Der Bierkonsum hat sich schon immer verändert. Früher trank der Deutsche Export, dann kamen Pils und Weißbier in den Kühlschrank. Doch das Angebot reizt die Leute immer weniger. Die Biermüdigkeit grassiert. In den 1980er-Jahren hat jeder Deutsche pro Kopf 151 Liter Bier im Jahr getrunken. Jetzt sind es noch 107 Liter. Ist das Reinheitsgebot an der Entwicklung mit schuld, weil es die Entstehung neuer Biere behindert? "Das Reinheitsgebot ist höchster Verbraucherschutz", glaubt Eils und verweist auf die vielen Malz-, Hopfen- und Hefesorten, die den Braumeistern "millionenfache Möglichkeiten" böten.
"Viele gute Biere lassen sich wegen des Reinheitsgebots nicht herstellen", kontert Wesseloh. Er möchte auch Koriander, Kastanien, Nüsse, Schokolade, Himbeeren oder Erdbeeren im Bier haben. Ein in Deutschland auf diese Weise gebrautes Getränk dürfe aber nicht als "Bier" verkauft werden. Das Reinheitsgebot erlaubt nur den Einsatz von Malz, Hopfen, Hefe und Wasser. Der Deutsche Brauer-Bund meint, das Reinheitsgebot sei in der "DNA" der Deutschen verankert. Das werfe man nicht einfach weg, nur um Koriander ins Bier zu mischen. Der Weg zum "Panschen" sei dann vorgezeichnet. Einer sagte, der Rummel um das experimentelle Craft-Bier gehe auch wieder vorbei: "Am Ende bestellen alle wieder gewöhnliche Bratkartoffeln."
In der deutschen Craft-Bier-Szene verweist man jedoch auf die USA, wo das Handwerksbier bereits einen Marktanteil von zwölf Prozent erkämpft hat. Auch in Deutschland steigt die Bereitschaft der Kundschaft, mehr Geld zu bezahlen, wenn das Bier anders und kräftiger schmeckt. Bierbrauer wie Wesseloh haben Biertrinker wie Dambach von der "Biermüdigkeit" befreit. "Es ist natürlich falsch zu glauben, dass nur Bier, das nach dem Reinheitsgebot gebraut wurde, gutes Bier ist", räumt Eils ein. Aber soll man deshalb dieses Alleinstellungsmerkmal opfern?
Hinter der Debatte lauert ein juristisches Problem. Der Brauer-Bund sagt, dass die Klage eines deutschen Brauers vor dem Europäischen Gerichtshof reichen würde, um das Reinheitsgebot zu kippen. Dann würde das als lasch empfundene Europäische Recht gelten. Wesseloh meint: "Wenn ihr das Reinheitsgebot nicht reformiert, dann klagt bald jemand." Beim Brauer-Bund fürchtet man umgekehrt, dass Traditionalisten klagen würden, wenn man das Reinheitsgebot erweitere. Sicher ist, dass Bier in manchen Kreisen mittlerweile so kundig getrunken wird, wie man es sonst beim Wein kennt. Auf den Anlass kommt es an. "Ich möchte manchmal ein Bier als Durstlöscher, mal eines zum Essen oder später am Abend ein Absacker-Bier", sagt Dambach und nahm einen Schluck von seinem Nachmittagsbier.
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