Die Begegnung mit dem überarbeiteten Tesla Model Y könnte durchaus zu Verwirrungen führen. Vor allem, wenn das erste visuelle Zusammentreffen mit der Front erfolgt, sind fragende Gesichter durchaus wahrscheinlich: Welcher Marke gehört denn dieses Auto bitte an? Auf Tesla muss man erst einmal kommen, denn durchgängige Leuchtbänder kennt man von dem Hersteller bisher nicht. Der Tipp fällt eher auf einen chinesischen Newcomer. Dann noch schnell einen Blick auf das Heck geworfen. Hinten sieht der Tesla in der Tat traditioneller aus (trotz Leuchtbandes). Beim Erkennen des Fabrikats hilft allerdings der in großen Lettern installierte Schriftzug.
Wer Tesla kennt, erkennt den Mittelklässler aber auch ohne Identitätsangabe - innen sowieso, wo die zentrale Kommandoeinheit alias Touchscreen ein Eyecatcher bleibt. Und genau wie beim Model-S-Facelift legen die Fahrer die Fahrstufen jetzt auf dem berührungsempfindlichen Monitor ein. Fancy, aber nicht unbedingt zukunftsfest - was, wenn das Display mal ausfällt nach ein paar Jahren? Ach, mit dem Bremspedal lässt sich "D" auf Wunsch ja ebenfalls noch aktivieren. Nun denn.
Es geht vorwärts im Model Y Dual Motor
Nach so viel Theorie muss das SUV jetzt auch in der Praxis zeigen, was es kann. Beschleunigen jedenfalls schon mal ziemlich wild - vor allem in der Kombination Allrad mit größter Batterie. Wie groß diese ist? Sagt Tesla offiziell nicht. Wie stark der Antrieb ist? Auch hier müsste man raten oder sich inoffizieller Quellen bedienen. Das darf man ruhig albern finden, aber man muss damit leben. Immerhin beziffert Tesla den Standardsprint von 0 auf 100 Sachen - und zwar stehen 4,8 Sekunden im Raum.
Probiere ich aus. Nicht mit der Stoppuhr in der Hand, das wäre eh nicht unbedingt reproduzierbar ohne geeignete Referenzstrecke. Aber der Nackenmuskel-Test ist immer wieder witzig. Wie stark schlägt es das Haupt gegen die Kopfstütze oder wie heftig drückt es dich in den Sitz bei abrupt niedergedrücktem Fahrpedal? Ziemlich gewaltig, so viel kann man sagen. Und zwar derart heftig, dass der Allradler bei Erreichen von etwas über 200 km/h (bei 201 Sachen wird abgeregelt) sogar ein merkliches Bremsmoment aufbaut, das ein bisschen traurig stimmt. Vielleicht kommt ja noch ein Performance-Modell mit höherem Speed.
Schwamm drüber, für den Alltag langen das Toptempo und der Punch sowieso. Und ein paar Dinge haben sich mit dem Facelift auch verbessert, um den automobilen Alltag besser bestreiten zu können. Dass das Model Y nun deutlich leiser sein soll als zuvor, behauptet der Konzern - ob das in der Praxis so ist, lässt sich ohne Vergleich schwierig prüfen und ist ohne Referenz nicht unproblematisch. Aber der Federungskomfort hat sich definitiv deutlich verbessert, dank entsprechender Fahrwerksmodifikationen. Geradezu geschmeidig geht es inzwischen über holprige Strecken.
Gut ist auch, dass die Verantwortlichen inzwischen wieder davon absehen, bei der Aktivierung des Blinkers den konventionellen Pfad zu verlassen. Handelsübliche Lenksäulenhebel sind und bleiben eben praktisch. Zwei gut erreichbare Ladeschalen für das kabellose Füttern von Smartphones fallen ebenfalls positiv auf - aber die gab es früher auch schon. Neu hingegen: Tesla spendiert trotz weiterhin eher cleaner Innenarchitektur eine coole Ambientebeleuchtung in stylischen Farben. Bloß schießen die Techniker ein bisschen über das Ziel hinaus - denn bei Dunkelheit spiegelt sich die vordere LED-Leiste störend in der Windschutzscheibe.
Wo bleibt 800 Volt
Und was stört noch am Model Y, da ich schon im Meckermodus bin? Vielleicht, dass die ach so innovative Marke immer noch kein schnelles Laden auf Basis einer 800-Volt-Architektur anbietet. Denn in puncto Ladeperformance wird der Konkurrenzdruck in nächster Zeit steigen. Und auch preislich gerät Tesla langsam unter Zugzwang. Zwar gibt es die Grundvariante des Y bereits ab 45.970 Euro, und selbst die hat schon reichlich Leistung. Und Platz sowieso, denn mit 4,79 Metern Länge operiert der Ami am oberen Rand seines Segments. Und 2,89 Meter Radstand bürgen für ein luftiges Raumgefühl, insbesondere im Fond. Wo außerdem gibt es sonst schon über 2000 Liter Kofferraumvolumen? Allerdings schläft der Wettbewerb nicht und macht dem Model Y zunehmend das Leben schwerer.
Der Škoda Elroq beispielsweise ist zwar gar nicht so groß wie der hier besprochene Tesla, aber dennoch familientauglich - und das zu Preisen ab 33.900 Euro. Und nimmt man den hier besprochenen AWD mit maximaler Reichweite (586 Kilometer) als Vergleichskandidaten, könnte der Smart #5 ein gefährlicher Wettbewerber sein. Er ist mit 55.400 Euro zwar 1430 Euro teurer als der Tesla, übertrumpft diesen in der Ladeperformance aber gewaltig. Noch drastischer fällt der Vergleich mit dem Xpeng G6 aus - auch ein ladeperformanter 800-Volt-Kandidat zu Kursen ab 43.600 Euro.
Und mit der Effizienz des Model Y scheint es auch nicht so weit her. So monierte das Fachmagazin "Auto Bild" jüngst den im Rahmen eines Tests ermittelten Verbrauch von 24,9 kWh. Der Wert gehe zwar in Ordnung, heißt es. Aber Fakt ist schließlich ebenfalls, dass Tesla den Stromkonsum des 4x4 mit 15,3 kWh beziffert.
Unter dem Strich bildet Teslas Einsteiger-SUV freilich immer noch eine runde Offerte zum fairen Kurs. Aber die Angebotspalette am Markt wird breiter, während das Preisargument beim Tesla langsam verblasst. War das Model Y letztes Jahr noch das meistverkaufte Automodell weltweit, und zwar antriebsübergreifend (!), rutscht es in der Verkaufsstatistik ab, wie sich aktuell abzeichnet. Möchte Tesla sein Standing behalten, dürfte der Konzern kaum um echte Modellentwicklung mit substanziellen Innovationen herumkommen. Winzige kosmetische Eingriffe reichen dann nicht mehr. Doch wer weiß, vielleicht überrascht Tesla ja einmal mehr wie einst zu Beginn, als allein das Supercharger-Netz bereits eine Revolution war.
Quelle: ntv.de
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