dritte Verteidigungslinie der Ukrainer dem Ansturm standhalten?

Im Krieg in der Ukraine geraten die Verteidiger massiv in Bedrängnis: Südwestlich von Donezk ist es den russischen Truppen in den vergangenen Tagen gelungen, wichtige Abwehrstellungen der Ukrainer zu überrennen und umfangreiche Geländegewinne zu erzielen.

Ein Blick auf die Lagekarte offenbart das Ausmaß des russischen Vorstoßes. Bei den Gefechten im Südosten hat sich der Frontverlauf binnen kurzer Zeit um bis zu 20 Kilometer ins ukrainisch gehaltene Hinterland verschoben.

Der Großangriff aus dem Raum Wuhledar traf die Ukrainer offenbar an unerwarteter Stelle. Russische Stoßtruppen rückten aus der Umgebung der Bergbaustadt nicht nach Norden, sondern Richtung Westen vor. Russische Angriffsspitzen stehen übereinstimmenden Berichten zufolge bereits kurz vor der Stadtgrenze von Welyka Nowosilka. Die Schlacht um die Ortschaft stehe kurz bevor, heißt es.

Der Name der Kleinstadt klingt vertraut: Überregionale Bekanntheit erlangte Welyka Nowosilka im vergangenen Jahr im Zusammenhang mit der ukrainischen Sommeroffensive. Von dort aus setzte ab Juni 2023 eine der drei ukrainischen Angriffsachsen Richtung Süden an, nur um wenige Kilometer südlich im russischen Sperrfeuer zu scheitern. Wuhledar wiederum war erste Ende September nach monatelangen Kämpfen in russische Hände gefallen.

Die russischen Erfolge deuten auf größere Probleme in den ukrainischen Reihen hin. Die Stellungen der Verteidiger sind nach zweieinhalb Jahren offenbar ausgedünnt oder vom russischen Dauerbeschuss zermürbt. Starke Kräfte der Ukrainer sind zudem in den Abwehrkämpfen vor Pokrowsk gebunden. Wenig hilfreich erscheint aus diesem Blickwinkel, dass in der Region Kursk kampfstarke Einheiten der Ukrainer auf russischem Boden kämpfen.

Südlich der Stadt sind ukrainische Verbände zudem im drohenden Kessel von Kurachowe von der Einschließung bedroht. "Der Feind stürmte bis in die Außenbezirke der Stadt vor", hieß es zuletzt im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs. Die Angreifer versuchen demnach, auch die letzten verbliebenen Nachschubwege unter Beschuss zu nehmen. Russland, heißt es aus Kiew, versuche, die "Verteidigung zu durchbrechen".

Durch den russischen Angriff auf Welyka Nowosilka ist für die Ukrainer am linken Flügel des russischen Zangenangriffs auf Kurachowe ein neuer akuter Krisenherd entstanden. Die neue Bedrohung wirkt für die Ukraine gefährlich: An keiner anderen Stelle der mehr als 1000 Kilometer langen Front kommen russische Truppen derzeit so rapide voran wie bei Welyka Nowosilka.

Erwartbar wäre gewesen, dass sich die russischen Anstrengungen in der Region zunächst auf die Frontausbuchtung bei Kurachowe konzentrieren und jenen Kessel mit einem Angriff von Wuhledar aus Richtung Norden schließen. Mit dem Vorstoß nach Westen Richtung Welyka Nowosilka ergibt sich für die militärische Führung in Kiew jetzt jedoch ein womöglich sehr viel größeres Problem.

Die russische Operationsplanung könnte darauf abzielen, die sogenannte dritte Verteidigungslinie der Ukraine südlich zu umgehen und anschließend parallel zur Saporischschja-Front hinter den ukrainischen Stellungen weiter nach Westen vorzustoßen.

Die Etappenstadt Pokrowsk gilt als eines der Bollwerke der dritten ukrainischen Linie. Westlich davon geht die hügelige und vergleichsweise gut zu verteidigende Donbass-Region in flaches Land über. In den offenen Feldern tauchen bis zum Dnipro kaum noch natürliche Hindernisse auf.

"Hinter Pokrowsk gibt es tatsächlich kaum noch Verteidigungsstellungen", gab der österreichische Militärexperte Markus Reisner im Gespräch mit ntv.de zu Bedenken. "Sollten es die Russen schaffen, dort wirklich durchzubrechen, kann es danach sehr schnell gehen. Dann können sie rasch die letzten knapp 150 Kilometer Richtung Westen vorrücken bis zum Ufer des Dnipro."

Quelle: ntv.de


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